ARD und ZDF als Hofberichterstatter der Artikel-13-Gegner?
Nicht zu fassen: im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk wird massiv verengt über die EU-Urheberrechtsreform in den Hauptnachrichtensendungen berichtet. Es geht nicht um Formate wie Kulturzeit auf 3sat. Es geht um die Tagesthemen der ARD wie gestern, Sa. 09.3.19 (ca. ab Minute 3:10), und Heute – in Europa vom 08.3.19 im ZDF. Zuerst wird ausschliesslich über Artikel 13 der U-Urheberrechtsreform berichtet, die reduziert auf die Passagen zu den sogenannten „Uploadfiltern“, von denen es einen z.B. bei Youtube heute längst gibt.
ARD
Im Beitrag der Tagesthemen kommen von den Gegner des Artikel 13 Youtuber und Demo-Organisatoren (z.B. LeFloid und Sebastian Worm) und von der Befürworter-Seite ausschliesslich das CDU-EU-Parlamentsmitglied Axel Voss zu Wort. Auf den Unionspolitiker haben sich die Gegner längst eingeschossen und haben ihn zu ihrem Buhmann stilisiert, wogegen er sich im Beitrag höflich zur Wehr setzt, derweil die Demo-Teilnehmer vor der Berliner CDU-Zentrale „Nie wieder CDU“ skandieren. Weitere kritische Stimmen anderer Parteien wie der Grünen, der SPD, der Linken oder der FDP kommen überhaupt nicht zu Wort.
Die Richtlinie
Was der schwerwiegendste Stein des Anstosses ist: in einer der von den meisten TV-Nutzern angesehenen Nachrichtensendung wird die EU-Urheberrechtsreform (hier der gesamte Entwurfstext) nur auf Artikel 13 Abs. 4 f. reduziert, wie es die Gegner des Artikel 13 vornehmen und damit letztlich das Scheitern der kompletten EU-Urheberrechtsreform bewirken wollen. Die in Artikel Abs. 1 f. formulierte Verpflichtung, dass Plattformen wie Youtube, Dailymotion, etc. die Lizenzierung von den Rechteinhabern einholen sollen und ein „Uploadfilter“ erst greift, wenn diese Lizenzierung ausfällt wird schlichtweg verschwiegen.
Damit wird ein wichtiger Tatbestand (Lizenzierung) und seine Rechtsfolge (bei Nicht-Lizenzierung) ausser Acht gelassen, als hätten weder die Reformgegner oder die Rechtsabteilungen der Nachrichtensendungen sich umfassender mit der Richtlinie auseinandergesetzt. Das wäre so, als lese man ein wichtiges Gesetz nur in Hinblick auf einen Paragrafen und nicht in Bezug auf seine Gesamtbedeutung. Wer Artikel 13 liest, sollte eigentlich zuvor Artikel 1 bis 12 durchgearbeitet haben. Es scheint so, als habe man sich auf die Informationen der Artiklel-13-Gegner und z.B. die Darstellung in Wikipedia zu Artikel 13 verlassen, die erst verkürzt ab Abs. 4 einsetzt.
Wer die Richtlinie liest, bitte von Anfang an!
Entscheidend ist der Artikel 9a! Eine Besonderheit des europäischen Rechtskreises, für den diese Richtlinie gelten soll, ist die Wahrnehmung der Urheberrechte der Urheberinnen und Urheber durch Verwertungsgesellschaften für alle von Urheberrechten betroffene Bereiche wie Musik, Text, Bild, Film, Foto, Architektur, etc.
Pauschale Lizenzierung
Wer mit diesen für geschützten Content eine Lizenzierung vereinbart, tut dies in Europa in der Regel pauschal. D.h. es muss nicht für jede einzelne von Millionen Nutzungen jeder Urheberrechtsbeteiligte angeschrieben werden. Die Plattform schliesst einen Lizenzvertrag mit den entsprechenden Verwertungsgesellschaften, die Uploader sind pauschal von möglichen Rechtsverletzungen freigestellt und die Urheberinnen und Urheber erhalten durch die Verwertungsgesellschaft die angemessene Vergütung, die sie bisher nur selten oder gar nicht erhielten. Und auch die Uploader, die jetzt demonstrieren, wären wie gesagt vor ihren Urheberrechtsverletzungen geschützt.
Da die Vermutung gilt, dass eine Verwertungsgesellschaft die Mehrzahl der ihr angehörigen Urheberinnen und Urheber vertritt, sind sogar zuerst einmal die Urheberrechte derjenigen mit abgedeckt, die dieser Verwertungsgesellschaft nicht angehören. Die müssten im Zweifelsfall gesondert mit der Verwertungsgesellschaft einen Deal anstreben. Aus dem Munde der Artikel-13-Gegner klingt es so, als würden Verlage und Copyright-Inhaber profitieren. Das mag im amerikanischen und angelsächsischen Rechtskreis der Fall sein. In Europa profitieren durch ihre Verwertungsgesellschaften die Urheberinnen und Urheber in erster Linie, dann erst ihre Verlage.
ZDF
Im ZDF kamen zwei den Artikel 13 ablehnende EU-Parlamtensabgeordnete zu Wort: eine Politikerin der Grünen (Ska Keller) und ein junger SPD-Vertreter (Tieme Wölken) zu Wort, werden die Sorgen der Demonstranten dargestellt. Auch hier fehlt jeder Hinweis auf die Lizenzierung: findet die erfolgreich statt, sind sogenannte Uploadfilter in erster Linie unnötig. Das wird nicht im O-Ton noch in den Kommentaren der beiden Primeformat-Nachrichten-Sendungen verlautbart. Was man hört: es möge doch Alles bleiben wie bisher!
Also, Nutzer sollen tun und lassen können, was sie wollen? Nur ist das durch das Content-Kontrollsystem z.B. Youtubes jetzt schon nicht mehr möglich. Und durch die pauschale Lizenzierung würde dieses Kontrollsystem erst einmal überflüssig für alle Inhalte. Nur speziell angemahnte Inhalte würden dem unterliegen. Zudem sind kleine und neue Plattformen erst einmal 3 Jahre von der Kontrollpflicht befreit. Und umgekehrt sind im nationalen Recht in der EU die Verwertungsgesellschaften verpflichtet, mit ihnen beidseitig angemessene Vereinbarungen zu treffen.
All das wird in der Berichterstattung der Prime-Formate der beiden öffentlichen-rechtlichen Sendeanstalten nicht oder nur kaum decodierbar gesagt, es wird den Befürwortern kein ernsthafter Raum gegeben, auf ZDF zur Gänze überhaupt nicht. Und wenn Raum gegeben wird, interviewt man Axel Voss, auf den die Gegner überhaupt nicht mehr hören – selbst wenn er die Ausnahmeregeln für z.B. Parodien anführt, wie sie auch für Blogs gelten sollen, was überhaupt nicht erwähnt wird. Dafür wird den selbstdarstellerischen Youtubern Raum gegeben.
Ahnungslose Youtuber
Die sollten lieber in die VGen Wort, Bild, etc. oder in die GEMA eintreten und sich dort mit für die ihre Urheberrechte stark machen: neben ihren Werbeeinnahmen seitens z.B. Youtube, würden sie dann noch Tantiemen für ihre selbstproduzierten Inhalte einnehmen können – für die Giganten unter ihnen durchaus später interessant, denn die Plattformen müssen für eine pauschale Lizenzierung die genauen Nutzungszahlen offenlegen, wie es jeder Radiosender tun muss.
Aber man verzichtet lieber darauf und den globalen Konzernen, die hier kaum bis gar nicht Steuern zahlen, gibt man mindestens indirekt, wenn nicht sogar offen direkt seine Unterstützung, weiter Zahlen verheimlichen zu dürfen, die sonst jeder Urheberechte nutzende Dienst exakt offenbaren muss.
Der Shitstorm
Darüberhinaus schreien Kommentatoren schon wieder nach Abschaffung von Verwertungsgesellschaften, zeigt ein youtubender Rechtsanwalt Sachwaltern der Urheberinnen und Urheber, die für ihre Rechte die Richtlinie verteidigen den Stinkefinger. Wie war das damals auf dem Höhepunkt des angeblichen GEMA-Sperrtafelnstreits? Demonstranten bewarfen Komponistinnen und Komponisten mit Steinen. Nun kübeln sie Shitstorms und quasi-nordkoreanische Verengungen und Vereinafachungen über uns, verwandelt ihre Propaganda die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen in eine mediale Gleichschaltung unterlassener entscheidender Inhalte in Prime-Nachrichten. Wikipedia schaltet sich ab. Eigentlich sollten alle Verwertungsgesellschaften für einen Tag die Verbreitung lizenzierter Inhalte einfordern. Das dürfen sie nicht, weil sie lizenzieren müssen.
Ein Fall für Rundfunkräte und Presserat?
Und eigentlich müssen Nachrichtenformate ausgewogen unterrichten. Im Informationsauftrag aka Bildungsauftrag haben da ARD und ZDF versagt und wären eigentlich ein Fall für die Rundfunkräte und den Presserat. Letztlich ist es unfassbar, wie wie Urheberinnen und Urheber und unsere Rechte am geistigen Eigentum mit den Füssen getreten werden. Am unverhohlensten von all denjenigen, die von einem Buy-Out reden: nein, nicht hier in Europa! Hier sind wir mehr oder weniger die Inhaberinnen und Inhaber der Verwertungsgesellschaften, werden die Rechte genossenschaftlich wahrgenommen. Das kann man garantiert in vielen Bereichen verbessern. Die Existenz dessen zu verschweigen und sich zugleich zu Schützern der Urheberechte deklarieren: das ist Quatsch und grenzt an Fake-News.
Komponist*in
ARD und ZDF sind Hofberichterstatter der Artikel-13-Gegner?
Ich dachte wir sind in einem Land mit freiem neutralen Journalismus und nicht in einer Diktatur.
Seit wann dürfen ARD und ZDF nicht mehr die aktuellsten Nachrichten verbreiten und bei kontroversen Themen beide Seiten zu Wort kommen lassen?
Die Frage müsste wohl eher lauten sind RTL, Sat1, Pro7, N-TV, Phoenix,… (hier sämtliche Sender einfügen) Hofberichterstatter der Artikel-13-Befürworter?
Denn diese Sender machen so alles würde es die vielen Demos nicht geben.
Ist es nicht die Aufgabe von freiem neutralen Journalismus über alles wissenswerte was gerade in Deutschland und der Welt passiert zu berichten und beide Seiten zu beleuchten, zumindest dachte ich das immer.
Im Übrigen haben die Befürworter sich sehr wohl über den ganzen Text informiert, allerdings haben sie dabei um die Ecke gedacht und nicht nur von einer idealen Welt geträumt wie Sie das hier tun.
Denken Sie ernsthaft Google und Co. werden sich teure Lizenzen von allen Verwertungsgesellschaften und Urhebern der Welt beschaffen anstatt starke Uploadfilter einzubauen?
Dann sind sie aber ziemlich realitätsfern.
Übrigens seit 2014 gibt es in Spanien kein Google News mehr, weil Google die teuren Lizenzen auf entsprechende Texte nicht kaufen wollte, die haben dann lieber einfach den Service für das ganze Land abgeschaltet.
Achja und diese ganze Richtlinie trifft wahrscheinlich 90% der kommerziellen Webseiten welche nicht in den B2B Bereich fallen.
Die meisten Plattformen sind nämlich älter als 3 Jahre, denn das Internet gibt es schon mittlerweile über 20 Jahre in seiner jetzigen Form.
Sie können mir auch gern erklären wie die ganzen Plattformen mit sämtlichen Urhebern der Welt eine Lizenzabschließen sollen, ja tatsächlich ist jeder Text, jedes Kunstwerk, jedes Foto was ein Mensch auf der Welt macht unter seinem Urheberrecht.
Es gibt nämlich nicht nur die Verwertungsgesellschaften wie Gema und Co., welche einen lächerlich kleinen Teil aller Urheber der Welt vertreten. Wie haben sie sich den das Gedacht, jeder Mensch soll mich mit allen Verwertungsgesellschaften auseinandersetzen oder alternativ mit den Plattformbetreibern selbst?
Wenn Ihnen diese Argumente nicht reichen wie wollen sie denn bitte Livestreams lizenzieren und überwachen, wie z.B. die Livestreams zu den Artikel 13 Demos? Auf solchen Veranstaltung wird gegebenfalls urheberechtlich geschützte Musik, Text, Skulpuren und Logos gezeigt? Kein Filter der Welt ist heutzutage ansatzweise in der Lage in Echtzeit Inhalte nach urhebergeschützten Werken zu überwachen.
Was haben Sie denn bitte schön gegen eine generelle Abgabe von Youtube und Co. für Ihre Videos und die sonsten Inhalte, wie sie bei den physischen Datenträgern bereits existiert, dann würde man nicht mit Schrottflinten auf Spatzen schiessen und die meisten Leute wären zufrieden.
Was stört Sie denn daran? Dieser alternative Vorschlag wurde nämlich ignoriert.
Ja die Verwertungsgesellschaften in die Mangel zu nehmen wäre wohl tatsächlich mal etwas. Immerhin sind es nicht YouTube, Twitch, Facebook, Patreon, DeviantArt und Co. die sich dafür stark machen, dass man an allen Ecken und Enden irgendwelche Lizenzgebühren und Pauschalen zahlt, die dann über irgendwelche Schlüssel Geld verteilen, ohne dass überhaupt klar wäre, dass auch eine Leistung erbracht worden wäre, die einer Zahlung würdig ist, nein es sind GEMA, VG Wort und Co.. Man denke auch nur an die Leermedienabgaben, die nicht etwa dazu führten den Kopierschutz abzuschaffen, sondern im Gegenteil keinerlei Entgegenkommen eingebracht haben. Die Rechte der Bürger und letztendlich natürlich auch Künstler selber, werden von diesen Organisationen seit Jahrzehnten mit Füßen getreten.
Wenn ARD und ZDF hier tatsächlich kritisch berichten, ist das verdammt positiv zu bewerten in anbetracht der Lügenmärchen, die hier die Pro-Fraktion auftischt, um den Rechtsstaat auszuhebeln und einen direkten Angriff auf den fundamentalen Kern der Demokratie zu führen, nämlich die freie Rede und die freie Kunst, nur um den Staat dazu zu bringen, für sie ein erpresserisches System zu installieren um weiterhin und noch viel mehr Lizenzgebühren abzuzwacken. Leistungsloses Einkommen im Sinne des Bedingungslosen Grundeinkommens? Klar gern. Aber das leistungslose Einkommen der Verwertungsgesellschaften ausbauen? Und dafür auch noch die Freie Rede zu opfern? Wegen der Möglichkeit von Urheberrechtsverletzungen, die so trivial sind dass man tatsächlich nicht mal nachweisen kann, dass irgendeine Kreativbranche Probleme hätte, die man direkt dem „Internet“ oder „Silicon Valley“ anlasten kann? Niemals. Es wäre besser die Politik kümmert sich darum Fair Use aufzubauen und damit die Bürger- und Verbraucherrechte zu stärken, die Abmahnindustrie zu bekämpfen und mehr als nur einen genauen Blick auf die Verwertungsgesellschaften zu werfen.