Aus dem Leben eines Komponasten (4)
Samstag, 8.7.2017
Liederabend in Botho Strauß-Country, der Uckermark, auch als „Country for old men“ bekannt. Botho Strauß und seine geliebten Biber traf ich nicht, aber lustige Bewohner dieses Landstriches. In dem von Menschem normalerweise gottverlassenen Ort Gramzow (ältestes Dorf der Uckermark!) entdeckten wir ein 1. Weltkriegs-Kriegerdenkmal, auf dem sehr gesittete Menschen ein höfliches Picknick abhielten, sicherlich nicht mit der Absicht, eine Sauerei zu veranstalten oder gar zu hinterlassen. Von einer resoluten Dame des Ortes wurden sie schnell darauf hingewiesen, dass sie das nicht dürften, sondern doch bitte woanders hingehen sollen. Und wir – gerade angekommen – wurden darauf hingewiesen, dass unser Auto dort nicht stehen dürfe, denn das „ginge ja gar nicht“. Man muss sich dazu vorstellen, dass rund um dieses Kriegerdenkmal ein vollkommen leerer Platz war, übrigens auch vollkommen menschenleer, denn es ist auch nicht des Gramzowers Art, sich den ganzen Tag in der Hitze ehrfürchtig vor seinem Kriegerdenkmal aufzuhalten. Aber es ist des Gramzowers Art darüber zu wachen, dass sich niemand in der Nähe dieses wichtigen Denkmals aufhält oder gar einen Apfel darauf isst. Obwohl die seit einem Jahrhundert toten Krieger sicherlich nicht viel dagegen hätten. schließlich gibt es auch Leute die eisschleckend durch das Holocaustdenkmal in Berlin laufen.
Also: Auto umgeparkt und ab in die Garderobe im nahen evangelischen Gemeindezentrum, in dem es keinen Hotspot sondern einen „Godspot“ gibt (also eine direkte Internetverbindung zu Gott also – ich wusste gar nicht, dass die evangelische Kirche das besitzt) und wo wir sehr gastfreundlich bewirtet wurden. Schon wenige Minuten später erschien wieder die resolute Gramzowerin: „Jetzt haben Sie ihr Auto schon wieder falsch geparkt, ich habe Ihnen doch gesagt: Nicht neben der Mauer der Feuerwehrausfahrt! Dafür habe ich Zeugen!“. Bevor es darob zu einer polizeilichen Anzeige kommen konnte, parkte mein Bariton Peter Schöne das Auto lieber erneut um. Und das obwohl links und rechts ca. 100 Meter Platz bei der Feuerwehrausfahrt waren, denn es handelt sich bei Gramzow keineswegs um dicht besiedeltes Gebiet, in dem man leicht mal eine Ausfahrt versperrt. Eher muss man Häuser suchen, die vielleicht eine Ausfahrt haben könnten, geschweige denn überhaupt irgendwelche Bewohner.
Die Pointe der Geschichte: Etwas später, während unserer Durchlaufprobe, gab es tatsächlich einen Feuerwehralarm, vermutlich weil Botho Strauß ausversehen seine Biberfellsammlung angezündet hatte. Das Feuerwehrauto wurde durch unser Auto allerdings nicht im Geringsten gestört, denn es nahm dann eine ganz andere Ausfahrt als die, die man hätte potentiell versperren können…
Montag, 10.7.2017
„Deutscher Dirigent Schuhenn wird neuer Rektor des Mo…“…Moment, „Schuhenn wird NICHT neuer Rektor des Mozarteums“. What? „Präsident für Musikhochschule Frankfurt gefun…“, nein, halt: „Präsident für Musikhochschule Frankfurt sagt ab“. ?????
Ach, dieser Rektorenreigen, es geht hin und her…Menschen bewerben sich (ein gar nicht kleiner Aufwand, eine solche Bewerbung) und treten ihre Stelle dann doch nicht an. In Frankfurt scheiterte es an den „Rahmenbedingungen“, in Salzburg an irgendetwas ganz Mysteriösem, das wir eh nie erfahren werden, denn die dortige Gemengelage nach dem Abgang von Siegfried Mauser ist so komplex, dass noch nicht einmal Macchiavelli – würde er noch leben – sie verstehen würde. „Rektor einer Musikhochschule“ scheint nicht mehr der Traumjob zu sein, der es einmal war, als alle Kinder als ihren Berufswunsch „Rektor einer Musikhochschule“ angaben, direkt nach „Astronaut“ oder „Zugführer“.
Da das Absagen solcher Posten nun in Mode zu kommen scheint, sage ich auch schon Mal prophylaktisch und für alle kommenden Zeiten jegliche mir angebotenen Rektoren-Präsidenten-oder-wie-auch-immer-die-heißen-Posten ab. Das spart uns allen viel Zeit und sinnlose Pressemeldungen, wenn man sich auf irgendeinen Rektoren freut, der dann doch nicht kommt.
Dienstag 11.7.2017
Gerade schreibe ich fleißig an den letzten Nummern meiner neuen „Oper“, „La BettleroperA“ (nach Gay/Pepusch), für die Neuköllner Oper, eine Kooperation mit Balletto Civile, einer spannenden Tanztheatertruppe aus Mailand. Es ergibt sich allerdings ein Problem, und das hat mit den verschobenen Ferien zwischen Berlin, Mailand und Bayern zu tun. In München sind nämlich keineswegs Ferien, sondern wir waren die letzten Wochen im vollen Hochschul-bzw. Schulbetrieb. Das wiederum bedeutet, dass ich auch im normalen Arbeitsmodus bin, denn der Sommer ist für vielerlei Konzertreisen bzw. meinen Urlaub reserviert. Ich muss das Stück also in den nächsten Tagen abschließen. Die letzten Wochen waren aber wiederum Freienzeit in Italien bzw. Berlin, Balletto Civile ist auf Tour und kann sich erst dann meine Arbeiten anschauen, wenn wiederum ich wieder auf Reisen bin. Kurzum: während ich fast fertig mit dem Stück bin, fangen die anderen gerade erst an, daran zu arbeiten. Ich komponiere (und texte) also quasi vollkommen ins Blaue hinein, ohne zu wissen, wie mit den Liedern (die Oper besteht größtenteils aus Songs) dann gearbeitet wird. Das Libretto ist ebenfalls noch nicht fertig, meine Lieder (deren Texte unabhängig vom Libretto sind) werden irgendwo in dem Ablauf auftauchen, es ist noch nicht sicher wo. Ebenso gibt es Tanznummern, deren genaue Anforderungen ich weder kenne noch erahnen kann, daher „biete ich einfach Mal was an“, wie man in unserem Metier sagt.
Kurzum: der ganz normale Wahnsinn einer Musiktheaterproduktion. Am Ende wird hoffentlich dann doch alles gut. Ein kleiner Vorgeschmack auf die Musik:
Mittwoch 12.7.2017
Nach langer Zeit war ich Mal wieder auf einer Weinprobe, von Österreichs „hippem“ Winzer Alwin Jurtschitsch persönlich präsentiert. Beim Anhören seiner sehr interessanten Ausführungen (Verzicht auf Pestizide, Experimente mit Flaschengärungen, unterschiedlichen Rebentypen, etc.) fiel mir wieder einmal auf, dass es in der Branche Wein, Spirituosen, Bier, aber ebenso auch bei der Zubereitung von Speisen oder dem Bewusstsein gegenüber den Inhaltstoffen etc. einen zunehmenden Grad der Verfeinerung gibt. Man bemüht sich um immer subtilere und ungewöhnlichere Vorgehensweisen bei der Produktion, scheut keinen Aufwand um neue Qualitätsgrade zu erreichen und ergeht sich an Nuancen. Manchmal denke ich mir, dass dieser gesellschaftliche Trend auch eine Chance für Neue Musik sein könnte – denn handelt es sich bei unserer Musik nicht auch um eine Art „Craft“-Musik (parallel zur „Craft-Bier“-Bewegung), die große handwerkliche Hingabe und Aufwand bei der Herstellung bedeutet? Wer in ein Neue-Musik-Konzert geht, bekommt nicht Musik „von der Stange“, sondern ein ganz besonders liebevolles und aufwändiges Produkt, zumindest wenn alles gut läuft und man die Leute nicht mit Insider-Einstiegshürden abschreckt. Ich sehe durchaus Chancen für eine solche „Craft-Musik“, maßgeschneiderte Klänge für Menschen, die Subtilitäten und feine Nuancen zu schätzen wissen. Ach, ich wäre gerne PR-Berater. Oder lieber auch nicht.
Geheimtipp: Pet Nat-Weine von Jurtschitsch und Arndorfer
Donnerstag
Nur wenigen Menschen ist es vergönnt, schon zu Lebzeiten Hauptfiguren eines Theaterstücks zu werden. Diese Ehre wird nun erstaunlicherweise Siegfried Mauser zuteil, dessen Fall nach wie vor die Gemüter erregt:
Nun kommt man bei dem Wort „Reenactment“ schon ein wenig darüber ins Grübeln, was hier so alles nachgespielt werden soll, denn nicht alles wäre ganz jugendfrei. Anscheinend scheint sich das Stück allerdings mehr auf die Diskussion um den Fall zu beziehen, wobei da übrigens nicht von „Tellermienen“ sondern von „Tellerminen“ die Rede war (oder meinte Enzensberger vielleicht, dass Frauen manchmal besonders unheimliche flache Gesichter haben?). Wie auch immer – was kommt als nächstes? Opern, Filme, Bücher? Gibt es bald statt dem „Ring der Nibelungen“ „Das Ding mit den Befingerungen“?
Moritz Eggert
Komponist
„Kurt Masur entzaubert, der Fünfzehnte nach Bach entlarvt und alles an der HMT in Leipzig den Bachelor-Studenten um die Ohren hauen“, eine Selbstverlag-Broschüre (28 Seiten A5) von Roland Mey; in der Leipziger Lehmann-Buchhandlung (2. Etage) in der Grimmaischen Straße für 3, – € im Angebot. Mit den letzten Worten dieses Titels bewertete der Rektor der Leipziger HMT, Professor Martin Kürschner, am 23.02.2016 gegenüber dem Autor die Broschüre und lehnte die Aufnahme in die Hochschulbibliothek ab. In der Österreichischen Musikzeitschrift ÖMZ 3/2016 wurde ein Kapitel „Kurt Masur – Dirigent und Revolutionär?“ aus der o. g. Broschüre unmittelbar nachdem es der Rektor „den Bachelor-Studenten um die Ohren hauen wollte“ in Wien veröffentlicht. Mehr dazu im Internet unter: https://www.nmz.de/kiz/nachrichten/martin-kuerschner-als-neuer-rektor-der-hochschule-fuer-musik-und-theater-leipzig-gew
Von Musikhochschul-Rektoren kann ich „ein Liedchen singen“. Die peinlichen Libretti schreiben diese Rektoren selbst und merken dabei nicht, dass die entstandenen Paradoxien für einen „öffentlichen Abgesang“ ideal geeinget sind. Den Librettisten des Textes „den Bachelor-Studenten um die Ohren hauen“ habe ich bezogen auf sein Forschungsgebiet „Machen Tiere Musik?“ im Rahmen einer Fußnote darauf hingewiesen; dass dabei Variationen der Katzenmusik von Moritz von Schwind unter Berücksichtigung der jeweiligen Mäusepopulation durchkomponiert werden sollten.
Aber nicht nur der Leipziger Rektor macht mir Sorgen. An der Hochschule für Musik (HfM) FRANZ LISZT in Weimar ist der Rektor ein Präsident, der während seiner 1. Amtszeit zweimal öffentlich zum Rücktritt aufgefordert wurde (Thüringer Landeszeitung vom 20.01.2016 und vom 16.02.2016). Unmittelbar danach hat er seine 2. Amtszeit angetreten und wird nun im Osten als westsozialisierter Professor endlich Farbe bekennen müssen und auch viel Arbeit bekommen. Während seiner 1. Amtszeit hatte er nämlich große Mengen Dreck unter die Teppiche der HfM gekehrt, die sich dort nicht in Wohlgefallen aufgelöst haben und jetzt zutage gefördert wurden.
Im Buch (ab Dezember 2017 im Buchhandel) „Defekte einer Hochschulchronik – Die Musikhochschule FRANZ LISZT Weimar – Eine Aufarbeitung“ können Sie lesen …
…im Geleitwort des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin: „Dank des unermüdlichen Engagements der schon zu DDR-Zeiten querköpfigen Verfasser dieser Dokumentation, bleibt die DDR-Vergangenheit der Weimarer Musikhochschule virulent. Wer seinen Dreck unter den Teppich kehrt, sollte bedenken, dass er sich dort nicht in Wohlgefallen auflöst. Günter Knoblauch und Roland Mey bringen das jetzt zutage.“
… warum die Hochschule 1989/90 nicht in der Lage war, sich selbst zu erneuern, und der letzte SED-Rektor plötzlich vor der eigenen SED-Vergangenheit ausgerissen ist.
… warum der vom Senat nach der deutschen Wiedervereinigung wiedergewählte gewendete SED-Rektor eine Studentin exmatrikuliert hatte: Ihr Zimmer war im Fenster für alle sichtbar zur „Atomwaffenfreien Zone“ erklärt.
… wie ein fachunkundiger SED-Professor eine fachkundig erteilte Note 1 korrigierte und ein Diplomzeugnis verschwand.
… wie ein „Belve“ mit seiner Geige aus einem Schloss in eine Schlosserei umgesetzt wurde.
… wie die politische Hölle mit dem Cello umgangen und später trotzdem „Musik für Himmel und Hölle“ gemacht werden konnte. Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, dann klicken Sie bitte hier:
https://www.zeitzeugen-portal.de/personen/zeitzeuge/roland_mey/videos/WxKJB418lL4
… wie die „Knödel“ in die Kehlen der Sänger kamen und eine Gesangsstunde durch die verschlossene Tür auf Band aufgenommen wurde.
… wie ein Pfuscher einen Star-Dirigenten über eine Klavier-Konzertlänge attackieren und ein Könner die erste Kakophonie verhindern konnte.
… warum das Buch „Zukunft Musik – Eine Geschichte der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar“ von Wolfram Huschke ein historiographisches Ärgernis ist und neu geschrieben werden muss,
… wie heute der Präsident der Hochschule bezüglich einer wiederholten Falschbehauptung einerseits fundamental widerlegt und andererseits durch das übergeordnete Ministerium bestärkt wird.
… dass das Geflecht westdeutsch sozialisierter Führungskräfte mit ehemaligen Kollaborateuren der SED-Diktatur eine ordentliche Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit bisher nicht zugelassen hat
u. v. a. m.
Berge an „Auf-Arbeit“ hat der Christoph Stölzl jetzt in Weimar vor sich!
Und die Leserinnen und Leser in Weimar und ganz Thüringen?
Bleiben wir in der Sprache der Musik: Wenn Sie in der DDR weder als Blockflötist (Mitglied einer SED-Blockpartei) noch als SEDist mitgespielt haben, dann können Sie von mir für dieses Buch (10,- €) eine bittere „Erbauungsgarantie“ erhalten.
Roland Mey, Leipzig 2017