Freunde und Freude – den „Freunden Junger Musiker e.V.“ zum Jubiläum

Bild von der Website der Freunde Junger Musiker e.V. Frankfurt

Freunde und Freude – den „Freunden Junger Musiker e.V.“ zum Jubiläum

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Liebe Freunde,

Sehr gerne wäre ich zum Jubiläumskonzert Ihres „Freunde Junger Musiker e.V.“ gekommen, der 2003 aus dem vormaligen „Leyda-Ungerer-Kreis“ (1966 gegründet) hervorging, und junge Musikerinnen und Musiker am Anfang ihrer Karriere fördert und unterstützt, inzwischen nicht nur in Frankfurt, sondern auch in vielen weiteren deutschen Städten. Leider hat mir der Wintereinbruch und die Deutsche Bahn einen Strich durch die Rechnung gemacht, daher bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf diese Weise schriftlich bei Ihnen zu bedanken, denn das ist mir sehr wichtig.

Ja, ich bin auch von Ihnen gefördert worden, ganz am Anfang meiner Laufbahn, und natürlich nur einer von vielen, die diese Förderung genossen haben. Es gibt sicherlich viele individuelle Geschichten von jungen Musizierenden, die ihre ersten Konzerte bei Ihnen gaben, und ich halte mich keineswegs für besonders interessant in diesem Kontext.  Dennoch kann ich aus meiner persönlichen Geschichte besser beschreiben, was Ihre Förderung für mich bedeutet hat. Denn was mir bei der Kommunikation mit Ihnen (die schönerweise bis heute anhält) immer wieder auffällt, ist eine große Bescheidenheit, was die Verdienste Ihrer Unternehmung angeht.

Sicherlich gibt es in Deutschland viele Arten von Musikförderungen, die karrierefördernd sein können. Für uns Komponierende ist das zum Beispiel die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung. Es gibt städtische wie staatliche Förderpreise, Jugend Musiziert und Komponiert, es gibt angesehene Jugendorchester und es gibt Stipendien. Sehr oft werden aber die Förderungen ganz am Anfang eines Musikerlebens eher übersehen, sie verschwinden vielleicht irgendwann in den Fußnoten eines Lebenslaufs, werden von den branchenüblichen „großen“ Preisen und Auszeichnungen verdrängt.

Das finde ich sehr ungerecht, denn ich kann mich tatsächlich noch sehr gut erinnern, wie man sich am Anfang einer Musikerlaufbahn fühlt – unsicher, voller Zukunftsängste und mit einem Selbstwertgefühl von der Größe einer Stecknadel.

Als Pianist und Komponist war ich – zumindest fühlte sich das damals so an – relativ „spätberufen“. Ich hatte zwar sehr guten frühen Klavierunterricht, war aber keineswegs schon von früh an auf Klassik gedrillt, obwohl ich immerhin das „Dr. Hochs Konservatorium“ in Frankfurt besuchte. Spätestens in der Pubertät überlagerten sich zu viele andere Interessen in meinem Leben, natürlich auch hormonell bedingt, sodass Klavierüben nicht mehr an erster Stelle kam. Ich fühlte mich im Konservatorium zunehmend fremd unter den vielen braven Gleichaltrigen, die von morgens bis abends Chopin-Etüden herunterratterten, schon als kleines Kind im Kirchenchor gesungen hatten, im Schulorchester spielten und aus „gutem Hause“ kamen.

Ich kam zwar auch keineswegs aus einem kulturfremden Haushalt (meine Mutter war Theaterfotografin und ich wuchs quasi im Frankfurter Opernhaus auf), aber auch nicht aus einem Haushalt, in dem die Familie ständig gemeinsam Streichquartette spielt (was damals wesentlich häufiger als heute war, ich kannte tatsächlich viele im Konservatorium, die exakt dies taten).

Aufgrund meiner grundsätzlich rebellischen Natur kam also irgendwann der Punkt, an dem ich das Klavierspielen aufgeben wollte, denn ich empfand es nicht als wichtig und hatte ohnehin nicht vor, Musiker zu werden. Quasi auf dem Weg zu meiner letzten Klavierstunde (ich war 15) kam dann die unerwartete Frage eines Freundes, ob ich nicht in seiner Schulband Keyboards spielen wollte. Plötzlich war ich unter lauter E-Gitarristen, Schlagzeugern und Saxofonisten und lernte eine ganz neue Szene kennen, die mir viel mehr Spaß machte, als nur Bachpräludien zu üben. Ich spielte Rock, Prog-Rock, Jazz, probte in Frankfurter Luftschutzbunkern, weil die Nachbarn ansonsten die Polizei gerufen hätten, legte mir alle möglichen Keyboards und Synthesizer zu und begann mit einem gewissen Eifer, Musicalstudenten aus dem Kons zu begleiten. Und das Wichtigste: ich begann zu komponieren, denn als meistens einziger, der Noten lesen konnte, war dies quasi nötig, um Repertoire für meine diversen Bands zu erzeugen.

Diese Zeit war wild, schön und verrückt. Aber je mehr ich über Musik lernte, desto mehr bekam ich das Gefühl, eigentlich überhaupt nichts zu wissen. Mir machten die Klavier-und Theoriestunden am Kons zunehmend Spaß, und ja, ich begann auch verrückterweise in klassische Konzerte zu gehen und begann, genauer zuzuhören, was meinen Respekt vor den großen Leistungen der Komponistinnen und Komponisten der Vergangenheit stetig vergrößerte. Und von einem Tag auf den anderen gab es plötzlich nichts anderes mehr in meinem Leben: ich wollte „klassischer“ Musiker werden, etwas, das ich mir ein Jahr vorher, als ich mit Frankfurter Punks an der Hauptwache vor dem McDonalds halbstark herumlungerte, nie hätte träumen lassen. Nun gut, auch danach hing ich noch mit den Punks und Mods herum, aber wie gesagt: rebellisch und so.

Ich bemerkte, dass ich als Pianist rein technisch unglaublich hintendran war, wenn ich mir so meine Mitstudenten am Kons anschaute. Daher begann ich wie ein Wahnsinniger zu üben, zum Teil 10 Stunden am Tag. Ich schwänzte Schule, um zu Üben (bitte nicht nachmachen, liebe Kinder!). Und so langsam wurde es auch was, und ich genoss einen neuen Respekt meines lieben Klavierlehrers damals, Wolfgang Wagenhäuser, der mich zunehmend in Klassenkonzerten einsetzte, weil ich jetzt tatsächlich auch übte.

An diesem Punkt wurde Frau Hoff vom Frankfurter Tonkünstlerverband auf mich aufmerksam, die mich wöchentlich in verschiedene Konzertsäle, Altersheime und Pflegeeinrichtungen in- und um Frankfurt schickte, um mit Gleichaltrigen klassische Konzerte zu spielen. Ich litt damals unter großem Lampenfieber und konnte oft wochenlang vor einem Konzert kaum schlafen, die ständige Repetition tat mir aber gut und ich bekam immer mehr Routine darin, wofür ich Frau Hoff bis heute dankbar bin. Mein Selbstvertrauen als Pianist war aber immer noch eher gering. Frau Hoffs Unterstützung war großartig, aber was mir damals natürlich fehlte war irgendeine Anerkennung von außen, die mich bestätigte.

An diesem Punkt kam nun der Leyda-Ungerer-Kreis ins Spiel. Irgendwie war man (vermutlich über die umtriebige Frau Hoff) auf mich aufmerksam geworden und ich wurde zu einem Hauskonzert eingeladen. Ich wurde sehr freundlich aufgenommen und präsentierte auch eigene Klavierkompositionen. Vor lauter Aufregung war ich gar nicht rechtzeitig fertig mit dem Stück geworden und improvisierte den letzten Satz komplett, aber das schien niemanden zu stören. Zum ersten Mal in meinem Leben bekam ich ein „richtiges“ Honorar, was mich ungemein stolz machte. Und auch meine Komposition wurde sehr positiv aufgenommen, auch dies ein wichtiges Signal für mich damals.

Ich kann gar nicht betonen, wie viel mir dieses Konzert bedeutet hat, denn es entstanden daraus viele Dinge – das Klavierstück, das ich dafür geschrieben hatte, wurde später Teil eines Hörspiels für den HR und brachte mir meine allerersten GEMA-Einnahmen. Einer der Gäste wünschte sich zu seinem Geburtstag ein Konzert mit mir im Mozart-Saal der Alten Oper, eine weitere sehr schöne Veranstaltung mit großem Publikum. Und natürlich entstand aus diesem Konzert ein wunderbarer dauerhafter Kontakt mit den „Freunden Junger Musiker“, der bis heute über mehrere Jahrzehnte angehalten hat und mir immer sehr viel bedeutet hat. Mir wurde immer das Gefühl gegeben, dass man Teil einer Familie wird, wenn man von Ihnen gefördert wird, und das finde ich etwas ganz Wunderbares, bis heute.

Inzwischen bin ich schon längst kein „junger Musiker“ mehr, aber es freut mich sehr, wenn ich meine jungen Studierenden für kleine Kompositionsaufträge empfehlen kann, die die „Freunde“ großzügig ermöglichen. Und auch für diese werden die Abende bei Ihnen wichtige und unvergessliche Erlebnisse sein, da bin ich ganz sicher.

Natürlich setzen sich Musikerkarrieren aus vielen Puzzlesteinen zusammen, es gibt nie nur einen einzigen entscheidenden Moment. Aber es gibt viele Kippmomente, an denen es in die eine oder andere Richtung gehen kann. Ohne Anerkennung von außen endet manche Karriere, bevor sie richtig begonnen hat. Ein Konzert bei Ihnen kann dann der entscheidende Faktor sein, die Ermutigung im richtigen Moment.

Es ist dabei nicht wichtig, ob alle von Ihnen Geförderten große Karrieren starten, auch wenn Sie zu Recht stolz auf die sein können, bei denen es so ist. Unsere Musikwelt ist ein zartes Pflänzchen, selbst wenn sie – anders als in vielen anderen Ländern – noch einen recht hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, aber das kann sich jederzeit ändern, zum Beispiel wenn populistische und daher immer auch bildungsfeindliche politische Tendenzen sich durchsetzen.

Nicht nur die letzte PISA-Studie hat uns mal wieder gezeigt, wie schwierig das Thema Bildung ist, und dass die musikalische Bildung eigentlich ein wichtiger Teil davon ist, wird gerne unterschlagen bei all der Aufregung um schlechte Rechtschreibung und fehlerhafte Mathematik. Es hat schon einen Grund, warum so viele gebildete und im Beruf erfolgreiche Menschen auch in Orchestern spielen oder in Chören singen – dass musikalische Betätigung unsere kognitiven Fähigkeiten massiv verbessert, wurde schon mehrfach wissenschaftlich bewiesen.

Kultur und Bildung gehen Hand in Hand, wenn es um die Förderung junger Menschen geht. Was Sie, liebe „Freunde junger Musiker“, daher machen, ist die wichtigste Basisarbeit überhaupt. Mit Ihrer großzügigen Unterstützung ermutigen Sie junge Menschen, verändern Sie Biografien, verändern Sie sprichwörtlich die Welt.

Ich zumindest kann Ihnen sagen, dass mir Ihre Unterstützung damals die Welt bedeutet hat, und dass ich dafür immer dankbar sein werde. Bitte machen Sie weiter so und scheuen Sie sich nicht, darauf sehr, sehr stolz zu sein, bei aller sympathischen Bescheidenheit. Wir können alle am besten im direkten Umfeld dafür sorgen, die Welt ein bisschen besser zu machen. Lokale Förderung ist daher ungemein wichtig, und die jungen Musikerinnen und Musiker, die Sie privat fördern, werden Ihnen das ewig danken, jede und jeder auf ihre Weise.

Ich freue mich daher sehr auf noch viele weitere Jubiläen mit Ihnen,

Ihr dankbarer

Moritz Eggert

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