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op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 99

Am 15. Dezember 2015 begann Arno Lücker eine Bad-Blog-Serie. Die vermutlich längste Bad-Blog-Serie aller Zeiten. Denn das Vorhaben ist, jedem einzelnen Takt von Beethovens letzter Klaviersonate c-Moll op. 111 (1822) eine eigene Analyse zuteil werden zu lassen. Die Sonate hat genau 335 Takte. Also müssen es auch 335 einzelne Analysen sein. Manchmal ist Konsequenz der einzige Ausweg.

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Die bisherigen Folgen:
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Die von mir noch als Kind gefeierte Toccaten-Oktav-Passage ist hier offenbar schon an ihrem Ende angelangt. Nur noch vier Oktaven erscheinen in der rechten Hand. Die Tonwechsel frieren ein. Zu Beginn schaffen es des1 und des2 noch gerade zu c1 und c2 zu werden, doch dann geht es nicht weiter… Die Oktave wird noch zwei Mal wiederholt.

Auch in der linken Hand tropft es sich auf einen C-Dur-Septakkord ein.

Fast demütig schreibt Beethoven dazu ein Diminuendo vor.

In der zweiten Takthälfte geht es erstaunlich weiter. Ausdrucksvoll und ein wenig verzögernd soll diese Stelle gespielt werden.

„Espressivo“ fällt hier auch nicht allzu schwer, dissoniert der waghalsige, synkopierte und längste Klang dieses einzelnen Taktes den Hörenden doch schon for itself eindrücklich schmerzvoll entgegen. Ausgehend vom Bass ist es der vorletzte Klang des Taktes: E – c1 – g1 – des2.

Das des2 ist einerseits die Erinnerung an die Des-Durigkeit des Vortaktes, andererseits die Rückbesinnung auf den schmerzlichen Gang von des1-des2 zu c1-c2 zu Beginn unseres heutigen Taktes. Drittens, so könnte man sagen, rekurriert Beethoven mit dieser zweiten Takthälfte auf die Rezitativ-Stellen im bisherigen Verlauf – und schafft damit erneut eine Rezitativ-Situation innerhalb des ersten Satzes von op. 111.

Wir halten also fest: ein erreichter C-Dur-Sextakkord anfangs der zweiten Takthälfte, dann ein C-Dur-Sextakkord mit kleiner None – und abschließend ein C-Dur-Dominantseptakkord (zunächst noch terzlos), bei dem die Terz auf der letzten (und durchaus überraschenden) Triole nachgeschoben wird, woraus dann strenggenommen – nämlich nur für eine Nano-Sekunde – ein C-Dur-Quintsextakkord resultiert.

Und die jetzt ins Feld geführte Triole in der linken Hand erinnert uns an was?

Richtig: An die Anroller-Triole des Hauptthemas, wie es uns erstmals in Takt 19 begegnet war. Aber das ist lange her. Und viel ist seitdem passiert. Und gerade deswegen haben wir uns Takt 100 redlich verdient. Auch, wenn hier keiner mehr mitliest. Ist mir völlig egal.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.