op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 28
Jeder einzelne Takt von Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier c-Moll op. 111 aus dem Jahr 1822 wird an dieser Stelle von Bad-Blogger Arno Lücker unter die Lupe genommen. Ein Versuch, dieser Musik irgendwie „gerecht“ zu werden, was natürlich, dafür aber fröhlich, scheitern muss.
Die bisherigen Folgen:
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6 Takt 7 Takt 8 Takt 9 Takt 10 Takt 11 Takt 12 Takt 13 Takt 14 Takt 15 Takt 16 Takt 17 Takt 18 Takt 19 Takt 20 Takt 21 Takt 22 Takt 23 Takt 24 Takt 25 Takt 26 Takt 27
Nach dem kräftig aufwärtsstrebenden Takt 28 musste es ja irgendwann soweit kommen, dass es wieder abwärts geht! Ein letztes Sforzato auf der ersten Note – von da aus dann ein Decrescendo-Storchenschnabel über den ganzen Takt. In der Höhe, bei der Raserei, in dieser ganzen Hitzigkeit wirklich leiser werden? Geht das (gut)?
Wie schon in den Takten 4, 13 und 16 folgt ein kurzer Interpretationsvergleich.
Evgeny Kissin (2013) interpretiert das Decrescendo von Takt 28 ganz hübsch, aber für mich etwas zu kontrolliert, zu diktiert. Sehr ähnlich auch Daniil Trifonov (2014). Viel zu harmlos. Dafür die körperlich ausgetragene Attitüde des verzweifelten, mit sich selbst ringenden Künstlers. Nein. Danke.
Mehr ins Piano geht dafür Arturo Benedetti Michelangeli (1990).
Für meinen persönlichen Geschmack spielt Grigory Sokolov (1988) Takt 28 mit Abstand am differenziertesten, am spannendsten…
Bitte anhören, okay?
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.