DAS PODCAST UFO – Die E-Musik-Transkripte 2

In der ersten Folge dieser Serie hier habe ich die Aufgabe, die zu erledigen ist, beschrieben. Alle Stellen, an denen im besten deutschen Podcast („DAS PODCAST UFO“) von klassischer Musik im weitesten Sinne die Rede ist, sollen als Text transkribiert werden. Ohne Beschönigungen, ohne Auslassungen (lediglich „äh“s, Pausen und Satzunterbrechungen werden durch „…“ dargestellt.) Aber mit fachlichen Korrekturen am Ende.

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Bereits in der Ende 2014 veröffentlichten ersten Podcast-Folge (wir sind ja im Rückstand – und holen die Transkription jetzt peu a peu auf…) war von Klassik die Rede. Dann ging es weiter in Folge 8

Folge 8 (17. Februar 2015)

Unmittelbar vor dem hier abgebildeten Dialog sprechen Florentin Will und Stefan Titze unter anderem über nicht genutzte Comedy-Momente im alltäglichen Leben, so bei Aufsätzen in der Schule und über Joyce-Ilg-T-Shirts.

(…)

[Minute 50.45]

Florentin: Oh, moment, mir fällt noch ein… Bei uns gab es einen Running Gag… …auch in der Schule, weil bei uns hatte mal jemand eine Musikklausur – glaube ich – …abgegeben. Ein komplett leeres Blatt – und da waren so verschiedene Fragen, unter anderem zum Beispiel: „Was ist ein Concerto grosso?“ Und dann hat er hingeschrieben: „Concerto grosso ist ein großes Konzert.“ [lacht] Und das war der einzige Satz. Und hat ihn leer abgegeben. Und seitdem wurden auf relativ random… …auch in anderen Fächern…

Stefan: [lacht mittelmäßig belustigt]

Florentin: …der Satz untergebracht: „Concerto grosso ist ein großes Konzert.“

Stefan: [lacht]

Florentin: Einfach nebenbei. Damit der Lehrer noch etwas lernt nebenbei.

Stefan: Es fällt mir gerade ein. Ich habe… …die einfachste Note, die ich jemals bekommen habe, die einfachste „1“, die ich jemals bekommen habe, war in Musik. Zwölftonmusik! [lacht] Zwölftonmusik, für die, die es nicht kennen: Es sind einfach willkürlich irgendwelche… …irgendwelche Noten aneinander gereiht. Es muss scheiße klingen…

Florentin: [lacht leise]

Stefan: …aber es müssen alle zwölf… …Halbtöne, die es auf… …die es da gibt… …auf Keyboards zum Beispiel… …müssen darin vorkommen. [lachend] Und dann habe ich einfach mich Zuhause an das Keyboard gesetzt und habe einfach jeden Ton irgendwie…

Florentin: [lacht]

Stefan: …untergebracht – und es gab eine „1+“. Es gab eine „1+“…

Florentin: [lacht lauter]

Stefan: …und einen… ..und einen Smiley – und dann stand: „Sehr gut, Stefan!“ [lacht]

Florentin: Ja, das ist das Gute…

Stefan: [gleichzeitig] [unverständlich] …modern…

Florentin: …an dieser modernen post-post-ideologischen Musik, dass man halt einfach…

Stefan: [lacht] [gleichzeitig] [unverständlich]

Florentin: …nicht [unverständlich] bewerten kann, weil alles scheiße klingt! [schmunzelnd] Deswegen: „Ja, gut!“

Stefan: Es war das hässlichste….

Florentin: [unverständlich, vermutlich:] „Klingt gut!“

Stefan: …Lied der Welt. Es war das hässlichste… …es war eine „1+“ mit… …wo dann sogar noch „Sehr gut, Stefan!“ dran stand.

Florentin: [nach einem ganz kurzen Moment des Schweigens] Bei uns hat unser Musiklehrer irgendwann komplett aufgegeben. Und hat uns einfach SingStar™…

Stefan: [lacht]

Florentin: …spielen lassen…

Stefan: [lachend] Was?

Florentin: …und hat uns Noten… …hat uns Noten [mit kurz überschlagender Stimme] – kein Witz… …hat uns Noten nach den Punkten bei SingStar™ gegeben! Das war irgendwie…

Stefan: [lacht nachdrücklich]

Florentin: …zehnte, elfte Klasse oder so, wo man eigentlich nicht mehr singt.

Stefan: [lacht]

Florentin: Knallhart: „Ja, hier ist die PlayStation, spielt SingStar™. Lied könnt ihr euch selber aussuchen.“

Stefan: [lacht]

Florentin: [lacht heiser]

Stefan: [lachend] Nein, ey! Wo da am Ende auch dann diese Symbole standen…

Florentin: [gleichzeitig, unverständlich, vermutlich:] Nein, doch! Er hat sich…

Stefan: [gleichzeitig] …“Du bist ein… …Topstar!“ Oder du bist…

Florentin: Genau.

Stefan: …ein Sternchen…

Florentin: War eine „1“. Jaja.

Stefan: [nachdrücklich] Sternchen? „1“! [lacht]

Florentin: [zeitgleich] Genauso ist es… [unverständlich] …Sternchen oder so etwas… [rau und überraschend] Aaaaah! Aber da hat sich der andere… …weil es gab zwei Musiklehrer – und der eine war so der Slacker, dem alles scheißegal war. Aber auch ein total süßer Kerl. Und der andere war so der Hardcore-… …irgendwie selber komponiert hat und irgendwie in einem Chor in Japan gesungen hat…

Stefan: [lacht gickernd]

Florentin: …oder so… Und der hat sich dann immer über den Typen aufgeregt, der immer SingStar™ gespielt hat: [verstellt seine Stimme etwas] „Das hat doch mit Musik nichts zu tun!“ Und hier und da, aber im Endef…

Stefan: [lacht leise]

Florentin: …Endeffekt hat wahrscheinlich auch der… …der… …der Rektor gesagt: [am Ende des Satzes lachend] „Kollege, das ist Musik!“ [gleichzeitig mit Stefan lachend] Das interessiert halt keine Sau [unverständlich]…

Stefan: Bei uns immer… …bei uns war… …wir hatten einen sehr… …sehr gepflegten Musikraum, wo immer auch… [kichert] …sehr viele Kabel waren, für die Keyboards und so… Und irgendwie sind andauernd Kabel verschwunden. Also, es haben… …es haben Schüler wirklich Kabel geklaut und so [lacht]… …und… …einer hat mal versucht, wirklich einen Verstärker… [lachend] …einen Gitarrenverstärker mitgehen zu lassen…

Florentin: [lacht laut]

Stefan: …was dann sehr blöd aussah. Der hat dann [lacht]… …der hat dann wirklich unter seinem Pullover halt einen [lachend]… …so… …so einen Riesen-Gitarrenverstärker nach draußen…

Florentin: [unterbrechend] Das kann man aber auch einfacher [unverständlich]…

Stefan: …ja, hätte man auch einfacher machen können, genau. Aber das war [lacht]… …es sind immer Kabel verschwunden und irgendwann haben dann die Lehrer eingeführt, dass man seinen Schlüssel abgeben musste – oder sein Handy, um mal so ein Kabel zu bekommen [lacht]… …um dann Keyboard spielen zu können, also so Kopfhörer oder so… …keine Ahnung… …weil… …weil halt so viel gest… …geklaut wurde. [genuschelt] Und wenn man dann den Kopfhörer wieder abgegeben hat, [lachend] hat man sein Handy wiederbekommen und konnte dann gehen [lacht].

Florentin: [nach einer kurzen Denkpause] Aber Dinge aus der Schule zu klauen ist mir noch nie gekommen, ehrlich gesagt. In der Uni tatsächlich… …da waren teilweise auch in komplett leeren Vorlesungssälen, zwischen Vorlesungen, die einfach… …stundenlang leerstanden, waren so superkrasse Mikrofone, die man einfach so hätte mitnehmen können – und Boxen und alles… …wo ich mich echt gefragt habe, warum das nie jemand klaut, aber…

Stefan: …macht dann nicht, ne?

Florentin: Ja, Philosophie-Fakultät, ne? Die sind alle moralisch gefestigt.

(…)

Die musikwissenschaftliche Analyse: Stefan hat selbstverständlich recht. Das oberste Gesetz der Zwölftonmusik heißt (wie schon Theodor W. Adorno gediegen formulierte): „Klinge scheiße!“ – wiewohl Stefan sich in seinem Zwölftontechnik-Erklärungsversuch selbst widerspricht. Zunächst redet er von „willkürlichen“ Tönen (so kann es einem beim ersten Hören von dodekaphonischer Musik ja durchaus vorkommen), um dann schließlich – nicht unrichtig – von den zwölf Halbtönen (die, das wäre zu ergänzen, in einem gleichberechtigen Verhältnis in dem Sinne zueinander stehen sollen, als dass auf Tonwiederholungen, Harmonie-Bildungen, gehäufte „tonale“ Intervalle und harmonieähnliche Konstellationen verzichtet werden möge) zu sprechen, die er – nehmen wir es nicht übel! – auf einem Keyboard gespielt habe.

Doch: Moderne Hurz-Pling-Plong-Frrrrrrrtz-Willkür oder hehre Zwölfton-Ordnung? Herr Titze, bitte entscheiden Sie sich!

Im Grunde ist die von Stefan rausgekramte Anekdote jedoch weit weniger witzig als es zunächst scheint. Eine strenge Zwölftonkomposition als Hausaufgabe oder Klausur korrekt zu erledigen, erfordert lediglich Notenkenntnis und eben die Kenntnis der strengstmöglich formulierten Zwölftonregeln. Darin ähnelt es einer mathematischen Aufgabe des kleinen Einmaleins. Das wiederum ist – in der Tat – zum Lachen. (Zum Weinen dagegen, dass viele Musikleistungskurs-Schüler Schwierigkeiten mit dem Notenlesen haben. Dagegen würde niemals toleriert werden, sollte ein Abiturient in Mathematik Probleme beim Erkennen von Zahlen offenbaren.)

Weiter in der Analyse des Gesagten: Ja, viele Musiklehrer scheinen wirklich aufgegeben zu haben. Wurden sie schon früher an der Musikhochschule von den angehenden Solisten der Hochschule gemobbt und lassen nun den Frust an ihren Schülern aus? Oder haben die weich-eirigen Konzertveranstalter hierzulande mit ihren saudummen, selbstgefälligen und nur zur Beruhigung und eierschaukligen Bespaßung von Papa und Opa inszenierten „Zauberflöten-für-Kinder“- und „Kinder-probieren-nach-dem-Konzert-Instrumente-aus“-Projekten Schuld an der Misere?

Nun, ein weites Feld. Meiner Meinung nach gibt es jedenfalls bei keinem anderen Schulfach derart große Qualitätsunterschiede als im Unterrichten von Musik. Es gibt fast kein Mittelmaß, sondern nur die, die aufgegeben haben – oder die, die, sagen wir es mit Stefan Titze, „in einem Chor in Japan singen“ (was eine süße Formulierung aber nun auch absolut kein Qualitätsmerkmal für einen studierten Gymnasialmusiklehrer ist; jeder noch so unmusikalische Mensch kann es „in einen Chor in Japan“ schaffen; unzählige Laienchöre- und Orchester werden regelmäßig von japanischen Konzertveranstaltern eingeladen, in den großen Hallen dort zu spielen; dabei ist es wichtig, aus Deutschland, dem Land von Bach, Beethoven und Brahms, zu kommen; egal, wie es letztlich klingt… Dort hört eh keiner wirklich zu; man erledigt während des Konzerts gerne noch laut telefonierend Bankgeschäfte am Smartphone…).

Auf die Anekdote von Stefan hin begeht Florentin den Fehler, von den Vorzügen (nämlich denen der musikalischen „Das-kann-ja-jeder!“-Willkür) „post-post-ideologischer Musik“ zu sprechen. Das ist irgendwie sogar nicht ganz falsch, aber in „post“- oder gar „post-post“-Begriffen wurde zur Zeit der Entwicklung der Zwölftonmusik noch nicht gedacht. Im Übrigen kann man die Zwölftontechnik einerseits tatsächlich (siehe Adorno und so) – das „post-post“ weglassend – „ideologisch“ nennen; andererseits ist diese ja der Versuch, von der „Ideologie des Schönklangs“ (Tonalität) loszukommen – aber eben als neue Ideologie, die – typisch Ideologie – Einiges „verbietet“. Nun denn. Reicht jetzt auch. Ich muss noch einkaufen.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

Eine Antwort

  1. Hat Jarecht sagt:

    So siehts aues. Danke und schönen Einkauf!