op. 111 – Eine Analyse in 335 Teilen – Takt 23
Jeder einzelne Takt von Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier c-Moll op. 111 aus dem Jahr 1822 wird an dieser Stelle von Bad-Blogger Arno Lücker unter die Lupe genommen. Ein Versuch, dieser Musik irgendwie „gerecht“ zu werden, was natürlich, dafür aber fröhlich, scheitern muss.
Die bisherigen Folgen:
Takt 1 Takt 2 Takt 3 Takt 4 Takt 5 Takt 6 Takt 7 Takt 8 Takt 9 Takt 10 Takt 11 Takt 12 Takt 13 Takt 14 Takt 15 Takt 16 Takt 17 Takt 18 Takt 19 Takt 20 Takt 21 Takt 22
Die Ausformulierung des Hauptthemas geht weiter. Auf den ersten drei Vierteln unseres heutigen Taktes sind die gleichen Noten zu spielen wie zuvor. Die erste vier (mit Auftakt: fünf) Töne allerdings nicht mehr Staccato, also nicht mehr kurz und trocken, sondern Portato, mehr „einzeln gedrückt“ aber trotzdem deutlich voneinander abgesetzt.
Was könnte das heißen? Mmh. Vielleicht wollte Beethoven nicht, dass das Thema allzu c-Moll-toccaten-gefällig wirkt. Denn dieser Eindruck hätte sich einstellen können, wenn das Thema einfach so „weiterrollen“ würde…
Die Töne sind also etwas pikiert voneinander abgesetzt zu spielen. Das könnte heißen: „Spiel die Töne bewusster! Als ob du über jeden Ton einzeln nachdenkst… Als wenn das Ganze doch so einfach nicht sein könnte…“ Außerdem können wir jetzt auch die Spielanweisung ganz lesen. „Me…“ und „po…“ haben also doch nichts mit „untenrum“ zu tun. „Mezzo piano – poco ritenente“ soll die Stelle gespielt werden. Also mittelleise und etwas verzögernd.
Die Bewusstheit, die Beethoven hier von den Interpret*innen implizit (und doch irgendwie auch ganz explizit) verlangt… Das Portato-Spiel der Töne, das leicht Verzögerte, das „Mittelleise“… Beethoven will hier Gefälligkeit vermeiden, will zeigen, welch großer Kampf die bisherigen Takte für ihn bedeuteten…
Am Ende des Taktes finden wir dann sozusagen eine figurierte Variante des Vortaktes. Die Achtel-Töne c und as von Takt 22 erscheinen hier in der 16tel-Reihe c – as – b – as. Darüber steht ein Crescendo. Noch eine Ausdifferenzierung also. Dabei sind wir doch im Grunde genommen noch im Fortissimo… Mmh.
Zu bemerken wäre abschließend, dass „ritenente“ ein Anagramm von „renitente“ ist. Auch von „Eintreten“ (haha, denn hier tritt ja gerade das Thema ein! Wusste das Beethoven etwa? Nein, natürlich nicht. Bist du bekloppt oder was?).
Renitente
trennte Ei.
Nette Iren
treten ein.
Tee rinnte.
Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.