Standhaftigkeit oder „Aufstehen“? Offener Brief an „Aufstehen für die Kunst“

Was erst los sein wird, wenn die Friseursalons wieder öffnen,(dringend benötigt, siehe Bild), Christian Gerhaher aber immer noch nicht in der Staatsoper singen darf?

Lieber Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Hansjörg Albrecht, Kevin Conners und Christian Gerhaher,

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Ich hoffe, es geht Ihnen gut und Sie sind gesund!

Ich schreibe Ihnen, weil ich mit großer Verwunderung in der letzten Rundmail von „Aufstehen für die Kunst“ lesen muss, dass „die „Bayerische Akademie der Schönen Künste (in Vertretung für alle (sic!) Präsident Prof. Winfried Nerdinger)“ sich hinter Ihre Initiative stellt.

 

Das ist unrichtig.

 

Wir wurden zwar als Mitglieder angeschrieben, ob wir uns anschließen wollen, aber viele (zum Beispiel ich) haben das aus den unterschiedlichsten Gründen nicht getan. Es fand auch keinerlei Abstimmung darüber statt, man kann also keineswegs von einem demokratischen Vorgang sprechen, sondern von einem Alleingang unseres Präsidenten und einiger Mitglieder. Dass einige diese Initiative unterstützen, ist deren freie Entscheidung, aber man muss auch die Entscheidung treffen können, sie nicht zu unterstützen. Die Akademie kann hier nicht so dargestellt werden, als könne sie für alle Mitglieder sprechen, das hätte genau wie eine Satzungsänderung einer demokratischen Abstimmung bedurft. Der Satz, dass die Bayerische Akademie Sie in Gänze unterstützt, ist also sachlich falsch.

(Anmerkung vom 3.3.2021: inzwischen weist mich die Bayerische Akademie der Schönen Künste vehement – also mit unverhohlener Androhung von rechtlichen Schritten – darauf hin, dass diese Darstellung nicht intendiert war. Das habe ich aber auch nie behauptet, sondern die Darstellung von „Aufstehen für die Kunst“ kritisiert, von denen ja auch der Newsletter war. Siehe aber auch Fußnote unten)

 

Wie Sie schätze ich die Kunst und die Musik außerordentlich, und würde mich auch freuen, wenn diese schwierige Zeit vorbei ist und wir endlich wieder ein unbeschwertes Kulturleben haben. „Aufstehen für die Kunst“ klingt ja auch erst einmal gut, und ich weiß, dass manche daher auch leichtfertig und ohne genauer nachzulesen unterschrieben haben. Einige bereuen es vielleicht auch schon wieder, aber klar, wir Kulturschaffenden sind natürlich nicht gegen Kultur, damit kann man viele mobilisieren. Gerade weil ich aber Kultur liebe, liebe ich auch die Errungenschaften der Bildung, erkenne die Wissenschaften an, unterstütze Demokratie und einen Staat, der versucht, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Ich verstehe, warum man für die Kunst „Aufstehen“ sollte, und möchte das auch, aber lieber nach der Pandemie, wenn wir alle mit zu erwartenden extremen Kürzungsmaßnahmen und Sparzwängen zu tun haben werden. Dann wird Aufstehen für die Kunst sehr, sehr wichtig sein.

 

Aber zum jetzigen Zeitpunkt, sehe ich wenig Sinn darin, Kampagnen und teure Gerichtsprozesse (für die man dann auch noch für Spenden betteln muss) dafür anzustrengen, Konzertsäle früher als alles andere zu öffnen. Ich halte das für ein sehr schlechtes Aushängeschild für die Kunst, die sich dann als allein auf sich selbst bezogen und außerhalb der Gesellschaft stehend präsentiert. Damit machen wir uns als Künstler*innen schwach und angreifbar.

 

Da Sie sich allein auf die Infektionsmöglichkeiten in einer Konzertsituation konzentrieren (deren Geringfügigkeit ich genauso wie Sie sehe), blenden Sie aus, dass Kultur in einem Gesamtkontext stattfindet. Wenn wir die Konzertsäle öffnen, müssen wir nämlich letztlich alles öffnen, das ist das Problem. Mit exakt denselben Argumenten wie den Ihren könnte man auch eine Kampagne „Aufstehen für die Yoga-Studios“ machen, und auch da hätte man Recht mit der geringen Ansteckungsgefahr, da man da nicht so schwitzt wie in einem Fitnessstudio. Dann aber auch bitte die Pilates-Studios und auch die EMS-Sport-Studios öffnen, denn da sind die Abstandsregeln auch sehr leicht einzuhalten. Dann käme aber natürlich auch das kleine Bistro an der Ecke und argumentiert ebenso korrekt, dass da ja nur 10 Leute reinpassen und es dort noch nie eine Infektion gab. Dann käme der kleine Antiquitätenladen daneben, und auch bei dem müsste man eingestehen, dass die Infektionsgefahr gering ist. Und dann käme der Blumenladen gegenüber, der Spielwarenladen am Ende der Straße, der Buchladen, der Massagesalon, sogar das Bordell, alle mit tollen Hygienekonzepten. Und wenn dann eh schon alles „aufgestanden“ ist, kämen auch die Boutiquen, Ein-Euro-Shops und die Modelleisenbahnläden usw., bis man dann auch wieder die Fußballstadien öffnen kann und eigentlich überhaupt alles, und wir könnten dann einfach als ganzes Land kollektiv so tun, als gäbe es keine Pandemie. Das wäre natürlich fatal, und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das wollen. Das wäre aber die Konsequenz eines Erfolges von „Aufstehen für die Kunst“: man müsste ALLES öffnen, sofort. Wäre ja auch schön.

 

Nun ist die Pandemie leider noch nicht vorbei. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass wir es bald dank internationaler Anstrengungen und Impfungen hinbekommen, das Ganze in den Griff zu bekommen. Dazu braucht es noch ein wenig Geduld, aber die Zeit der Öffnungen liegt inzwischen nicht mehr in einer fernen ungewissen Zukunft, sondern ist greifbar nahe. Dieses bisschen Geduld auf den letzten Metern müssen und können wir aufbringen, solidarisch mit den vielen hart arbeitenden Menschen in unseren Krankenhäusern, den Pflegeheimen, dem Rettungsdienst, den vielen Familien, die geliebte Menschen verloren haben, den vielen Menschen, die mit den Nachwirkungen dieser tückischen Krankheit zu tun haben, den vielen Wissenschaftlern und Experten und auch Politikern, die diese Situation immer wieder aufs Neue einzuschätzen versuchen und ihr Bestes geben, irgendeine Strategie dagegen zu finden. Dass keine dieser Strategien je perfekt sein kann, liegt in der Natur der Sache. Dass es Ungerechtigkeiten und Widersprüche geben wird, ist unvermeidbar.

 

Es ist sehr leicht, Einzelaspekte unserer Maßnahmen gegen Corona zu kritisieren, bloßzustellen und lächerlich zu machen. Jede und jeder kann sich als Zentrum eines eigenen Kosmos sehen und gegen irgendetwas „Aufstehen“. Besser als ständiges „Aufstehen“ ist aber, standfest und standhaft zu sein, und genau dies leistet gerade der Großteil der Bundesbürgerinnen und -bürger, die die für alle harten Maßnahmen gemeinsam tragen und sie auch vernünftig finden, mit großen persönlichen Opfern. Die meisten dieser Menschen machen kein großes Aufheben darum, starten keine Kampagnen und hupen nicht in Autokorsos, sie unterrichten stattdessen z.B. ihre Kinder zuhause und versuchen ihnen so gut es geht Geborgenheit zu geben. Diese standhaften Menschen verhalten sich still vernünftig, bringen Geduld auf und sind so unterstützend und nett wie möglich zu den Leuten in ihrer direkten Umgebung. Es wird nicht genug über diese Menschen geschrieben, da sie sich nicht ins Rampenlicht stellen und „hier“ schreien, aber sie sind es, die uns wirklich durch diese Pandemie bringen. Jeden Tag, im Stillen. Das kann man auch als Künstlerin – eine berühmte Kollegin erzählte mir gerade, dass sie jeden Tag die Tür öffnet und Hauskonzerte für ihre Nachbarn veranstaltet, übrigens ohne diese zu streamen oder sich irgendwie medial in Szene zu setzen. Das geht auch, und sie leistet etwas Wichtiges in ihrem direkten Umfeld, genauso wie es unsere Freundin tut, die Krankenschwester ist und auf der Corona-Intensivstation arbeitet, die Musik und Kunst liebt und die Konzerte ebenso vermisst wie wir Musiker, aber eben auch in den letzten Monaten so viele Tode auf ihrer Station erlebt hat, wie noch nie in ihrer gesamten beruflichen Laufbahn. Die muss gar nicht erst ankündigen, „aufzustehen“, sondern tut dies jeden Tag, zu jeder Tages- und Nachtzeit, um möglichst viele Leben zu retten.

 

Wie schwer und unmöglich es ist, angesichts einer ungewissen und sich täglich z.B. wegen der Mutationen ändernden Situation für alle gerechte Entscheidungen zu treffen als z.B. Politiker*in, kann ich absolut nachvollziehen. Das Letzte, was man dann in so einem Moment brauchen kann, sind sinnlose Gerichtsprozesse, die auf eine Öffnung drängen, wo doch eh jeder diese so früh wie möglich will und diese auch sicher bald kommen werden, sobald es vertretbar ist. Kein Politiker geilt sich heimlich und sich dabei ins Fäustchen lachend daran auf, die Opernhäuser, Kinos und Museen geschlossen zu halten. Aber eins weiß ich: viele von denen, die gerade ebenso lautstark wie Sie dringend auf „Öffnungen“ pochen, aber sich eher am rechten Rand bewegen, möchten unsere Gesellschaft auf eine Weise umwandeln, die unsere „Grundrechte“ und die Kultur wesentlich mehr einschränken würden, als es eine Pandemie je vermag. Von diesen möchte ich mich aber so weit wie möglich fernhalten.

 

Die Vorstellung, dass unsere jetzige Regierung es speziell auf die Kultur abgesehen hat, ist absurd. Das unterstellt aber Ihre Kampagne, ob Sie es wollen oder nicht, denn sie macht ja den Vorwurf, die Kultur würde besonders ungerecht behandelt und es gäbe daher einen Grund für den Rechtsweg. Aber was ist dann mit dem Gastrogewerbe, der Hotelbranche, den Reiseveranstaltern, den Fluggesellschaften? Die hat es wesentlich härter getroffen als uns, da gab es wesentlich mehr Kurzarbeit, Kündigungen, schlimmste menschliche Schicksale. Angesichts dessen ist für mich die Vorstellung, dass es jetzt wichtiger ist, dass Christian Gerhaher jetzt möglichst bald wieder Opern singen kann, ein bisschen geschmacklos, wen ich ehrlich bin. Denn lieber fordere ich, dass arme und eben nicht weltberühmte freischaffende Musikerinnen und Musiker genügend Corona Hilfen bekommen.

Argumentiert denn irgendjemand ernsthaft damit, dass man es auf die Restaurants dieses Landes abgesehen hat und diese endgültig abschaffen will, nur weil diese auch schwer betroffen sind? Viele davon werden nach Corona nicht mehr öffnen, die Bayerische Staatsoper dagegen schon.

 

Es ist halt leider kein Zuckerschlecken, so eine Pandemie. Als Entscheidungsträger hat man oft zwei Entscheidungen – die eine hat schlechte Auswirkungen, die andere noch schlechtere. Das macht keinem Spaß, und immer ist irgendjemand beleidigt. Es bringt uns aber nicht weiter, ständig beleidigt zu sein. Standhaft in unseren Maßnahmen gegen Covid-19 sein dagegen schon, denn dann ist die ganze Chose wenigstens schneller vorbei, als wenn wir ständig zu früh irgendwas öffnen. Wir haben das in greifbarer Nähe, ganz ohne „Aufstehen für die Kunst“. An diese grundsätzliche Standhaftigkeit der Bevölkerung und angeblichen „Schlafschafe“, die nicht auf Populismus, Panik, Verschwörungsmythen und ideologische Blasen hereinfielen, wird man sich später erinnern, nicht daran, dass bestimmte Künstler*innen das alles irgendwie nicht toll fanden und eine Klage anstrebten.

 

Noch im Dezember wollten mir einzelne Vertreter von „Aufstehen für die Kunst“ weismachen, dass die Pandemie ja eindeutig vorbei sei und die „Zahlen runtergehen“. Dies wurde mit den üblichen aus dem Zusammenhang gerissenen Statistiken, Grafiken und YouTube-Videos von Bhakdi und Konsorten „wissenschaftlich“ untermauert. Damit meine ich nicht Sie persönlich, aber viele, die Ihre Aufrufe teilen und zum Teil sehr aggressiv auf diejenigen zugehen, die nicht derselben Meinung sind. Von diesen Mitwirkenden hat sich „Aufstehen für die Kunst“ leider nie genügend distanziert.

 

Was dann im Winter folgte, weltweit, haben wir dann alle gesehen, die höchsten Sterbezahlen jemals und Infektionsrekorde in ganz Europa. Ich muss also zugeben, dass ich langsam müde werde, wenn immer voreilig jemand kommt und behauptet, das alles sei ja schon vorbei oder man könnte jetzt das und das machen. Oder anders gesagt: Wenn ich eine realistische Einschätzung von Infektionsgeschehen und virologischen Erkenntnissen während einer Pandemie will, frage ich nicht Senta Berger oder Alfred Brendel (mit denen Sie z.B. als Unterstützer werben).

 

Ich denke also, dass das bisschen Geduld uns allen guttun würde. Und dann gehe ich gerne mit Ihnen auf die Straße und demonstriere gegen die Schließung von Opernhäusern und Orchestern, gegen Kulturkürzungen und Sparmaßnahmen. Aber immer auch im Sinne humanistischer Ideale: FÜR die Menschen aber auch MIT den Menschen, weder über noch unter ihnen stehend, sondern in der Mitte der Gesellschaft. Dieses Selbstbewusstsein habe ich als Künstler, dazu brauche ich keine PR und keine Gerichtsprozesse.

 

Ich bitte Sie also herzlich, in Zukunft bei Ihren Rundmails den Satz mit der Bayerischen Akademie so zu korrigieren, dass dort steht, dass Sie nur die

 

„Bayerische Akademie der Schönen Künste, allerdings ausgenommen Moritz Eggert

 

unterstützt. Vielleicht kommen noch ein paar Namen hinzu, denn ich werde mir erlauben, dieses Schreiben öffentlich zu machen.

 

Denn das letzte, was wir jetzt brauchen, ist noch ein weiteres Gerichtsverfahren (wegen ungewollter Werbung ohne Zustimmung der Beteiligten).

 

Mit den besten Wünschen,

 

Ihr

Moritz Eggert

Aktualisierung 3.3.2021

Bis gestern (2.3.2021) gab es auf der Seite von „Aufstehen für die Kunst“ eine Kategorie „Akademien“ unter den Unterstützern. Auch unter dieser wurde Winfried Nerdinger als „Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste“ genannt, Bernhard Sinkel als Leiter der Abteilung Film und Medien, sowie Dieter Dorn als Leiter der Abteilung Darstellende Künste und Katja Schäfer als Generalsekretärin der BADSK. Auch hier wird fälschlich der Eindruck erweckt, als stünde die Bayerische Akademie mittels dieser Namen gänzlich hinter der Kampagne „Aufstehen für die Kunst“, ansonsten ergäbe die Kategorie „Akademien“ keinen Sinn.

Inzwischen ist die Kategorie in „Akademien und Akademiemitglieder“ umbenannt worden (wahrscheinlich weil man auch den Bad Blog liest), stiftet aber immer noch Verwirrung, denn Katja Schäfer ist kein Akademiemitglied sondern Generalsekretärin der Akademie und Leiterin eines Liedfestivals. Warum berühmte Namen wie Dieter Dorn (Regisseur) und Bernhard Sinkel (Filmregisseur) nicht einfach unter ihrem eigentlichen Metier als Unterstützer auftauchen können, bleibt unerklärlich. Dass sich vielleicht jetzt nicht massenhaft Architekturhistoriker (Winfried Nerdinger) als Unterstützer finden ließen, um einen eigenen Eintrag zu rechtfertigen, mag wiederum verständlich sein. Zudem sind fast alle der ansonsten auf der Seite genannten prominenten Unterstützer Mitglieder von Akademien, meistens sogar von mehreren. Mit derselben Begründung könnte man also unter „Akademiemitglieder“ Künstler*innen wie Jörg Widmann oder Olga Neuwirth aufführen, aber die sind anscheinend nicht „akademisch“ genug. Aber dennoch: wenn unser Präsident der Bayerischen Akademie jetzt auf jeden Fall als Einzelunterstützer wahrgenommen werden soll, warum ist es dann so wichtig, ihn unter „Akademien und Akademiemitglieder“ zu nennen? Wobei ich ihm das nicht als böse Absicht unterstellen will, denn schließlich entscheidet „Aufstehen für die Kunst“, wie ihre Unterzeichner dargestellt werden, um größtmögliche Seriosität zu erzeugen…was aufgrund von „am rechten steirischen Bordsteinrand“ (Zitat Axel Brüggemann, Crescendo-Newsletter) sich tummelnden Unterstützern wie Günther Groissböck wahrscheinlich auch dringend notwendig ist.

Inzwischen erreichten mich zahlreiche Nachrichten von Personen, die sich sehr wundern, dass sie ungefragt auf der Seite von „Aufstehen für die Kunst“ als Teil von Institutionen wie z.B. dem „Forum Musikfestivals“ genannt werden. Das gibt einem zu Denken, ob nicht vielleicht eine Kampagne „Richtig fragen und erst einmal klären, ob man überhaupt für die Kunst aufstehen will“ wichtiger wäre.

Was erst los sein wird, wenn die Friseursalons wieder öffnen (dringend benötigt, siehe Bild), Christian Gerhaher aber immer noch nicht in der Staatsoper singen darf? Volksaufstand!!!

8 Antworten

  1. Marcus Freisem sagt:

    Bravo, lieber Moritz…,
    auf den Punkt getroffen
    Du sprichst mir aus dem Herzen !
    Vielen Dank

  2. Sonia G.Y. sagt:

    Vielen Danke für den Beitrag! Sie schreiben mir aus der Seele. (Nice T-shirt:-)

    Liebe KünstlerInnen, macht euch doch nicht lächerlich mit euren sinnlosen Klagen und habt etwas Geduld. Die älteren Herrschaften werden in den nächsten Wochen fertig geimpft sein. Auch Schnelltests werden demnächst für jeden verfügbar sein. Es wird nicht lange dauern, bis die Theater wiedereröffnet werden können.

  3. Lukas-Fabian Moser sagt:

    Lieber Herr Eggert, da mich angesichts der „Aufstehen“-Kampagne das gleiche Unbehagen beschlichen hat wie Sie, freue ich mich über Ihre Wortmeldung: Der Wettstreit darum, welcher Interessengruppe es am besten gelingt, nachzuweisen, dass sie von den fürchterlichen Einschränkungen des letzten Jahres unbedingt ausgenommen werden müsse, hilft nicht bei der Überwindung dieser (natürlich immer schwerer erträglichen) Ausnahmesituation.

    Allerdings scheint mir Ihre Argumentation, die von „Kunst und Kultur“ direkt zu den Yoga-Studios und dann bis zum Massagesalon springt, an den Intentionen der „Aufstehen für die Kunst“-Initiatoren vorbeizugehen: Nicht zufällig werden dort die Kunsteinrichtungen nur in zweiter Linie mit Wirtschaftsunternehmen, Gastronomie und Einzelhandel verglichen; zuallererst nennen sie als Maßstab die „Glaubenseinrichtungen“ (und argumentieren mit dem „Wertegerüst“ des Grundgesetzes und der Definition Bayerns als „Kulturstaat“). In der Tat sind die Ausnahmeregelungen für Religionsgemeinschaften bitter für die vielen Menschen, die Trost und Sinngebung nicht in der Religion, sondern eben in der Kunst finden. Dennoch: Es gibt keine „Gerechtigkeit im Verzicht“, die mir garantiert, dass ich nicht mehr opfern muss als mein Nachbar; sondern jeder einzelne Beitrag zählt, und das bedeutet, dass jede(r) danach streben muss, so viel (an ansteckungsvermeidendem „Verzicht“) beizutragen wie nur irgend möglich. Insofern sollten wir nicht für eine möglichst rasche Öffnung der Opernhäuser werben, sondern für eine gesamtgesellschaftlich koordinierte Kraftanstrengung, die wirklich etwas bringt, anstelle von halbherzigen Kompromissen (etwa mit „light“ im Namen), die womöglich nur zum sprichwörtlichen „Schrecken ohne Ende“ führen.

    Und, hier bin ich ganz bei Ihnen: Die Zeit nach der Pandemie wird gefährlich für die Kultur. Es werden drastische Sparzwänge kommen, es wird mit der in der Pandemie-Zeit scheinbar erwiesenen Verzichtbarkeit von Kunst, Kultur, Präsenzlehre an den Hochschulen (Zoom-Sitzungen sind soo viel leichter skalierbar als Seminarräume!) und wer weiß was noch allem argumentiert werden. Das ist der Zeitpunkt, an dem es nötig werden wird, „aufzustehen“ für die Kunst – und für vieles andere.

  4. Als derzeitig medizinischer Hochrisikopatient, der die Corona-Mutanten-Gefahr nun auch aus der Perspektive des Krankenhauses, der Patientenschaft, der Ärztinnen und Ärzte, der Krankenschwestern, des Personals und vielen anderen erlebt, spricht mir dieser Text aus der Seele. Dauernd geht mir innerlich Schostakowitschs 15. Sinfonie durch meine baldige Glatze und auch seine 14.Sinfone. Ein Vokalwerk. Und Bach natürlich.
    Wenn jetzt schon geöffnet wird, bedeutet das – zumindest für mich – Stress.
    Der R-Wert muss Richtung 0,5 und die Inzidenz deutlich unter 20.
    Die Mutanten sind nicht ohne und wir kennen noch nicht ihre Anzahl.
    Danke Moritz. Alles Liebe.

    Dein Jan Müller-Wieland

  5. Großartig, Herr Eggert!
    Das ist genau die richtige Argumentation gegen diese Kampagne. So sehr ich den Sänger Gerhaher schätze: Die Unterzeichner bestätigen leider das Klischee von Stars, die völlig abgehoben nur um sich selbst kreisen. Denn diese Promis sind derzeit nicht die existentiell Betroffenen wie andere Kulturschaffende und Berufsgruppen. Eine Spendenkampagne zugunsten weniger gut verdienender KollegInnen wäre sinnvoller gewesen.
    Kompliment und herzlichen Dank für Ihre klaren Worte für eine gesellschaftliche Solidarität, Vorreiter- und Vorbildrolle, die die Kultur ja sonst so gerne für sich in Anspruch nimmt und die „Aufstehen für Kunst“ so eklatant vermissen lässt.
    Dr. Isabella Kreim

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