Mein Musiklehrer – Teil IV

Mein Gymnasium. (Inzwischen offenbar abgerissen)
Mein Gymnasium. (Inzwischen offenbar abgerissen)
Mein Gymnasium. (Inzwischen offenbar abgerissen)

Mein Gymnasium. (Inzwischen offenbar abgerissen)

(Bisherige Folgen: I, II, III).

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Wie lief jetzt der Musikunterricht bei Herrn Schmolling ab?

Unterschiedlich! Herr Schmolling war ein emotionaler, mitfühlender Mensch – in der Hülle eines seriösen, älteren Bildungsbürgers. Manchmal kam er in den Unterricht, ließ uns den nötigen Stoff kurz besprechen, fragte dann in die Runde: „Geht es euch heute auch nicht so?“ – und lud uns alle (freilich auf seine Kosten – oder, wie junge Peoplez sagen: auf seinen Nacken) zu Kaffee und Kuchen ein. (Für Insider: Nein, nicht bei Meffert; wir durften das Schulgelände ja nicht einfach so gemeinsam verlassen; wir gingen natürlich rüber in die Cafeteria der IGS!).

Der reguläre Unterricht war von einer offenen Gesprächsatmosphäre geprägt. Wir hörten Musik mit Partitur, analysierten ein paar Takte, die Form… Manchmal ging Herr Schmolling ans Klavier und spielte ein paar Takte des Werkes. Immer zu laut. Er behauptete nie von sich, ein guter Pianist zu sein; meines Wissens war sein erstes Instrument die Violine, die er ordentlich beherrschte.

Ja, und jetzt erinnere ich mich erst… Er spielte bei einem Konzert das Doppelkonzert von Bach zusammen mit meiner ersten großen (geigespielenden) Liebe… Dieser zweite Satz, ich war so verliebt! (Nicht in Herrn Schmolling, haha!). Er musizierte intensiv, mit Hingabe, aber schon in dem Bewusstsein, dass er „nur“ Musiklehrer war. Er war stolz darauf. Und er trug nicht – im Gegensatz zu vielen seiner Kolleg:innen – sein „Scheitern“ („Bei mir hat es nur zu Schulmusik gereicht!“) im Gesicht. Im Gegenteil.

Wir hatten eine Partnerstadt in Polen – ungefähr gleich groß wie die unsrige; und ähnlich hässlich. Herr Schmolling organisierte den Schüler:innen-Austausch – vor allem, was die Musik anging. Ich sollte im Gymnasium unserer Partnerstadt (Glogau) eine ganze Konzerthälfte bespielen. In der dortigen Aula stehe „ein guter Flügel“, hieß es. Ohne weitere Absprache setzte Herr Schmolling mein gesamtes (!) aktuelles Repertoire – Chopin-Etüden, Schubert-Impromptus und so weiter – auf das Programm; wirklich: ohne mich zu fragen! Er hatte mich einfach irgendwann zwischen Tür und Angel angesprochen, woran ich gerade arbeiten würde. Dabei hatte ich die Stücke größtenteils noch gar nicht fertig studiert!

So war ich ganz schön überrascht, auf dem Programmzettel all diese Stücke – verbunden mit meinem Namen und dem Zusatz „Klavier“ – zu finden. Ich war schon ein bisschen sauer – musste aber auch lachen. „Typisch Herr Schmolling!“ Selbstbewusst, voranpreschend, ambitioniert, mutig! Aber ich konnte diese Stücke halt noch nicht spielen! Als ich dann den „guten Flügel“ kurz prüfte… Nun, es war eine total verstimmte und verzerrte Krücke. Man konnte schlichtweg keine wirkliche Musik damit machen. So ganz canceln wollte ich allerdings meinen musikalischen Beitrag zum Empfang in der Schul-Aula nicht; und spielte das cis-Moll-Stück aus Schuberts „Moments musicaux“. Das spielt sich die ganze Zeit ausschließlich in der Mitte der Klaviatur ab – und da ging es irgendwie… (Außerdem gibt es Stücke, die auf verstimmten Instrumenten ganz süß-nostalgisch klingen…). Also säuselte ich so herum in dem Stück, bis dann einzelne Schüler:innen begannen, mitzupfeifen… Nun ja. Ich war nicht so amused – aber im Rückblick finde ich es ganz berührend.

Herr Schmolling war natürlich „voll des Lobes“…

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.