Die Abschaffung des Kulturradios – Folge 6 (Was an rbbKultur gut ist)

Das ist tatsächlich das mehr oder weniger einzige (und völlig unbrauchbare) Foto, das ich in meiner Zeit beim rbb gemacht habe. Es stammt vom 30. September 2008.
Das ist tatsächlich das mehr oder weniger einzige (und völlig unbrauchbare) Foto, das ich in meiner Zeit beim rbb gemacht habe. Es stammt vom 30. September 2008.

Folge 1 (Prolog)
Folge 2 (Das damalige – leise – Verschwinden des ARD-Nachtkonzerts)
Folge 3 (Hanssen vs. Schmidt-Ott – und alles zu Ludovico Einaudi)
Folge 4 (Wie man rbbKultur und Co. abschaffen will und wie man Hörer*innen-Studien in den Sand setzt)
Folge 5 (Der Plan und die Hintergründe der Abschaffung von rbbKultur)

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Länger war jetzt von unserer radiopolitikkritischen Serie hier nichts zu hören. Begonnen vor fast genau einem Jahr hat sie immerhin einige Diskussionen angeregt, teilweise sogar zu Live-Gesprächsrunden inspiriert, Roundtables und Hintergrundgespräche – die in der privaten Küche mit Kolleginnen und Kollegen nicht mitgerechnet – zur Folge gehabt. Immer stand im Fokus, dass wir wohl – fast – alle finden, dass die Öffentlich-Rechtlichen unbedingt mit ihren Klassik-Sendern weitermachen sollen. Vielleicht – andere sagen: ganz sicher – nicht so wie bisher, aber doch: weitermachen!

Und weil das vielleicht in den bisherigen Folgen nicht in jedem Satz mitschwingen konnte: rbbKultur beispielsweise ist ein wichtiger Sender, in dem nicht alles falsch gemacht wird. Deshalb heute einfach mal zur Frage: „Was ist an rbbKultur denn gut?“

Das ist zunächst die Sendung „Blindverkostung – Das heitere Interpretenraten“. Seit ein paar Jahren diskutieren drei – sehr kompetente – Kolleginnen und Kollegen dort unterschiedliche Aufnahmen von einem jeweils ausgewählten klassischen Werk. Und sie müssen viel mehr als „nur“ die Interpretinnen und Interpreten raten (was ihnen – erstaunlich – fast immer gelingt). Immer mal wieder geht es auch um die Frage, ob dieses oder jene Werk tatsächlich so „gut“ sei – oder dieser oder jener Interpret tatsächlich zu Recht „weltberühmt“. Das ist lustig, manchmal mutig – und immer unterhaltsam. Auch wird Musik nicht als „Stückwerk“ betrachtet. Bei Ausblendungen wird sich höflich-ironisch entschuldigt – und am Ende ertönt die „Gewinner-Aufnahme“ einmal zur Gänze.

Gut auch, dass die Sendung über die übliche Podcast-App auf Smartphones verfügbar ist. So muss man – hört man sich die Sendung über die rbb-Webseite an – nicht ständig die Stelle, an der man unterbrochen hatte/wurde, neu suchen, sondern kann – wie bei der Podcast-App gewohnt – dort weitermachen, wo man sich erlaubt hatte, während Tschaikowsky, Mahler oder Beethoven auf „Pause“ zu stellen.

Auch sind die Moderationen im – oft gescholtenen – Tagesprogramm durchaus besser geworden. Witziger, wortverspielter, dramaturgischer. Hier darf es auch einmal um ein einzelnes besonderes Wort gehen, das den Übergang zum nächsten Stück bildet. Wenn man nicht von der Nicht-Musik von Einaudi, Yiruma (fast noch schlimmer…) unterbrochen würde, dann könnten hier wirklich originelle Stunden entstehen; auch angedockt an aktuelle Themen des Tages; vielleicht sogar von den Nachrichten zur – dann natürlich dann und wann spontanen – Musikauswahl überschwappend.

Nächstes Jahr werde ich mich noch einmal dem gesamten rbbKultur-Programm hörend aussetzen – und darüber berichten. Und wer weiß: Vielleicht fällt mein subjektives Fazit ja überraschend positiv aus? Was mir – das kann ich ganz sicher schon sagen – fehlt, das sind noch mehr freche, weibliche, junge Stimmen, die den verdammten „Gegenstand E-Musik“ dabei nicht in seiner Tiefe verraten, sondern sich ihm authentisch aussetzen. Ich will keine schönen Stimmen von perfektionsheischenden Gala-Ansagern, die sich vor jeder Moderation das Haar zu richten scheinen. Diese Art von Haltung hat schon im Bereich Musikvermittlung gefühlt abertausende – neue? – Hörerinnen und Hörer vergrauelt: „Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, zu diesem Konzert! Mein Name ist Maike Irgendwas – und ich freue mich heute auf Brahms! Ich liebe Brahms! Brahms ist für mich wie eine Reise in den Klang! Und vielleicht geht es Ihnen auch so! Deshalb lade ich Sie herzlich ein, mich auf dieser Reise zu Brahms heute zu begleiten!“

Bli, Bla, Blupp. Niemand hat wirklich Lust, mit Maike zu verreisen.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.