Das Bild der Neuen Musik in der Öffentlichkeit, Teil 3: Das Recht der ersten Nacht

Liebe Baddies,
Beim Aufschlagen der FAZ gibt es immer wieder Erstaunliches – zuerst einmal ist man ja immer froh, darin etwas über Neue Musik zu lesen, anstatt dass einen ein DIN-A-0 Porträt von Christian Thielemann (wie in den letzten Wochen) bedrohlich anstarrt, aber über diese Sätze in Gerhard Rohdes Artikel über „Neue Musik, neues Theater“, Aufbruch und Erinnerung in Darmstadt, abgekürzt könnte das auch „Nostalgie für das frühere Darmstadt“ bedeuten, stolperte ich dann doch:

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„Die europäische und deutsche Neue-Musik-Landschaft kennt heute viele Orte und Namen. Doch das musikalische Ius primae noctis der Nachkriegszeit dürfen die Darmstädter Ferienkurse wohl immer noch für sich reklamieren.“

Nun ist der Begriff  „Ius primae noctis“ – das Recht der ersten Nacht – aus irgendeinem Grund bei Intellektuellen gerade in Mode. Meine Frau (Autorin) meinte, dass der Begriff besonders in der Literaturkritik super in sei. Vergegenwärtigen wir uns aber mal kurz, was es eigentlich heißt – nämlich dass der Gerichtsherr mal eben schnell seine jungfräuliche Untertanin entjungfern (bzw. schnackeln) darf, falls diese einen seiner Untertanen heiratet. Und zwar bevor dieser Untertan, äh, ran darf, daher auch „die erste Nacht“….also „Die Nacht vor der Nacht“. Na, ihr wisst schon.

Also nicht mehr und nicht weniger als eine typische menschenverachtende Praktik aus patriarchalischen Kulturen (wie es unsere auch nach wie vor noch ist), die sich hervorragend eignet, en passant in Feuilleton-Texte eingebaut zu werden.

Und das Tolle ist: Gerhard Rohde hat absolut Recht!

Denn der Gedanke, dass uns alle das selige Darmstadt annodazumal ZUM ALLER ERSTEN MAL so richtig durchgef***t  hat, entbehrt dann doch nicht einer gewissen Komik….und Wahrheit!

Und wisst ihr was? Es tut immer noch weh!

Euer Bad Boy
Moritz Eggert

RobertCrumb

Das Recht der ersten Nacht, interpretiert von George, äh, Robert Crumb

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2 Antworten

  1. querstand sagt:

    @ eggy

    Ich muß dringend nach Darmstadt… ich war da noch nie und muß dringend durchgeknallt werden… Da schrecken einen doch Arno Lückers Beschreibungen zu sehr ab. Ich brauche nun nicht jede Nacht Party, die Jugendherbergsromantik Darmstadts (Wohnort der Ferienkursteilnehmer) ist doch sehr abtörnend. Streifte dort nachts Solf Schäfer durch die Zimmer und suchte nach dem Geist von Brian Ferneyhough?

    Im Unterricht bei Bose spielte latent in Erzählungen Darmstadt auch immer eine Rolle, aber so negativ ob der Studenten Absicht dort hinzufahren, daß man bei Darmstadt immer mehr die Ferienkurse vergaß. Angesichts H.K Metzgers kolportiertem Vergleich von Nono mit Pfitzner, fiel mir einer der Lieblingswitze Boses ein, der dann doch hängen blieb: Der alte Kna (=Knappertsbusch) dirigierte eine Probe zu Pfitzners Oper „Das Herz“. Ein eigentlich sehr verschrobenes, sehr ideenreiches Stück im Bereich der „Kategorie des Einfalls“. Die Probleme Knas mit dem Ensemble müssen aber gewaltig gewesen sein, zudem hasste er ja zu proben. Plötzlich knallt er die Partitur zu und brüllt zu Pfitzner:“Soviel Scheiße wie hier drin steckt, sollte die Oper nicht Das Herz sondern Der Darm heissen!“ Wahrlich uncharmant! Denke ich nun immer an die Ferienkurse in Darmstadt, assoziiere ich immer diese Herz-Darm-Story. Und nun soll ich den meinen auch noch herhalten, damit man mich durchf****… Wie gut, daß ich dort nicht mehr ganz jungfräulich bin, so wie ich mir immer wieder im Gebiet mancher Technik der Neuen Musik vorkomme… Da halte ich es bzgl. der Darmstädter Schule lieber mit Götz von Berlichingen: L.M.A.A. Oder einfach mal ein wertfreierer Zugang dort zu Neuer Musik? Weg von all den Dogmatismen und v.a. undurchschaubaren Minipfründen. Vielleicht sowas wie ein KomponistInnen-Freistaat, weniger Rundfunk, weniger Musikwissenschaft, einfach mehr junge Komponisten und viel schneller wechselnde und neue Kuratoren. Was aber jetzt dort wieder aufgebaut wird, wird dann ganz im Sinne Herrn Rohdes die nächsten 20 Jahre wieder das Recht der ersten Brautnacht für sich veranschlagen – bäh.

  1. 4. November 2009

    […] Dieser Eintrag wurde auf Twitter von neue musikzeitung, Daniel Mennicken erwähnt. Daniel Mennicken sagte: Manchmal ist Moritz Eggert einfach der Beste: Das Bild der Neuen Musik in der Öffentlichkeit Teil 3 http://bit.ly/4A1ZJY […]