„Alles für unsere Heimat“ – wie die AFD in Sachsen-Anhalt direkt Stimmung gegen Kultur und Neue Musik macht

 

Schon zweimal 1 2 war das IMPULS-Festival in Sachsen-Anhalt Thema im Bad Blog. Trotz langjähriger erfolgreicher Arbeit, trotz Förderung lokaler Talente bei gleichzeitiger Einbeziehung der lokalen Klangkörper, trotz einem lebhaften Austausch mit anderen Festivals und vielen internationalen Projekten scheint das IMPULS-Festival nach wie vor einen schweren Stand zu haben, 210407_MZ_Andreas Montag_IMPULS_Ungeliebtes Kind.
Über die Jahre ist der engagierte, unermüdliche und leidenschaftliche Festivalleiter Hans Rotman immer mehr zwischen die Fronten der lokalen Politik geraten. Nun hat aber die Auseinandersetzung eine neue Qualität erreicht, denn es geht zwar wieder einmal um die grundsätzliche Finanzierung des Festivals, aber nun ist das Festival auch so sehr zum persönlichen Feindbild der AFD geworden, dass der Forderung nach dessen endgültiger Abschaffung sogar im aktuellen Parteiprogramm der AFD gleich mehrere Zeilen gewidmet werden (Lesen auf eigene Gefahr).

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Wie die AFD „Kultur“ in ihrem Sinne unter Punkt 12 definiert, muss man tatsächlich gelesen zu haben, um es zu glauben. Zeilen wie die folgenden sollten vor allem diejenigen sehr genau lesen, die aus irgendeiner inneren Verblendung heraus vielleicht sogar hoffen, dass diese Partei es mit der Kultur gut meinen könnten oder sie zum Beispiel als Komponist*innen Neuer Musik davon profitieren könnten (solche Menschen scheint es tatsächlich zu geben, man glaubt es kaum):

12) Patriotismus fördern – Kein Staatsgeld für antideutsche Kunst und Kultur!

 

Die vornehmste Aufgabe aller Kunst besteht darin, kulturelle Identität zu pflegen. Die deutsche Identität ist so auch das Resultat deutscher Kunst, vor allem der sich im öffentlichen Raum vollziehenden Bühnenkunst. Leider wird die Kunst unserer Tage dieser ihrer Verantwortung kaum noch gerecht – im Gegenteil. Tanztheaterstücke wie „Das Fremde so nah“ (Theater Dessau) wollen uns den Sinn für die Unterscheidung zwischen der eigenen und fremden Kultur systematisch aberziehen. Noch plumper hetzen Stücke wie „Fear“ (Berliner Schaubühne) unverhohlen gegen die AfD und Pegida. Bestenfalls wird auf unseren Bühnen noch nichtssagende Unterhaltung, Abseitiges oder Internationales ohne Bezug zu unserem Land gezeigt. Das Grundgesetz verpflichtet uns, auch solche „Kunst“ zu akzeptiert . Das Grundgesetz verpflichtet uns aber nicht, solche Kunst zu fördern. Die Kunstfreiheit ist kein Anspruch, jeden Schund gefördert zu bekommen. Deshalb will die AfD mit Staats- und Steuergeld nur noch solche Kunst fördern, die ihrer eigenen deutschen Kultur grundsätzlich bejahend gegenübersteht. Wir sind, wie unsere Haushaltsanträge gezeigt haben, gewillt, auch massive Einschnitte zu vertreten. Wir wollen die Förderung des „ImpulsFestivals“ für neue Musik komplett streichen und die Landesförderung für die Theater mindestens halbieren. Eine Agitation gegen das eigene Volk muss nicht durch den Staat, der aus diesem Volk besteht, finanziert werden. In dieser Hinsicht wie auch in weiteren Punkten der kulturpolitischen Ausrichtung ist uns die kulturpolitische Wende, die Ungarn unter Viktor Orban vollzieht, Vorbild und Inspiration.

(Anmerkung: Rechtschreibfehler und hölzerne Grammatik exakt so wie im Original – anscheinend steht bei der AFD zwar das „Deutsche“ immer hoch im Kurs, wird aber noch nicht mal beim Schreiben auf angemessenem Niveau beherrscht, aber das kennt man ja schon…)

Dass die AFD einer solchen Unternehmung wie dem IMPULS-Festival kritisch gegenübersteht, ist quasi zu erwarten, aber die Argumente sind dann doch bemerkenswert in ihrer ganz eigenen Definition einer „entarteten“ Kunst. Man ist ja quasi müde geworden, über die Parallelen zur Vergangenheit zu sprechen, da wir in einer Zeit leben, in der sich inzwischen Hinz und Kunz und Jana aus Kassel sich entweder als Widerstandskämpfer gegen ein imaginäres aktuelles Drittes Reich gerieren oder sich als vegane Matcha-Samurais eben dieses zurückwünschen. Aber es schaudert einen schon, wenn man Sätze wie „Deshalb will die AfD mit Staats- und Steuergeld nur noch solche Kunst fördern, die ihrer eigenen deutschen Kultur grundsätzlich bejahend gegenübersteht“ (Kunst ist also generell dafür da, auschließlich „eigene deutsche Kultur“ zu bejahen? Man darf dann Shakespeare nicht mehr spielen, oder was?) oder „Die Kunstfreiheit ist kein Anspruch, jeden Schund gefördert zu bekommen“ (auf was die Kunstfreiheit „Anspruch“ hat, bleibt in diesem erbärmlichen „deutschen“ Satz leider offen – oder soll es bedeuten, dass die Kunstfreiheit keinen Anspruch hat?). Am Schluss wird sogar ausgerechnet Orban als Vorbild genannt für einen Staat, der politische Gegner aus kulturellen Ämtern im großen Stil entfernt um sie durch willfährige Marionetten zu ersetzen, denn genau das wünscht sich natürlich die AFD auch in Deutschland und würde es auch sofort und ohne Zögern umsetzen.

Dass hier eine kognitive Dissonanz höchsten Grades vorliegt, ist schon lange klar. Zuerst unter dem Deckmantel der „Meinungsfreiheit“ beklagen, dass leider dann doch nicht die Mehrheit der Deutschen so rechts wie die AFD ist und man als „Rechter“ angeblich nicht genügend zu Wort kommt, dann aber genau die Abschaffung der Meinungsvielfalt fordern, wenn man selbst an der Macht wäre. Da wird nämlich dann schnell alles, was einem nicht passt, als „Agitation gegen das eigene Volk“ deklariert und abgeschafft. Ganz schnell kann das gehen, wie man in Ungarn oder auch der Türkei sehen kann. Die Kriterien für eine nationale Kunst bleiben dabei bewusst diffus, damit sie je nach Lust und Laune bei denen angewendet werden können, die einem nicht genehm sind.

Denn wer entscheidet dann, was „Schund“ und was „Kunst“ ist? Die AfD benutzt bewusst Formulierungen wie „nichtssagende Unterhaltung“ oder „Abseitiges“, die man rein nach Geschmack anwenden kann. Von der Perspektive der Kunstmusik aus ist das meiste, was im Schlagergenre produziert wird, relativ „nichtssagende Unterhaltung“, dennoch würde nie jemand die Abschaffung des Schlagers fordern, eben weil es vielen Menschen gefällt und es zur Meinungs- wie auch Kunstfreiheit gehört, lieber Helene als Julia Fischer zu hören. Nach dieser Formulierung müsste die AfD deutschen Schlager abschaffen, würde das aber natürlich nie tun. Und was ist „abseitig“? Etwas, das aus dem Rahmen fällt? Nach dieser Argumentation sind dann heimische Komponisten wie Stockhausen oder Lachenmann oder Henze auch ganz schnell als „abseitig“ deklarierbar – Stockhausen weil vom Sirius und spinnert, Lachenmann weil „Abseitiges“ auf Instrumenten verlangend, und Henze vielleicht einfach nur, weil er schwul war und das manch rechte Dumpfbacke eben auch „abseitig“ findet. Ach, warum bei diesen Namen aufhören, eigentlich ist die ganze „Neue Musik“-Szene sehr schnell als „abseitig“ deklarierbar, und kann ganz schnell durch „volkstümliche“ Musikfestivals ersetzt werden, bei denen für die Älteren Um-ta-ta-Geschunkel oder für die Jüngeren rechter Oi!-Rock gespielt wird, bis man sich ins Koma gesoffen hat (was man dann in solch einer Horrorwelt auch täglich tun müsste, um sie überhaupt zu ertragen).

In dem Programm finden sich abseits des Kulturellen noch viele weitere Highlights wie (Rechtschreibfehler wie im Original und ein schöner Ausblick darauf, wie die Welt für die AfD am besten aussehen würde:

„Während einheimische Harz-IV-Bezieher ihre Ersparnisse bis auf einen kleinen Notgroschen aufzehren müssen, bevor sie staatliche Gelder erhalten, werden Asylforderer für die von ihnen verursachten Kosten nicht herangezogen.“

Ja klar, weil der Kriegsflüchtling, der gerade aus seinem zerbombten Heimatland floh und halbnackt aus dem Mittelmeer gefischt wurde auf jeden Fall ein paar 1000 Euro in der Tasche hat…Immerhin haben die heimischen „Harz-IV“-Empfänger noch ihren guten deutschen Retsina…

„Der gute Schüler muss wieder zum Vorbild für seine Klassenkameraden werde.“

Entweder ist Hessisch ist jetzt Amtssprache der AfD in Sachsen oder es gibt noch Lehrbedarf…Allerdings kleiner Fehler: es muss natürlich „der gude Schüler“ heißen.

„Abgesehen davon, dass es echten Rassismus kaum noch gibt und es deshalb wenig Sinn macht, ihn mit großangelegten Programmen (Anmerk.: gemeint ist „Schule gegen Rassismus“) zu bekämpfen, verbirgt sich hinter diesem Programm etwas anderes. Unter dem Deckmantel, Rassismus zu bekämpfen, wird gegen legitime rechte und patriotische Einstellungen vorgegangen.“

Ja, in Sachsen-Anhalt gibt es überhaupt keinen echten Rassismus. Der ist dort fast ausgestorben. Ganz ehrlich, gibt es nicht! Bitte weitergehen, no racism here, ich schwöre!

„Vom „Miteinander e.V.“ über das Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ bis hin zu diversen Initiativen für mehr Demokratie und Toleranz, die auf das genaue Gegenteil von Demokratie und Toleranz hinwirken, steht die Landeszentrale (für politische Bildung) wie die Spinne in einem Netz linker bis linksextremer Institutionen.

Eine der größten Gefahren auf dem Weg ins Land Mordor äh Sachsen-Anhalt war schon immer die böse Spinne „Landeszentrale für politische Bildung“. bzw. Kankra, das ist bekannt. Danke, dass darauf hingewiesen wird, ich nehme dann die andere Autobahnausfahrt.

„Die AfD bekennt sich zur kulturellen Identität unserer Heimat. Statt einer Landeszentrale für politische Bildung, die linken Ungeist verbreitet, wollen wir Aktivitäten fördern, die das Heimatgefühl und die Nationalidentität stärken. Dazu gehört, dass Brauchtum und Traditionen erhalten werden müssen. Zu diesem Zweck sollen Ortschaften 5 € pro Einwohner und Jahr als ungebundene Schlüsselzuweisung für Brauchtum und Tradition vom Land erhalten. Wofür genau innerhalb des breiten Rahmens der Brauchtums- und Traditionspflege diese Zuweisung verwendet wird, hat der Ortschaftsrat per Abstimmung zu beschließen.“

Das ist eindeutig zu wenig, eine Maß Bier kostet mehr. Und nur eine pro Jahr?

„Gleichstellungsbeauftragte abschaffen.“ „Studentenräte sollen abgeschafft werden: Wir wollen deshalb eine Universitätsreform durchsetzen, die all diese Fehlentwicklungen beseitigt und insbesondere den Einfluss der Studentenräte zurückdrängt. Der Einfluss dieser Gremien beruht darauf, dass eine kleine Schicht von hyperaktiven und zumeist linksradikalen bis linksextremen Studenten sich anmaßt, für alle Studenten zu sprechen. Diesem Treiben wollen wir ein Ende bereiten!“

Die größte Gefahr für die Bildung waren schon immer die bösen Gleichstellungsbeautragten und diese schlimmen ADHS-kranken linksextremen Studenten, die immer so nerven, weil sie für die Studentenschaft sprechen wollen. Da muss wieder Ordnung und Disziplin her! Studenten: schweigt und gehorcht! Keine Gleichstellung, auf keinen Fall – Diskriminierung gehört einfach zu guter deutscher Bildung dazu! Und bitte ein Rohrstockbudget, so wie früher!

Freiwillige Bürgerwacht soll „zu mehr Sicherheit, Sauberkeit und Ordnung beitragen“

Schon jetzt schaudert einem bei dem Gedanken, aus welchen Menschen sich eine solche Bürgerwehr rekrutieren wird…

„Waffenbesitz ist gut und recht!“

Ja, funktioniert ja auch prima in den USA!

„weitere Nutzung von Verbrennungsmotoren“

Weil es einfach total die Zukunft ist, weiterhin die Luft zu verpesten und den Klimawandel zu befördern, wir finden es alle toll

„GEZ“ abschaffen.“

Damit unsere Jugend nicht von „Kultur“ verdorben wird (im Zweifelsfall „hyperaktive“ und „linksradikale“ Kultur)

Und noch ein kleines Schmankerl hocheffizienten Selbstbetrugs:

„Aufgrund nicht abschätzbarer Risiken lehnen wir genmanipulierte Nahrungs- und Futtermittel ab, befürworten jedoch die Forschung auf diesem Gebiet, damit Deutschland als Hochtechnologiestandort nicht ins Hintertreffen gerät.“

Oh weh, ich hör auf.

Und mal wieder: rettet das „Impuls-Festival“. Es lohnt sich, gerade in Sachsen-Anhalt.

 

Moritz Eggert

 

 

 

 

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Eine Antwort

  1. Walter Sorger sagt:

    Aufgrund dieses Artikels habe ich jetzt tatsächlich das Parteiprogramm der AfD für Sachsen-Anhalt gelesen. Mehr oder weniger zum ersten Mal habe ich mich mit dieser Partei inhaltlich beschäftigt. Ich bin erschrocken!