op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 50
Jeder einzelne Takt von Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier c-Moll op. 111 aus dem Jahr 1822 wird an dieser Stelle von Bad-Blogger Arno Lücker unter die Lupe genommen. Ein Versuch, dieser Musik irgendwie „gerecht“ zu werden, was natürlich, dafür aber fröhlich, scheitern muss.
Die bisherigen Folgen:
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6 Takt 7 Takt 8 Takt 9 Takt 10 Takt 11 Takt 12 Takt 13 Takt 14 Takt 15 Takt 16 Takt 17 Takt 18 Takt 19 Takt 20 Takt 21 Takt 22 Takt 23 Takt 24 Takt 25 Takt 26 Takt 27 Takt 28 Takt 29 Takt 30 Takt 31 Takt 32 Takt 33 Takt 34 Takt 35 Takt 36 Takt 37 Takt 38 Takt 39 Takt 40 Takt 41 Takt 42 Takt 43 Takt 44 Takt 45 Takt 46 Takt 47 Takt 48 Takt 49
Nach diesen beiden eindrücklichen letzten zwei Takten mit ihren Riesensprüngen kehrt in unserem heutigen Jubiläumstakt 50 fast so etwas wie „Ruhe“ ein. Zumindest endet die durchgehende, vorantreibende 16tel-Begleitung in der linken Hand mit diesem Takt. Eine einfach Es-Oktave wird in den Boden gerahmt gerammt. Ein Ausrufezeichen – und gleichzeitig ein Doppelpunkt: „Hier kommt etwas anderes, Freund*innen der Nacht!“ Der Einzeltoncharakter der vergangenen Takte wird aber auch hier beibehalten durch die akzentuierte Setzung des hohen Tones es3 in der rechten Hand. Die drauffolgenden Töne c3 und as2 bringen seit langer Zeit mal wieder eine Punktierung ins Spiel. Unter das 16tel-as2 setzt Beethoven außerdem einen As-Dur-Quartsextakkord.
Durch die Ausdünnung des Satzes, mittels der Unterbrechung der durchgehenden 16tel-Begleitung kommt hier also kurzzeitig etwas zur Ruhe, hebt aber gleichzeitig bedeutungsschwanger an. „Nicht zu früh freuen!“
Von der Wirkung ist dieser Takt mit Takt 34 vergleichbar…
Auch dort wurde eine beibehaltene 16tel-Kette unterbrochen, damals sogar mit der Aufforderung Beethovens an die Interpretierenden, das Spiel hier zu verlangsamen. Diese Aufforderung finden wir in Takt 50 nicht – und doch möchten wir eine Wesensverwandtschaft dieser beiden Takte feststellen.
Takt 34 und Takt 50 sind: „So!“ (Der Autor überkreuzt in diesem Moment – asdöflkasdfasölj – Zeige- und Mittelfinger, um die beiden Takte gleichsam als krasse Buddies darzustellen.)
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.