Die ernüchternde Opernstatistik der Spielzeit 2017-2018

Die meist aufgeführte Oper in der Spielzeit 2017/2018 ist die vollkommen unbekannte und natürlich zu Unrecht unterschätzte "Don Giovanni" von einem gewissen Herrn Mozart. Wir empfehlen 20 Inszenierungen in der nächsten Spielzeit, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen, dass diese viel zu wenig gespielte Oper dem Vergessen entrissen wird...

Die meist aufgeführte Oper in der Spielzeit 2017/2018 ist die vollkommen unbekannte und natürlich zu Unrecht unterschätzte Oper „Don Giovanni“ von einem gewissen Herrn Mozart. Wir empfehlen 20 Inszenierungen in der nächsten Spielzeit, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen, dass diese viel zu wenig gespielte Oper dem Vergessen entrissen wird…

Werbung

  • 2017/2018 gab/gibt es im deutschsprachigen Raum 444 Opernpremieren.
  • Nur 38 dieser Premieren sind/waren Wiederaufführungen von Opern, die nicht älter als 50 Jahre sind. Das sind nur 8,5% aller Premieren.
  • Von diesen 444 Opernpremieren sind/waren 33 Stücke Uraufführungen. Das sind 7,4% aller Premieren.
  • Wenn man die Uraufführungen und Wiederaufführungen zusammenzählt, kommt man nur auf 16% Premieren von Stücken, die Null bis 50 Jahre alt sind.
  • 84% der Stücke die in deutschsprachigen Opernhäusern eine Premiere erleben sind also älter als 50 Jahre.
  • Das Durchschnittsalter der nur 38 wiederaufgeführten Opern beträgt 19,4 Jahre (Median 18 Jahre). Einige der „Wiederaufführungen“ sind nichts weiter als Wiederholungen von Uraufführungen im Rahmen einer Koproduktion.
  • Das Durchschnittsalter der 84% Opern die älter als 50 Jahre sind ist 161 Jahre, Tendenz steigend.
  • Von den 373 Opernpremieren von Opern, die älter als 50 Jahre sind, sind 287 Opern 100 Jahre oder älter. Das heißt 77% dieser Opern sind über ein Jahrhundert alt.
  • Wenn man eine beliebige Opernpremiere im deutschsprachigen Raum besucht, besteht eine 65% Chance, dass die Oper älter als 100 Jahre ist.
  • Wenn man eine beliebige Opernpremiere im deutschsprachigen Raum besucht, besteht eine satte Chance von 13,3 %, dass es sich um eine von diesen nur 9 verschiedenen Opern handelt: Carmen (6 Premieren), Cosi fan tutte (6 Premieren), Der fliegende Holländer (6 Premieren), Die Dreigroschenoper (6 Premieren), Don Pasquale (6 Premieren), Le Nozze di Figaro (6 Premieren), Die Zauberflöte (7 Premieren), La Cenerentola (7 Premieren), Don Giovanni (9 Premieren).
  • Eine von ca. 20 Premieren (5,2 % aller Premieren) ist auf jeden Fall eine Premiere von „Die Zauberflöte“, „Don Giovanni“ oder „La Cenerentola“).
  • Jede 50. Premiere ist auf jeden Fall „Don Giovanni“ von Mozart (2%).
  • Im Gegensatz dazu erlebt kein einziges der „wiederaufgeführten“ Stücke (also Stücke, die nicht älter als 50 Jahre sind) mehr als 2 Premieren in dieser Spielzeit. Die einzigen Stücke mit 2 verschiedenen Premieren sind „Angels in America“ (Eötvös), „A Streetcar named Desire“ (Previn), „Maria de Buenos Aires“ (Piazzolla). Einzig und allein Eötvös ist dem Genrebegriff „Neue Musik“ zuzurechnen.
  • Durchschnittsalter des Opernpublikums: 60 Jahre (siehe hier)
  • Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung: 44 Jahre (siehe hier)
  • Bevölkerungsanteil der Menschen zwischen 20-44, die größtenteils nicht in die Oper gehen, denn ansonsten wäre der Altersdurchschnitt niedriger: 30% (laut: destatis)
  • 30% in Zahlen: 24,8 Millionen Menschen potentiell neu zu begeisterndes Opernpublikum allein in Deutschland (mit Kindern und Jugendlichen unter 20 noch wesentlich mehr)
  • Grundsätzliche Veränderungen in der Beschaffenheit der Spielpläne von Opernhäusers seit 1900: marginal
  • Anteil von Kritiken traditioneller Repertoireopern im überregionalen Feuilleton: 95% (geschätzt)
  • Anteil von Kritiken neuer Opern oder Wiederaufführungen neuer Opern im überregionalen Feuilleton: 5% (geschätzt).
  • Anteil von Kritiken neuer Musiktheaterwerke für Kinder oder Jugendliche im überregionalen Feuilleton: 0,005% (oder weniger)
  • Anzahl der Opernhäuser, die ausschließlich zeitgenössisches Repertoire spielen (Spielplan, nicht nur Premieren): 0
  • Anzahl der Opernhäuser, die zu 50% zeitgenössisches und zu 50% traditionelles Repertoire spielen (Spielplan, nicht nur Premieren): 0

Überlebenschance der Gattung Oper, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert: 0%

Liste(n) auswählen:
Unsere Newsletter informieren Sie über Neuigkeiten im Badblog Of Musick. Informationen zum Anmeldeverfahren, Versanddienstleister, statistischer Auswertung und Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzbestimmungen.

6 Antworten

  1. Wenn gegenwärtige Komponisten imstande seien, Werke zu schreiben die einen künstlerischen Vergleich mit den Opern des Zentralrepertoires aushalten können, wäre die Oper als Gattung gerettet. Die Nachkriegsidiomen, wie in Deutschland zu etablierten ‚Parteilinie‘ gestaltet, sind nicht für die Oper als Kunstform geeignet. Traditionelle Musikformen sind das viel besser, eine praktische Wahrheit die unter den Tabu des Fortschrittsglaubens verdrängt wird…… Dies hat alles mit dem Menschenbild der modernen Zeit zu tun, wo zeitlose Werten als ‚konservativ‘ abgewertet werden, statt ihre Universalität und Möglichkeiten zu Neu-Interpretation zu verstehen. Wo ist der Humanismus in der Oper zu finden wenn man in der Regieoper nur die negative Aspekten der Gegenwart zeigen will, als Intervention in die Repertoireoper eingefügt? Und wenn die neue Oper nur die Schattenseiten der Gesellschaft reflektieren will? Alsob es, in die überreiche moderne und dekadente westliche Gesellschaft nur Verzweiflung gebe? Deshalb die ‚grenzüberschreitende‘ Uebungen der noch immer wütende infantiele ‚Avantgarde’…. und Vernichtung des Publikumsanteils an neue Musikformen.

    http://www.youtube.com/watch?v=jwlCD2y2tBA

  2. Rainer Glaap sagt:

    Lieber Herr Eggert,
    führen Sie eine ähnliche Statistik auch zum Repertoire des Konzertbetriebs?
    Würde mich sehr interessieren …
    Beste Grüsse

  1. 11. April 2018

    […] Vielen Dank an Moritz Eggert für die freundliche Zustimmung zur Übernahme seines Artikels  […]

  2. 3. Juni 2018

    […] (Stand: 24. April 2018). [4] Eigene Recherche. [5] https://blogs.nmz.de/badblog/2018/04/10/die-ernuechternde-opernstatistik-der-spielzeit-2017-2018/ (Stand: 24. April 2018). [6] Vgl. BR-Klassik, Donnerstag, 25. April 2018: […]

  3. 8. Juni 2018

    […] 2017/2018 gab es in Deutschland 444 Opernaufführungen, davon rund 30 als Uraufführungen (Quelle: nzm, badblog, 10.4.2018). Von diesen wiederum waren 4 Werke von Frauen, also 4 von 444. Der BR hat neulich stolz eine […]

  4. 13. Juni 2018

    […] there were 444 opera performances in Germany, of which around 30 were world premieres (source: nzm, badblog, 2018, April 10th). Of these, in turn, there were 4 works by women – 4 out of 444. Recently, the BR (Bavarian […]