Wahrheit
Tagebuch der Wörter (18)
Wahrheit
Eine Zeitgeistgroteske für zwei Schauspieler:innen und einen Zeitungsartikel
A: Sag mal, hast du diesen Artikel über Siegfried Mauser in der Zeitung gelesen?
B: Nee, was steht da drin?
A: Der ist von Gisela Friedrichsen, und sie argumentiert darin zum dutzendsten Male, dass Mauser eigentlich unschuldig verurteilt wurde.
B: Friedrichsen? Ist das nicht diese gestrige Gundel, die immer so spießige Artikel für die WELT schreibt?
A: Genau die, aber diesmal hat sie für die Schweizer „Weltwoche“ geschrieben.
B: Also entweder hat sie sich in der Adresse geirrt, oder die deutschen Zeitungen wollten das nicht drucken.
A: Ich nehme mal an letzteres.
B: Und was steht drin?
A: Na, das übliche Victim Blaming. Sie wirft der Richterin vor, dass sie beim Verhör der Nebenklägerin keine „Fakten“ für den sexuellen Übergriff forderte außer ihrer Aussage, in der sie das angeblich nur behauptet.
B: Sie wirft der Betroffenen also damit vor, kein Fernsehteam und dutzende von Zeugen dabei gehabt zu haben, als Mauser hinter verschlossener Tür über sie herfiel?
A: Ganz genau! Und außerdem schreibt sie, dass die Wahrheit weiblich sei, die Lüge aber eben auch. Damit impliziert sie natürlich, dass die Nebenklägerin gelogen hätte.
B: Nun gut, der Penis ist männlich und der Vergewaltiger meistens auch. Macht genauso viel Sinn als Argument, nämlich gar keinen.
A: Anscheinend ist das für die Schweizer Leser ein geeigneter Aufhänger, um über irgendeinen ihnen vollkommen unbekannten Piefkepianisten zu berichten, der angeblich unschuldig verurteilt wurde.
B: Was mich jetzt wundert: Die in dem Artikel erwähnte Frau war doch gar nicht die Einzige, die Mauser angezeigt hat? Waren da nicht noch viel mehr? Und dutzende von Zeuginnen, die von weiteren Übergriffen berichteten? Und gab es nicht auch mehrere Prozesse und Instanzen, die allesamt mit einem Schuldspruch für Mauser endeten? Steht das auch in dem Artikel drin?
A: Nein.
B: Warum eigentlich nicht?
A: Naja, die olle Friedrichsen ist halt persönlich mit Mauser bekannt, was sie allerdings im Gegensatz zu üblichen journalistischen Gepflogenheiten dezent verschweigt. Sie spricht auch immer nur von einer „Richterin“ und dem Beugen der Staatsanwaltschaft vor irgendeinem Zeitgeist, aber es gab ja auch ganz viele männliche Richter, die Mauser schuldig gesprochen haben. Für ganz andere Fälle, von denen hier rein gar nichts steht.
B: Ach so. Und wie sich Mauser selbst mit Geldern der Münchener Musikhochschule bereicherte, weswegen sogar sein Kanzler aus dem Amt flog, da steht auch nichts drin im Artikel?
A: Nein, nur, dass Mausers Frau irgendeinen Theaterjob nicht bekam, und dass man jetzt Verfassungsbeschwerde einlegen würde, der wegen „der Zunahme solcher Fälle grundsätzliche Bedeutung beikäme“, zumindest hat das Mausers Anwalt Schwenn der Friedrichsen so gesagt.
B: Und man kann hundertprozentig ausschließen, dass der Schwenn rein gar nichts mit dem Artikel in der „Weltwoche“ zu tun hat?
A: Nein.
B: Und die Friedrichsen ist sich wirklich sicher, dass das eine grundsätzliche Bedeutung für die Schweizer Leser hat?
A: Naja, vielleicht lesen die ja in Karlsruhe jeden Tag die „Weltwoche“.
B: Das glaubst du doch selbst nicht.
A: Nö. Noch was Lustiges: Am Schluss echauffiert sich Friedrichsen noch über eine „Groteske“…
B: Uh, spannend.
A: Man hätte nämlich einen Zeugen mehrmals mit falschem Vornamen in den Akten genannt, nämlich mit „Gustav“ anstatt „Anton“. Und das würde ihrer Meinung nach beweisen, dass die ganze Sache stinkt und dass die Münchner Staatsanwaltschaft schlampig gehandelt hat.
B: Das ist aber enttäuschend – unter „Groteske“ hätte ich mir jetzt was irgendwie Geileres vorgestellt, dass Mauser sich für Glenn Gould hält oder so…Das, was du erzählst, klingt eher nach einem simplen Schreibfehler. Vor allem wenn der Zeuge „Mahler“ heißt, und sich das quasi aufdrängt.
A: Klar, aber die Friedrichsen muss die Scheiße ja irgendwie aufmotzen, dass die Leser nicht vor Langeweile einschlafen. Immerhin schreibt sie nur, dass Mauser „womöglich“ unschuldig verurteilt wurde. Vielleicht traut sie dem Braten selbst nicht so ganz.
B: Die Intuition ist halt auch weiblich.
A: Ganz genau.
B: Was lernen wir nun aus der Sache? Glaubt Mauser wirklich, dass die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben wird?
A: Sein Anwalt möchte ihn sicherlich gerne in diesem Glauben belassen.
B: Und was macht er eigentlich jetzt? Müsste er nicht schon seit Ewigkeiten im Gefängnis sein?
A: Er besucht Premieren bei den Salzburger Festspielen, weil er sich nach Österreich abgesetzt hat. So wie Attila Hildmann in die Türkei und mit demselben Argument: er hätte ja die andere Staatsbürgerschaft.
B: Aber wäre es nicht viel klüger gewesen, die Strafe schnell während Corona abzusitzen, wo eh keine Konzerte stattfanden? Oder auf einsichtig und anständig machen, so wie der Hoeneß? Dann hätte er doch jetzt seine Ruhe und könnte wieder mit seinen Kumpels von der Bayerischen Akademie Schafkopf zocken und Konzerte spielen?
A: Klugheit ist wohl Definitionssache.
B: Das kannst du wohl sagen.
Berlin/München 18.9.
Auf dem Weg nach Hause. Neue Show entdeckt: „Chez Krömer“, wo zum Teil sehr skurrile Gäste von Kurt Krömer mit Berliner Schnauze interviewt werden. Und es drängt sich mir die folgende Frage zunehmend auf: könnten diese ewigen skurrilen Verzögerungen und Verschleppungen des sogenannten „Arizona Audits“ – also die absurde Neuauszählung der Stimmen in Maricopa County – vielleicht darauf hinweisen, dass…(Trommelwirbel)…Biden halt tatsächlich gewonnen hat? Denn wenn es klare Beweise für einen Wahlbetrug gäbe, hätte man es doch supereilig, diese zu verkünden, warum sollte man zögern? Natürlich nur dann, wenn man sich vor den Auftraggebern schämt, es ihnen nicht recht machen zu können…
Moritz Eggert
Komponist
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