Ich bin ein Schamane (Abenteuer im ZKM, Teil 1)

Ich bin ein Schamane. Ich lebe im Regenwald, bemale mich mit Erdfarben, ernähre mich von Erdwürmern und Schlangen.

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Manchmal stehe ich auch in Karlsruhe vor einem riesigen Computertisch der aussieht wie die Bedienungsoberfläche der Enterprise in „Star Trek – Next Generation“ und sage Sätze wie:

„Der Wald ist unsere Welt, die Heimat unserer Ahnen und Kinder. Im Wald wohnen die Geister.“

Aber eigentlich sage ich das gar nicht aus mir selber heraus, das hat nämlich Peter Weibel, Chef des ZKM, Regisseur und Autor des Stückes „In Erwartung der Tauglichkeit einer rationalen Methode zur Lösung des Klimaproblems« aufgeschrieben, das wiederum Teil des großen „Amazonas-Projektes“ der Münchener Biennale ist, mit weiteren Opern von Klaus Schedl und Tato Taborda. Ich bin ein Auftragsschamane im Dienste des Oberschamanen Peter Ruzicka, der dieses Stück um die Welt schickt, und zwar nach Sao Paulo, Lissabon und Rotterdam.

Ich bin ein Schamane und bewege schwarze high-tech-Klötze, die Myriaden von Bildern auf dem „itouch“-artigen-Screen produzieren, die sich wiederum über weitere Bilder ergiessen, eine wahre Bilderflut. Ich trommele mit spitzen wie stumpfen Gegenständen auf den Tisch, und löse Sounds aus, die Ludger Brümmer und sein Team vom ZKM vorproduziert haben. Oder ich bewege einen roten Balken, der anzeigt wie das Ansteigen des Meeresspiegels die ganze Welt untergehen lässt, bis nur noch Chile und die Alpen übrigbleiben. Holland geht dabei als allererstes drauf, was auch bedeutet, dass die Bundesliga gleich mit untergeht.

Ich bin ein Schamane und lausche gebannt den Worten der Technoschamanen des ZKM, die gar erstaunliche Technologien in Bewegung setzen, um das Thema adäquat umzusetzen. Die uns durch das gigantische Mediencenter ZKM führen, solange bis uns schwindlig wird vor lauter Robotern, Technologien und blinkenden Stroboskop-Skulpturen.
Ludger Brümmer hat eine Musik dazu gemacht, die versucht, Prinzipien des „Game of Life“ in Gesangsstöne umzusetzen. Sieht schwer aus, ist wahrscheinlich schwer. Aber heute ist erst einmal Pause.

Ich bin ein Schamane, fern von Frau und Kind, fern von der Heimat und fern von meinem Lebenssaft, dem guten Münchener Bier. Und da ich hier so einsam bin, 12 Tage lang, schreibe ich euch auf, was ich hier so alles erlebe und mache auch ein paar Fotos und Filme dazu.

Moritz Eggert

Tisch-mit-vielen-sich-bewegenden-Dingern-wie-in-Star-Trek-Video, click it an to see it

Jan Gerigk, Peter Weibel, Ludger Brümmer

Jan Gerigke, Peter Weibel, Ludger Brümmer

An diesem Paradoxon hätte Zeno sich die Zene, äh, Zähne ausgebissen...

An diesem Paradoxon hätte Zeno sich die Zene, äh, Zähne ausgebissen...

Wenn der Wald abgebrannt wird, leidet auch er, auf die selbe Weise wie wir Menschen Schmerzen empfinden. Er schreit „akaaai!“, aber ihr hört seine Stimme nicht.

(Peter Weibel)

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Eine Antwort

  1. querstand sagt:

    Halt durch!! Das klingt ja fast schon nach dem Heimweh, das Sänger immer fernab der Familie quält. Scheint wohl die wahr Feuertaufe des Singenden zu sein ;-)) Dass die am ZKM Euch nicht am Ende wegbeamen und Ihr als Avatare in 3D aufwacht, wo ich Dich doch während der Aufführung der Klaus-Oper in 4D erleben will! Es könnte natürlich auch sein, dass man Dich aus Versehen nur kurz über die Mauer zum Bundesverfassungsgericht rüberbeamt. Das wäre dort aber öde… Nein, möge der Urwald Amazoniens in Dir rauschen und die Tücken der Technik nicht den letzten Nerv rauben. Klaus‘ Musik kenne ich ja – ich hoffe, dass die Anderen Herren auch so spannend sind, wie unser echter Schädel-Schedl es ist. Und: der Wein aus Baden ist ja auch ganz fein…