Musicaeterna probt mit VTB Bank für Salzburger Festspiele, nennt nicht Gazprom-Tour-Sponsoring & St. Petersburger Wirtschaftsforum
Im APA-Interview sprach Salzburger-Festspiele-Intendant Markus Hinterhäuser über den Musciaeterna-Generalpartner VTB-Bank, der das Proben- und Projekthaus des Orchesters und Chores in St. Petersburg finanziert, wo alles, also auch für Salzburg 2022, erarbeitet wird: „Das Orchester wird in St. Petersburg von der VTB Bank strukturell unterstützt. Daraus eine unanständige Nähe oder gar Akzeptanz der Salzburger Festspiele zum System Putin abzuleiten, ist schon sehr konstruiert. Die VTB Bank ist kein Sponsor der Salzburger Festspiele.“ Ein (einziger) Kommentar stellte dort fest: „Die VTB Bank finanziert quer… also indirirekt die Festspiele um den Auftritt des Orchesters kostengünstig sicher zu stellen.“ Trifft das zu? Mit gewichtigen Beiträgen des Ensembles: mit der Choreinstudierung zur Carl Orff Aufführung „De temporum fine comoedia“ der Salzburger Festspiele bereits Ende Mai 2022 im Dom Radio St. Petersburg für die Aufführungen des Permer Diaghilev-Festivals. Sowie z.B. am 12. Mai 2022 probte man im VTB-Bank finanzierten Dom Radio die 14. Sinfonie Schostakowitschs für die Gazprom-Tour und den Salzburger Festspiele Auftritt am 17. August 2022. Damit fand die musikalische Einstudierung dieser beiden für die Salzburger Festspiele 2022 gewichtigen Werke unter dem Sponsoring der VTB-Bank im Dom Radio in St. Petersburg statt.
Ohne dieses Sponsoring keine Proben, ohne diese gesponsorten Proben keine Vorbereitung für die Salzburger Festspiele und ihre Eröffnungs-Oper, ohne diese geartete Vorbereitung keine Salzburger Aufführungen. Zwar gab es zuvor Aufführungen andernorts, doch nun bestens eingeübt durch quasi „russische Voraufführungen“, können die Salzburger Festspiele den vollen künstlerischen und produzierenden VTB-Bank-Mehrwert abschöpfen.
Uns wird hier ja immer wieder erzählt, dass man ein anderes Sponsoring als das der VTB-Bank im Westen erwarten würde, damit Musciaeterna in manchen Konzerthäusern wieder auftreten kann, wobei es andere wieder nicht interessiert. Man wartet immer noch auf klare Äußerungen von Teodor Currentzis gegen den Putin-Ukrainekrieg. Der Bolschoi-Intendant hatte zu Beginn des Krieges immerhin eine Protestnote unterzeichnet und ist immer noch Intendant. Currentzis programmierte ein SWR-Konzert um, holte einen ukrainischen Komponisten ins Programm, dessen Werk sich aber nicht deutlich dem Protest zuordnen ließ wie eine Programmierung z.B. mit Silvestrov oder Skoryk. Hinterhäuser hat zwar niemals was Putin unterstützendes von Currentzis vernommen, über das Fehlen eines Statements aber drückt er sich im APA-Interview auch nur im Konjunktiv, also wahrscheinlich selbst nur mutmassend könnend aus: „Ich kenne Currentzis sehr lange und habe weder privat noch öffentlich je eine Bemerkung von ihm gehört, die irgendeine Art von Sympathie für das System Putin oder den Krieg zum Ausdruck gebracht hätte… Wenn es von Currentzis noch kein Statement gibt, kann es ja auch mit seiner Verantwortlichkeit seinen Musikern gegenüber zu tun haben.“ Dabei wäre es so wichtig, Hinterhäuser könnte sich hinstellen und sagen, Currentzis hätte mit ihm telefoniert und sich deutlich gegen den Angriffskrieg geäußert.
Dass Currentzis immerhin wohl zum CEO seines Generalpartners VTB-Bank ging und ihm versicherte, dass er Russland keinesfalls verlassen wird, konnte man im Kommersant und der Permer Presse lesen, wie ich es in meinem letzten Blog darstellte. Diese Äußerung geschah am Rande des Putin direkt unterstellten St. Petersburg Wirtschaftsforum statt, wo Musciaeterna mit Currentzis für die VTB-Bank auftrat. Ich habe mir die Webseite, den Telegram- und Vkontakte-Kanal von Musicaeterna angesehen und fand hierzu dort keinen Hinweis, dass man z.B. auf einer geschlossenen Veranstaltung dort dabei sei, wie es hierzulande große Ensembles gwohnheitsmäßig kundtun. Man findet auf den social media Seiten von Musciaeterna zwar einen Hinweis, dass man im Mai in Tomsk, Samara und Irkutsk aufträte. Den Hinweis auf die Förderung durch Gazprom erwähnte Musciaeterna nicht, nur über die lokale Presse der Auftrittsorte wurde das bekanntgegeben. Und über social media Auftritte des Bariton-Solisten Dmitry Ulyanov und weiterer Ensemble-Mitglieder, wie man in einem älteren Blog von mir dazu sehen kann. Doch merkwürdigerweise verschwanden genau diese Postings, das mit dem ikonischen Bild von Currentzis mit Sonnenbrille beim Boarding in den Gazprom-Avia-Flieger oder das in die Kamera gehaltene Gazprom-Avia-Ticket eines Ensemblemitglieds. Es kommt einem vor, als wolle man in St. Peterburg gegenüber dem Westen Gazprom als Sponsor und den Auftritt beim St. Petersburger Wirtschaftsforum Putins geflissentlich nicht zeigen. Auf Regierungsseiten St. Petersburgs konnte man auch Fotos eines Treffens des dortigen Musciaeterna-Kuratoriums mit Currentzis, der Nationalbank-Chefin Elvira Nabiullina als Kuratoriumsvorsitzende, dem Generalpartner VTB-Bank-CEO Andre Kostin und dem St. Petersburger Gouverneur Alexander Beglov finden, wie ich in einem weiteren Blog zeigen konnte: der Link ist nun tot. Sprich: Will man uns im Westen hier verheimlichen, mit wem Musciaeterna und Currentzis vernetzt sind? Ist dieses Verhalten und sind diese Sponsoren wie Gazprom und das Wirtschaftsforum sowie dieses Kuratorium z.B. hier Markus Hinterhäuser bekannt, warum sagt er dazu nichts?
Eines ist klar: allseits geht Transparenz anders. Indifferenz ist jedenfalls kein guter Partner mehr für Kultur. Das mag in Russland selbst eine Überlebensstrategie sein. Doch werden sich diese Leute, egal wie progressiv sie denken und arbeiten, nach dem Krieg wie wir Deutsche nach 1945 vorhalten lassen müssen, nichts dagegen gesagt zu haben, als das anfangs noch möglich war. Und wer mit dem Westen Geschäfte macht, mit steuer-co-finanzierten Kulturinstitutionen arbeiten will, muss sich positionieren können, transparent agieren und nicht fragwürdige Engagements verheimlichen. Gerade die kaviarlastige sibirische Gazprom-Tour dürfte nicht das andere Sponsoring anstelle der VTB-Bank sein, das man im Westen erwarten würde. Statt z.B. im April wie Künstler:innen aus der UdSSR plötzlich im Westen zu bleiben, wo man im Mai Engagements gehabt hätte, ging man nach Russland zurück, musste die West-Auftritte canceln und ersatzweise dafür die heimliche Gazprom-Tour beginnen. Und geht zu Andri Kostin und bestätigt ihm, in Russland auf alle Fälle bleiben zu wollen. Das kann man tun. Doch dann geht mit der Taktik und Vertuschungshaltung ein Auftritt wie der bei den Salzburger Festspielen nicht. Lola Kantor-Kazovsky stellte fest (so Nikolai Klimeniouk sinngemäß auf Facebook und in der FAS sie paraphrasierend), dass mit der Haltung die progressive Kunstszene Russlands zwar sich mit sich selbst beschäftigte, ihre Konsument:innen und Anhänger:innen aber so von politischer Betätigung abhielt. Das trifft nun leider auch auf Musciaeterna zu: viel Kunst, doch gerade im notwendigen Moment gar keine deutliche politische Haltung und Entscheidung.
Komponist*in