Gautinger Kirchenmusikverein oder BR-Intendanz – die Moral ist dahin!

Neue-Musik-Verbote oder Neue-Musik-Vermeidung: ob als Aussage von mächtigen Rundfunkredakteuren oder von kleinen Vereinen, das Ergebnis ist das gleiche – keine Aufführung von Neuer Musik, ob nun gnadenlos experimentell oder durchaus publikumswirksam.

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So widerfuhr es nun Moritz‘ und meinem münchnerischen Kollegen Johannes X. Schachtner. Dieser junge Mann ist nicht nur ein aufstrebender, kollegialer Komponist, sondern auch ein genauso versierter Dirigent. Ob nun „ZDF-Aspekte“ oder „Evangelischer Kirchenmusikverein Gauting“, beide reihen sich in die vielen mutlosen Vorgänge ein, die zeitgenössische Musik einem breiteren Publikum per öder Geschmacksentscheidung vorenthalten. Und in Falle des „Evangelischen Kirchenmusikverein Gauting“ schimmert zudem die bayerische Millionendorf-Vorortposse zwischen katholischem und evangelischen Kirchenchor durch: Johannes X. Schachtner hat in den letzten Jahren immer wieder ambitionierte Programme mit dem katholischen Kirchenchor erarbeitet und zum Palmsonntag in der evangelischen Christus-Kirche und manchmal noch in einem weiteren Vorort Münchens erfolgreich aufgeführt, quasi ausgelebte künstlerisch-geistliche Ökumene. Das letzte Konzert mit Werken von Charles Ives und dem lebenden Münchener Bernhard Weidner sowie Schachtners Instrumentierung von zwei Werken Mendelssohn-Bartholdys wurden von der Süddeutschen Zeitung gefeiert, international im codexflores besprochen und durch Sikorski genauso europaweit verlinkt.

Für 2015 hätte Schachtner Max Reger mit einem jüngeren Werk des aus München stammenden lebenden Komponisten Markus Schmitt, gespielt vom lokalen Orchester und dem international bekannten Cellisten Julius Berger, sowie eine Uraufführung von Enjott Schneider auf das Programm gesetzt. Wie Kreidlers zeitgemäße Musik zuletzt bei einer Preisverleihung in Stuttgart administrativ weggewurstelt wurde, ergeht es auch Leuten, wo das härteste Innovationsverteidiger niemals erwarten würden, Künstlern, die tatsächlich in unterschiedlichsten Genres eigentlich Publikumsrenner sind: Der Vorstand des „Evangelischen Kirchenmusikverein Gauting“ teilte Schachtner die letzten Tage mit, dass man von einer weiteren Zusammenarbeit absehe. Das ist wie gesagt nun kein Neue-Musik-Verbot, sondern nur eine geschmackliche, vielleicht auch finanzielle Entscheidung: statt lebenden Zeitgenossen und einem mittleren Klangkörper entschied man sich, wenn wundert es, für eine Bach-Kantate, aufgeführt mit einem Münchner Gesangsdozent, der etliche Kirchen Münchens und des Umlandes mit soliden Barock- und Klassikaufführungen versieht, durch die Menge dann geringere Kosten verursacht als Schachtner, der aber wie erwähnt, ja auch weiß, seine mutigen Programme mehrfach zu verkaufen, der Gautinger Kirchenlandschaft internationalen Glanz beschert. Ob es nun daran liegt, dass man neben Bach lieber Panflöten- und Frauenchorabende denn Ives, Reger, Weidner, Schmitt und Schneider, sei dahingestellt, oder der Vorstand jenes evangelischen Vereines, aus dem heraus z.B. jener Frauenchorabend selbst dirigiert wird, damit eine Neidaktion gegen die Gastspiele des katholischen Chores von St. Sebastian anzetteln will oder einfach nur unüberlegt handelte, sei offen gelassen.

Immerhin kann man sehen, wenn man im Internet fleissig sucht, dass es bei Mitgliedsversammlungen dieses Kirchenmusikvereines immer hochhergeht, so ist das schlichtweg wohl ein reines lokales Ränkespiel. Nur soviel, lieber Vereinsvorstand: Ihr wollt nun zwar nur schlichtweg eher Bach als Schachtner. Damit agiert Ihr aber auf dem gleichen Niveau wie die Intendanz des Bayerischen Rundfunks, der Euer wohl ebenfalls geliebtes BR Klassik ins digitale Nirwana abschieben möchte. Wenn Ihr also in nächster Zeit das Vater Unser betet und die Zeile hört „vergebe uns unsere Sünden wie wir sie vergeben unseren Schuldigern“, übersetzt in „was Du nicht willst das man Dir tu, füge keinem Anderen zu“, denkt mal darüber nach, ob Ihr wirklich so handeln wollt, wie die BR-Intendanz. Redet mit Schachtner, vielleicht kann man ja ein wenig einsparen, über bessere Publikumswerbung nachdenken. So aber pflegt Ihr eine Moral, wo Ihr aus Eurem Vereinstitel dann irgendwann getrost „evangelisch“ und „Kirche“ streichen dürft und nur ein normaler Musikverein mit Panflöte, Kantate und Frauenchor bleibt, statt ein mutiges Vorbild für andere. Denn jenen Bach-Musikprofessor hat eben schon jede Gemeinde mal erlebt, Euer bisheriges Palmsonntagsprogramm war bisher einzigartig.

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