Die 24 Tonarten und ihre bekanntesten Werke – Folge 11: F-Dur

Für den Streaming-Anbieter IDAGIO kuratiere ich seit Jahren Playlisten. Nun hatte ich die Idee, wie man – natürlich auf recht einfache, populäre, aber irgendwie lustige Weise – Johann Sebastian Bachs beiden Bänden des „Wohltemperierten Claviers“ „nacheifern“ könnte. Nämlich mit einer Playlist, die das jeweils bekannteste Stück jeder einzelnen Tonart abbildet. Also im Quintenzirkel „vorne“ angefangen von C-Dur bis nach „hinten“ (h-Moll). „Bekanntheit“ ist natürlich kein wirklich wissenschaftlicher Begriff. Mit „Bekanntheit“ meine ich – in Bezug auf Werke klassischer Musik – mehr ein „Gefühl“. Ist zum Beispiel ein Stück in einem Film einer/eines berühmten Regisseurin/Regisseurs sehr prominent verwendet worden, dann rückt dieses Werk jeweils natürlich gefühlt „nach oben“ im Ranking. Den ersten Satz von Beethovens Fünfter beispielsweise habe ich schon in Filmen iranischer Regisseur:innen verarbeitet gesehen/gehört (besonders eindrücklich in dem Film „Die Stille“ von Mohsen Makhmalbaf aus dem Jahr 1998). „Welthaftigkeit“ geht also als Überlegung hinsichtlich der „wirklichen“ („globalen“) Bekanntheit mit in die jeweilige Entscheidung ein. Meine Artikel-Serie zu den Tonarten ist insbesondere eine Einladung zum Mitdiskutieren! (Jeder „endgültigen“ Entscheidung füge ich einen Link und eine entsprechende Interpretation des jeweiligen Tonarten-Stückes bei. Auch hierbei darf in den Kommentaren gerne – freundlich – interveniert werden.)

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Die bisherigen Folgen: C-Dur, c-Moll, Des-Dur, cis-Moll, D-Dur, d-Moll, Es-Dur, es-Moll, E-Dur, e-Moll.

F-Dur ist ein volles Grün! Jegliche Naturbeschreibung funktioniert in F-Dur. Demnach ist F-Dur auch unfassbar langweilig – und halt so ne Tonart, die immer geht. Wie Pizza. Nie ganz toll. Aber Pizza halt: F-Dur.

Folgende Werke waren ernsthafte Konkurrent:innen: Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester C-Dur KV 467, 2. Satz: Andante (F-Dur), Robert Schumann: Fröhlicher Landmann (Album für die Jugend op. 68) und Robert Schumann: Träumerei (Kinderszenen op. 15). Doch hinfort mit jenem Gestrüpp! Der erste Satz des „Italienischen Konzerts“ von Bach tönt mir noch aus Kindertagen vom Jingle irgendeiner Radiosendung im Ohr, die auf NDR 3 lief… Deshalb!

Das für Arno Lücker bekannteste Werk in F-Dur:
Johann Sebastian Bach (1685-1750)
Italienisches Konzert F-Dur BWV 971 (1735)
1. Satz: (Allegro)
Christine Schornsheim (Cembalo)

Andere über F-Dur…

F.DUR […] ist cabable [in der Lage] die schönsten Sentiments [Gefühle] von der Welt zu exprimieren [auszudrücken] , es sey nun Großmuth / Standhafftigkeit / Liebe / oder was sonst in dem Tugend=Register oben an stehet / und solches alles mit einer der massen natürlichen Art und unvergleichlichen Facilité [Leichtigkeit] , daß gar kein Zwang dabey vonnöthen ist. Ja die Artigkeit und Adresse dieses Thons ist nicht besser zu beschreiben / als in Vergleichung mit einem hübschen Menschen / dem alles was er thut / es sey so gering es immer wolle / perfect gut anstehet / und der / wie die Frantzosen reden / Bonne Grace hat. […]

(Johann Mattheson: Das neu-eröffnete Orchestre, Hamburg 1713, S. 241)

F dur, Gefälligkeit und Ruhe.

(Christian Friedrich Daniel Schubart: Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, Wien 1806, S. 377)

F dur malt Frieden und Freude in vielfacher Form bald als leichten Scherz und gutmüthige Posse (Mozarts Arie: Keine Ruh bei Tag und Nacht), bald als kindliche Fröhlichkeit (in Kinderliedern von Diabelli, der Mädchenchor in Haydns Winter: Knurre, schnurre Rädchen), bald in der Zufriedenheit mit der Welt (Mozarts Lied: Ridente la calma) oder in der Ruhe eines genüglichen Lebens (Mehrere Rondo von Haydn), oder in der Innigkeit befriedigender, tröstender Liebe (Beethovens Lied: Kleine Blumen, kleine Blätter. In Spohrs Faust: Folg‘ dem Freunde mit Verlangen. In idealger Beziehung Ries Arie im Sieg des Glaubens: Dir am Busen will ich liegen). Rombergs Glocke des Friedens konnte nur in F dur verhallen. Nach dem Bangen vor einem fürchterlichen Ausgange eint in Beethovens Fidelio Alles sich am Schlusse zur milden Beruhigung und zum tröstenden Frieden: gleich einem Dankgebet erscheint der Gesang: O Gott! o welch‘ ein Augenblick. Man vergleiche aus Beethovens Symphonien die hieher gehörenden Stücke der Pastorale und das Andante der ersten Symphonie aus C.

(Ferdinand Gotthelf Hand: Aesthetik der Tonkunst, Erster Theil, Leipzig 1837, S. 228)

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.