Das Leipziger Streichquartett und seine Mitglieder im Fokus von Politik und Social Media
[Update 05.12.2018] Die letzten Tage wurde u.a. durch die Leipziger Volkszeitung einer breiten Öffentlichkeit bekannt, dass hinter dem Widerstand und v.a. den Kampagnen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) gegen den gestern vom Deutschen Bundestag durch die Regierungsfraktionen in modifizierter Form für Deutschland angenommenen „Migrationspakt“ der Cellist des Leipziger Streichquartetts, Matthias Moosdorf, steht. Im Zuge dessen formulierte ein Komponist seinen Schock über dieses Engagement des Cellisten und die Art und Weise dieses Einsatzes gegen den Migrationspakt, vor allem dass ein Akteur eines global auftretenden deutschen Klangkörpers, welcher auch durch diese Auftritte als eine Art deutscher Kulturbotschafter fungiert, wie folgt: „Meinungsfreiheit bedeutet, sich politisch so wie Herr Moosdorf äußern zu dürfen. Sie bedeutet aber auch, Gegenwind zu entfachen und aushalten zu müssen. Niemand muß stillschweigend die Meinung des anderen akzeptieren. Ich hoffe, dass sich das Leipziger Streichquartett nach einem neuen Cellisten umsieht.“
Das Leipziger Streichquartett hat sich eigentlich hochverdient insbesonders um die zeitgenössische Musik gemacht. Es hat u.a. Werke von Alban Berg, Beat Furrer, György Ligeti, u.v.m im Repertoire. Das verlangt künstlerisch großen Respekt ab. Es ist gerade für die Kompilation älterer Einzelaufnahmen als eine neue CD-Sammlung aller Mozart-Quartette für den International Classical Award 2019 nominiert worden. Über diese Aufnahme sagt z.B. für das RBB-Kulturradio der Rezensent Kai Luehrs-Kaiser: „Eine neue Referenzaufnahme.“ Auf der anderen Seite muss man aber leider zur Kenntnis nehmen, dass selbst zum 30-jährigen Jubiläum die Stadt Leipzig das Streichquartett mit dem Namen der Stadt im Titel nicht mehr finanziell unterstützt.
Wie es um Herrn Moosdorfs politisches Engagement bestellt ist, muss man nicht mehr einzeln darstellen. Das kann man seit dem LVZ-Artikel oder auch schon seit Arno Lückers epochalen Aufdeckungen zu Musikern und Rechtspopulismus wissen.
Es sei zudem daran erinnert, dass die Bundestagsfraktion der AfD im Oktober z.B. die Aufhebung der „Ehe für Alle“ als Antrag einbrachte, was Deutschen die eben erhaltenen Bürgerrechte genommen hätte, so wie man zuletzt Mitte der dreißiger Jahren in einer der wenigen Abstimmungen des Reichstags, gleich gegenüber des heutigen Bundestages in der heute nicht mehr existenten Kroll-Oper, das Eheschliessungsrecht von Deutschen aufhob. Oder wie die AfD-Fraktion einen Antrag im Bundestag einbrachte, „der Islam als gesellschaftliche Ordnung…’in unsere Werteordnung nicht integrierbar'“ sei. Beides wurde durch die aktuellen Mehrheiten im Bundestag eindrucksvoll verhindert. Es sei auch daran erinnert, dass das Landgericht Giessen dem Rechtsanwalt Löffelmacher im März das Recht zugestand, die AfD als rechtsextrem zu bezeichnen. Für diese Partei und ihre Bundestagsfraktion ist Herr Moosdorf tätig.
Weil es sich bei dem Quartett und seinen Mitgliedern gleichsam um Kulturbotschafter handelt, wie oben gesagt, ist es sehr angebracht, sich nicht nur den Cellisten, sondern das Quartett insgesamt auf diesen nationalen Status hin zu betrachten. Wir leben in Zeiten, wo selbst das Hochkulturpublikum Nicht-Deutsche Cembalisten aufgrund ihres Nicht-Deutschseins anpöbelt oder eben ein Cellist öffentlich sich in den Dienst der AfD stellt. Diese letztere Dienstbarkeit sei jedem unbenommen. Nur muss man das nicht kommentarlos stehen lassen, wenn es öffentlich gemacht wird.
Nachdem es in sozialen Medien öffentlich einsehbare Hinweise gibt, die als direkte oder kontextuelle Meinungsäusserungen gewertet werden könnten, dass auch andere Mitglieder des Leipziger Quartetts Sympathien für Ansichten der AfD und Narrative ihrer Wählerschaft haben, sei das hier verifiziert. Der zweite Geiger Tilman Büning teilte am 24. April 2016 mit den Worten „Tja Herr Mayzek (sic!): so siehts aus! Legen Sie sich das unter Ihr Kopfkissen.“ einen Text des Broder-Blogs „Achse des Guten“, in dem massiv gegen den Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Ayman Mazyek, argumentiert wird, der damals die AfD mit der NSDAP verglichen hatte.
Das steht z.B. einem Posting nahe, in dem Herr Moosdorf am 12. September 2018 einen Text der EMMA mit dem Bild Mazyeks erstellte, das er mit „Berlin ist geistesgestört. Man hat die Wahl und wählt dann das Reaktionärste, Frauenverachtendste, Dümmste für den immer zur Schau getragenen Euro-Islam…“ einleitet.
Das Merkel-Grenzöffnungsrechtsbruch-Narrativ der AfD-Wählerschaft bediente der Geiger am 14. Januar 2016: „Neues von meinem ganz speziellen Freund Heiko Maas aus der letzten Bundestagsdebatte: ‚In Deutschland darf sich niemand, unabhängig vom Pass, über Recht und Gesetz stellen.‘ Abgesehen davon, dass das eine Selbstverständlichkeit und Binse ist – mich würde nun doch brennend interessieren ob dieser Spruch auch gilt, wenn die Passinhabern Angela Merkel heißt? Die Frau begeht unter Missachtung des Parlaments seit Monaten fortgesetzten Rechtsbruch…“.
Das spiegelt mutmasslich auch eine Haltung Moosdorfs wider, der zu den Erstunterzeichnern der „Gemeinsamen Erklärung“ gehörte, die trotz längst erfolgter Grenzschutzmassnahmen immer noch vom Grenzöffnungsrechtsbruch raunte und im Petitionsausschuss des Bundestags auseinandergenommen wurde.
Das Leipziger Streichquartett jettet von Tokio bis in die USA. Dazu steht in diametraler Diskrepanz das Teilen eines „Achse des Guten Textes“ durch Büning am 11. Mai 2016 mit der Überschrift „’Weltoffenheit‘: Im Mausoleum der totgedroschenen Phrase“.
Für sich nimmt man alle Vorteile einer offenen Welt in Anspruch, daheim möchte man den Begriff „weltoffen“ nicht mehr hören.
Blättert man durch Herrn Moosdorfs Facebook-Timeline, begegnet man selten, aber doch signifikant wenigen Likes von Ivo Bauer, des Violisten des Leipziger Streichquartetts. Ob er zu hundert Prozent die Ansichten seines Kollegen teilt, kann nicht abschliessend beurteilt werden. Aber ausgerechnet zu Bereichen wie „Es wird schlimmer“ und „Ausländer-Kriminalstatistik“ hob er den Facebook-Daumen. Damit mag der Inhalt selbst gemeint sein, aber das Kontextuelle in Bezug auf Lieblingsthemen der AfD und ihrer Anhänger sowie Herrn Moosdorfs ist offensichtlich und muss in diesem Zusammenhang der Liker sich als zustimmende Meinungsäusserung zuschreiben lassen, gerade weil es öffentlich einsehbar erfolgte.
Am 14. August 2018 teilte Moosdorf ein Posting, das ein Interview mit „Professor Werner Patzelt zur aktuell düsteren Lage“ teilt, von Moosdorf mit dem Intro „Man braucht nicht viel um zu erkennen was ist. 1a auf den Punkt.“ versah und der Bratscher likete.
Im Interview wird ein durch und durch negativ verändertes Deutschland aufgrund der Flüchtlinge und sogar Migranten der dritten Generation beschworen und sich über die Kritik an der Kritik mokiert, die solchen Schwarzmalern breit entgegenschlägt.
Des weiteren likete der Bratscher ein Moosdorf-Posting vom 18. November 2018, das mit dem Intro „Gute Fakten!“ einen Text von Spiegel-Online zur erhöhten Kriminalstatistik durch Ausländer einleitet, ein Lieblingsthema der AfD.
Nur differenziert der Artikel mit zwei Kriminologen unterschiedlicher Meinung, die Erfahrungswerte von Polizisten im Umgang mit Migranten einordnen, das Sujet so weit, dass es z.B. im Spiegel-Text heisst: „Die Zahl der tatverdächtigen Ausländer sinkt. Das ist auch ein Integrationserfolg. Die meisten Flüchtlinge sind so angekommen, dass sie keine Straftaten begehen.“
[Update 05.12.2018] Im Zuge dieses Textes kritisierte der Bratscher Ivo Bauer auf Twitter diesen Blog. Da ich nur auf Facebook recherchierte, entging mir sein Twitter-Account. Interessant ist dort Posting vom 24. September 2018. Er teilt dort erneut ein Posting der vorigen Tage, wo er sich über einen Anschlag wohl der Antifa auf die Deutsche Bahn aufregte, der auch meiner Meinung nach als Terrorakt eingestuft worden ist. Der Text des Retweets lautet: „Die Identitären mit ihren lächerlichen Plakataktionen habt ihr aber nach wie vor schön im Blick, ja?“ Damit wird die Identitäre Bewegung ins Spiel gebracht. Auf der Homepage des Verfassungsschutzes wertete der ehemalige Präsident Hans-Georg Maaßen der Behörde die Identitären in Deutschland wie folgt: „Wir sehen bei der ‚Identitären Bewegung‘ Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“, erklärte Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen bei einem Redaktionsgespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „So werden Zuwanderer islamischen Glaubens oder aus dem Nahen Osten in extremistischer Weise diffamiert. Deshalb beobachten wir die Bewegung nun auch.“
Mit der Reduktion der Identitären auf „lächerliche Plakataktionen“ sieht der Bratscher Bauer die Identitären ganz anders als Maaßen, den Bauer selbst z.B. am 13. September 2018 ehrenhaft verteidigt. Bauer relativiert die Identitären, man könnte sagen, dass er sie damit im Gegensatz zur Bewertung durch den Verfassungsschutz verharmlost: „lächerliche Plakataktionen“ (Bauer) vs. „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“ (Maaßen). [Ende des Updates vom 05.12.2018]
Man hat bei dieser Schau auf die Stammmitglieder, wenn man den de facto rotierenden Primarius ausser Acht lässt, des Leipziger Streichquartetts den Eindruck, dass es mindestens zur Hälfte mit der AfD eng sympathisiert bzw. zu Dreiviertel in Teilen mit der Meinung seines Cellisten harmoniert. Damit dürfte sich das Stossgebet des eingangs zitierten Komponisten erledigt haben, dass sich das Quartett doch bitte einen anderen Cellisten suche. Die drei Stammspieler des Leipziger Streichquartetts zögern jedenfalls nicht, ihre Haltung gegenüber dieser sehr problematischen Partei bis heute öffentlich, mal kontinuierlich, mal schattenhaft, deutlich zu machen.
Komponist*in