Die 24 Tonarten und ihre bekanntesten Werke – Folge 20: a-Moll

Ich hatte mal die Idee, wie man – natürlich auf recht einfache, populäre, aber irgendwie lustige Weise – Johann Sebastian Bachs beiden Bänden des „Wohltemperierten Claviers“ „nacheifern“ könnte. Nämlich mit einer Playlist, die das jeweils bekannteste Stück jeder einzelnen Tonart abbildet. Also im Quintenzirkel „vorne“ angefangen von C-Dur bis nach „hinten“ (h-Moll). „Bekanntheit“ ist natürlich kein wirklich wissenschaftlicher Begriff. Mit „Bekanntheit“ meine ich – in Bezug auf Werke klassischer Musik – mehr ein „Gefühl“. Ist zum Beispiel ein Stück in einem Film einer/eines berühmten Regisseurin/Regisseurs sehr prominent verwendet worden, dann rückt dieses Werk jeweils natürlich gefühlt „nach oben“ im Ranking. Den ersten Satz von Beethovens Fünfter beispielsweise habe ich schon in Filmen iranischer Regisseur:innen verarbeitet gesehen/gehört (besonders eindrücklich in dem Film „Die Stille“ von Mohsen Makhmalbaf aus dem Jahr 1998). „Welthaftigkeit“ geht also als Überlegung hinsichtlich der „wirklichen“ („globalen“) Bekanntheit mit in die jeweilige Entscheidung ein. Meine Artikel-Serie zu den Tonarten ist insbesondere eine Einladung zum Mitdiskutieren! (Jeder „endgültigen“ Entscheidung füge ich einen Link und eine entsprechende Interpretation des jeweiligen Tonarten-Stückes bei. Auch hierbei darf in den Kommentaren gerne – freundlich – interveniert werden.)

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Die bisherigen Folgen: C-Dur, c-Moll, Des-Dur, cis-Moll, D-Dur, d-Moll, Es-Dur, es-Moll, E-Dur, e-Moll, F-Dur, f-Moll, Ges-Dur, fis-Moll, G-Dur, g-Moll, As-Dur, gis-Moll, A-Dur.

A-Moll ist rein wie Schnee und traurig wie Rotkäppchen allein auf weiter Flur. (Nur ohne Wolf.) A-Moll ist nie richtig traurig, sondern es blitzt immer der Wille zum Lied, zum Choral, zum Trost auf… A-Moll ist dabei überraschend brillant. Und eiskalt!

Paganinis letzte Caprice hätte es werden können… Oder auch Mozarts „Alla turca“. Damit hätte Mozart in zwei „aufeinanderfolgenden“ Tonarten (A-Dur und a-Moll) in der Weise einen fulminanten Sieg davongetragen, als dass der erste Satz aus der Sonate KV 331 in A-Dur und das „türkische“ Finale derselben in a-Moll obsiegen würde. Doch mitnichten. Es kann nur eine geben. Nur sie, die grauenvoll hässliche, überschätzte „Elise“ (die noch nicht einmal „Elise“ hieß, sondern Waltraud Schröpke oder so, weiß ich jetzt gerade nicht).

Das für Arno Lücker bekannteste Werk in a-Moll:
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Bagatelle für Klavier a-Moll WoO 59 »Für Elise« (1810)
Tobias Koch (Fortepiano)

Andere über a-Moll…

A MOLL […] ist etwas klagend / ehrbar und gelassen / it. [d.h.] zum Schlaff einladend; aber gar nicht unangenehm dabey. Sonst zu CLAVIER und INSTRUMENTAL-Sachen sonderlich geschickt. AD COMMISERATIONEM CITANDAM APTUS. d[as] . i[st] . geschickt ein Mitleiden zu erwecken. Kirch. „[…] Dieser Tohn hat einen prächtigen und ernsthafften AFFECT, so daß er doch dabey zur Schmeicheley gelencket werden mag. Ja die Natur dieses Tohnes ist recht mäßig / und kan fast zu allerhand Gemüths=Bewegungen gebraucht werden. Ist dabey gelinde und über die massen süsse.. […]

(Johann Mattheson: Das neu-eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, S. 238 f.)

A moll, fromme Weiblichkeit und Weichheit des Charakters.

(Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806, S. 377)

In wahrhaft himmlischer Freude schauen die Engel in Haydns Schöpfung auf die blühende herrlich glänzende Natur. Was hier [Anm.: in A-Dur] mit sicherer Bestimmtheit tönt, wie in A moll zur schwächeren Hingebung, aber auch zur zagenden Weichheit. So hat diese Tonart einen mehr weiblichen Charakter, der überall nur Hingebung verräth, in der Heiterkeit sich anschmiegt und in dem Schmerze nicht widerstrebt, noch auch trostlos verzagt. Das Gefühl der Buße kann kein mehr entsprechendes Organ finden, wie dies Beethoven in seinem Bußlied: An dir allein hab‘ ich gesündigt, gezeigt. Die dankvoll Ergebung an Gottes Vaterliebe, die alle Thränen trocknet, spricht Paulus und der Chor in Mendelssohns Oratorium No. 20 aus. Wie aber mag der furchtbare Chor der Ungläubigen bei Ries am Schlusse des ersten Theils der Macht des Glaubens in A moll singen? Es ist ein Bild entstellter Rohheit, die für den Frevel alle Kraft aufbietet und dem Zarten durch Misbrauch Hohn spricht, eine Grausen erregende Ironie.

(Ferdinand Gotthelf Hand: Aesthetik der Tonkunst, Erster Theil, Leipzig 1837, S. 220)

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.