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op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 108

Im Dezember 2015 begann Arno Lücker die längste Bad-Blog-Serie aller Zeiten. Jeder einzelne Takt von Beethovens letzter Klaviersonate c-Moll op. 111 (1822) bekommt eine eigene Analyse. Bei 335 Takten sind das 335 Analysen. Ja, es muss sein. Nein, es interessiert den Autor nicht, ob jemand wirklich jede Folge liest. Ja, das kann man aber trotzdem ruhig machen.

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Die bisherigen Folgen:
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6 Takt 7 Takt 8 Takt 9 Takt 10 Takt 11 Takt 12 Takt 13 Takt 14 Takt 15 Takt 16 Takt 17 Takt 18 Takt 19 Takt 20 Takt 21 Takt 22 Takt 23 Takt 24 Takt 25 Takt 26 Takt 27 Takt 28 Takt 29 Takt 30 Takt 31 Takt 32 Takt 33 Takt 34 Takt 35 Takt 36 Takt 37 Takt 38 Takt 39 Takt 40 Takt 41 Takt 42 Takt 43 Takt 44 Takt 45 Takt 46 Takt 47 Takt 48 Takt 49 Takt 50 Takt 51 Takt 52 Takt 53 Takt 54 Takt 55 Takt 56 Takt 57 Takt 58 Takt 59 Takt 60 Takt 61 Takt 62 Takt 63 Takt 64 Takt 65 Takt 66 Takt 67 Takt 68 Takt 69 Takt 70 Takt 71 Takt 72 Takt 73 Takt 74 Takt 75 Takt 76 Takt 77 Takt 78 Takt 79 Takt 80 Takt 81 Takt 82 Takt 83 Takt 84 Takt 85 Takt 86 Takt 87 Takt 88 Takt 89 Takt 90 Takt 91 Takt 92 Takt 93 Takt 94 Takt 95 Takt 96 Takt 97 Takt 98 Takt 99 Takt 100 Takt 101 Takt 102 Takt 103 Takt 104 Takt 105 Takt 106 Takt 107

Jetzt geht es rund. Wie erwartet kommt es – einfach, weil der Achtel-Anroller im Bass auch harmonisch fehlt – nicht zu jener erschütternden Ton-Exposition der Takte 48 und 49 (und natürlich, weil Beethoven es an dieser Stelle einfach nicht wollte, haha). Aus der Oktaven-Abfolge der letzten drei Achtel des Vortaktes folgt im Zusammenwirken mit den As-Dur-Dominantseptakkordigen Dingen in der ersten Hälfte von Takt 108 heute ein Des-Dur-16tel-Umspiel-Festival von allerhöchster Eisenbahn.

Dazu gibt es das von den besagten 16teln sprudelnd unterspülte Hauptthema – in Vierteln darüber gehauen, natürlich auch in Des-Dur. Ja, erstmals überhaupt erklingt das Thema dieses Sonatensatzes in Dur! So gesehen ein wichtiger Takt – und ganz „typisch Durchführung“. Denn in der Durchführung einer Sonate geht es ja meist eben darum, Themen in harmonisch anderem Licht zu betrachten, sprich: Sie im „besten“ Falle durch alle möglichen Tonarten zu jagen.

Doch die Tatsache, dass das Thema hier in Dur steht, hat Konsequenzen. Die thematischen Dur-Töne des3 und f3 (das „Königin-der-Nacht-f“!) lassen – in Analogie zu dem Originalthema c-es-H in Takt 20 – jetzt das c3 folgen. Das heißt in der Konsequenz, dass der charakteristische Sprung der verminderten Quarte es-H – dieser höchst eigentümliche Klangzusammenhang, diese Verwegenheit! – getilgt wird.

Aber Beethoven ist ja schlau. Um eben diese durchführungsbedingte Ver-Durung des Themas in seiner unattraktiven Intervallsexpressivitätskonsequenz zu verschleiern geht es fröhlich in 16teln weiter, so dass man das „schwache Dur“ gar nicht hört.

Außerdem erfährt der dritte Ton der Dur-Themenvariante (c3) bald auch eine andere harmonische Einfärbung. Denn das g1 der letzten 16tel der Gruppe der dritten Zählzeit in der linken Hand verrät eine harmonische Fortentwicklung, wobei das – eher wieder zu einem As-Dur-Dominantseptakkord gehörige – ges2 auf der allerletzten Note des Taktes in der linken Pianist*innenhand „nach Des-Dur zurück“ will, schließlich kommt – von horizontal auf vertikal gestellt – auf der vierten Zählzeit des Taktes im Zusammenwirken beider Hände ein astreiner As-Dur-Dominantseptakkord zustande.

Da ist doch das Ziel der Reise eigentlich klar, nicht wahr?

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.