Sollen MusikerInnen auf Honorare zugunsten der Ukraine verzichten?

Ich nehme an, jede:r, fast jede:r spendet derzeit Geld oder Lebenszeit für Hilfsprojekte zugunsten ukrainischer Menschen. Man spendet, man sammelt benötigte Sachen oder man macht ein eigenes Konzert und widmet die Einnahmen oder Gagen dem guten Zweck. Das ist Alles unproblematisch, wenn man von sich aus autonom und einstimmig im Kollektiv entscheidet. Ich lese allerdings immer wieder, dass auch Institutionen, z.B. städtische Museen, die in ihren Ausstellungen Musik stattfinden lassen, wie ich gerade erfuhr, auf die Musiker:innen zukommen und um einen Gagenverzicht zugunsten der Hilfe für die Ukraine bitten.

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Das ist nicht gut! Gerade wenn es sich um freischaffende Musiker:innen handelt, wird diesen noch in der laufenden Corona-Krise, denn noch gelten z.B. Auslastungsbegrenzungen, die kommerzielle Veranstaltungen immer noch schwieirg durchführbar machen, wo sie bereits auf laufende Einnahmen aus ihrer Berufstätigkeit verzichten mussten, ein wenig zu viel abverlangt, zumal wenn sie etwas unüberlegt freimütig aus ethischen Gründen humanitär zu helfen dem zustimmen.

Musiker:innen mögen natürlich durch staatliche und private Hilfen während der Hochzeit der Corona-Krise zum Teil ganz gut profitiert haben. So ist natürlich jetzt auch schön, wenn sie sich für die Ukraine-Hilfe z.B. eben durch Gagenverzicht etwas an Hilfe „zurückgeben“ oder „weitergeben“ wollen. Die Frage ist allerdings: woher kommt die jeweilige Initiative. Wenn sie von Insitutionen erfragt wird, stellt sich die Frage, ob man je mit dem Hinweis auf die Ukraine-Hilfe nicht viel lieber den Abendeintritt z.B. erhöht oder das Publikum um Spenden bittet.

Die während der Veranstaltung oder für das Zustandekommen dieser Veranstaltung angestellten Mitarbeiter:innen müssten strenggenommen genauso die Arbeitszeit und den Lohn dafür per Verzichtserklärung spenden. Ob sie das tun? Ob der/die Arbeitgeber:in das anordnen darf? Ich denke, nein. Absurd wird die Sache dann zudem, wenn dann die übergeordnete Kulturbehörden z.B. den als Ensemble organisierten und durch dieses Amt auch geförderten Musiker:inen Mittel nicht vollkommen gewährt. Insgesamt betrachtet spenden die Musiker:innen dann zu jeder Gelegenheit Anteile ihrer Gagen, natürlich ist das überspitzt formuliert und sehr nicht-Einzelfall bezogen verallgemeinert.

Nachdem der Musikbetrieb immer noch nicht so läuft wie noch Anfang 2020 vor der Krise und am Ende vor allem freiberufliche Honorarkräfte bei Gagenverzicht die einzigen Spendenden wären und sie es bei institutioneller Bitte darum auch freiwillig entscheiden oder lassen könnten, was sie aber kaum ausschlagen werden angesichts des übergeordneten intendierten guten Zwecks, sollten Institutionen der öffentlichen Hand mit solchen Anliegen auf ihre Honorarkräfte eines Projektes nur zukommen, wenn auch die Lohnkräfte ebenfalls aus freien Stücken ihre Arbeit und ihren Lohn dafür spenden. Ansonsten ist gut gemeinte Ausbeutung, die unter Weglassung des Adjektivs eben nur eines ist: Ausbeutung, guter Zweck hin, gut gemeint her.

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Eine Antwort

  1. Jan Eustergerling sagt:

    Kann dem nur zustimmen. Musikern Gagen sozusagen mit ethischer Begründung kürzen (auch wenn das dann natürlich „freiwillig“ ist, doch wer kann da schon nein sagen?), das ist ein Unding und geht viel zu weit.