Die Abschaffung des Kulturradios – Folge 16 Nur konsequent: »Martina Zöllner« steht fortan für »Inkompetenz«

Das ist tatsächlich das mehr oder weniger einzige (und völlig unbrauchbare) Foto, das ich in meiner Zeit beim rbb gemacht habe. Es stammt vom 30. September 2008.
Das ist tatsächlich das mehr oder weniger einzige (und völlig unbrauchbare) Foto, das ich in meiner Zeit beim rbb gemacht habe. Es stammt vom 30. September 2008.

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Mir ist bewusst, dass aus Emails zitieren (juristisch) schwierig sein kann. Sei’s drum. Es geht um ja um etwas Wichtigeres als ein paar zusätzliche Anwaltskosten …

Jedenfalls wurde mir eine Email-Antwort von Martina Zöllner zugespielt. Frau Zöllner ist als rbb-Programmdirektorin mitverantwortlich für die diversen Programmreformen und vor allem für die auch inhaltliche Änderungen mit sich bringende Umstellung von rbbKultur zu radio3. In dieser mir vorliegenden Email also schreibt Zöllner, angesprochen auf die Frage, warum der Kultursender vom rbb jetzt innerhalb weniger Jahre zum x-ten Mal umbenannt wurde:

»Der neue Name signalisiert unsere Entschlossenheit, neben den Stärken des alten Programms, die wir erhalten wollen, wirklich etwas Neues anzubieten, er soll neugierig machen und mehr Aufmerksamkeit für das neu aufgelegte Kulturprogramm erzeugen. Mit dem Wort „Radio“ im Titel wollen wir das Radio stärker in den Fokus rücken – ein Live-Erlebnis, das uns besonders macht, hier können Streamingdienste nicht konkurrieren. Die 3 wiederum ist historische Referenz an viele ARD-Kulturprogramme, bei denen die 3 für Kultur steht.«

Da wurde ich etwas stutzig. Die »3« steht also innerhalb der ARD-Radiowellen für »Kultur«?

Ich zähle mal auf: die Kulturradio-Sender (außer radio3 vom Rundfunk Berlin-Brandenburg) der jeweiligen regionalen ARD-Anstalten heißen:

Beim Bayerischen Rundfunk: BR-Klassik

Beim Hessischen Rundfunk: hr2-kultur

Beim Mitteldeutschen Rundfunk: MDR Klassik

Beim Norddeutschen Rundfunk: NDR Kultur

Beim Saarländischen Rundfunk: SR 2 Kulturradio

Beim Südwestdeutschen Rundfunk: SWR Kultur

Beim Westdeutschen Rundfunk: WDR 3

Nur hinsichtlich des WDR also steht (sollte dieser Gedanke nicht, entschuldigung, sowieso Blödsinn sein) die »3« für »Kultur«. Bei den restlichen sechs (von insgesamt acht) ist von der »3« keine Spur. Im Gegenteil. Hier bekennt man sich meistens sogar noch zum Wort (!) »Kultur«, beim Bayerischen Rundfunk sehen wir sogar das Wort »Klassik« aufscheinen.

In der besagten Email an eine Kollegin schreibt Martina Zöllner außerdem, auf ihr eigenes Interview angesprochen (wir berichteten), in dem sie zu bedenken geben wollte, dass das Wort »Kultur« eine (ich muss mich immer noch zusammenreißen, wenn ich mir klarmache, dass eine leitende Radio-Funktionärin so etwas vom Stapel gelassen hat … Entschuldigung … tief einatmen … und weiter …) »abschreckende« Wirkung habe und deshalb aus dem Sendernamen verbannt worden sei:

»Sie zitieren mich aus einem Interview, mit dem Argument, dass das Wort „Kultur“ abschreckend wirke. Meine Position hier ist klar: Kultur ist bereichernd und inspirierend. Genau aus diesem Grund habe ich mich so für das neue radio3 stark gemacht. Es geht darum, ereignisbezogene Berichterstattung, Rezensionen, Kritiken mit Themen aus Medien und Wissenschaft zu kombinieren, aktuelle gesellschaftliche Diskurse aufzugreifen und zu erörtern. Dies auf einem hohen Reflexionsniveau. Damit ist keineswegs eine elitäre Haltung verbunden, vielmehr geht es um profunde Information. Aber es gibt Menschen, die mit dem Begriff Kultur etwas anderes und vor allem etwas Anstrengendes verbinden. Das ist sehr schade und genau dies habe ich versucht klarzumachen. Bitte fühlen Sie sich hier nicht diskriminiert, hier geht es mir weder um Alter, noch um Engagement oder den Versuch der Erziehung.«

Noch einmal: Das sagte eine leitende rbb-Person. Eine Person, die nie darüber reflektiert hat, dass »Anstrengung« etwas Gutes ist, dass eine wesentliche Kulturtechnik das brütende Nachdenken ist, dass Nachdenken Zeit braucht, dass unsere Vorvorvorvorvorvorvorfahren sich vor ihrer Höhle auch nicht gedacht haben: »Och nöö, mir ist das jetzt zu anstrengend, in diesen ausgehöhlten Knochen zu blasen. Ich geh lieber chillen beziehungsweise haue Heinz-Uwe mit meinem Knüppel eins uffen Kopp!«

Mit Martina Zöllner an der Spitze einer solchen lustigen Höhlentruppe wäre(n) Kultur(techniken) gar nicht erst entstanden. Und das Pendant zu diesem Beispiel, transferiert in unsere Zeit? Ihr könnt es euch denken …

Und zu Zöllner Satz »Dies auf einem hohen Reflexionsniveau.« demnächst mehr. Hier im Blog!

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

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