Klangbesäufnis in Neufundland Teil 3: Hafensymphonien

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Während des Sound Symposiums ist es ein festes Ritual: jeden Tag um 12:30 hallen laute Töne vom Hafen her, mal laut, mal leise, mal kläglich missglückend, mal gelungen, mal schnell, mal langsam.

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Es ist wieder Zeit für eine „Harbour Symphony“- einer Symphonie für Schiffshörner, einer Kompositionsform die vom Sound Symposium-Begründer Don Wherry ins Leben gerufen wurde und die anders als ähnliche Aktivitäten an anderen Orten inzwischen zu einer festen Tradition geworden ist. Tatsächlich werden die Besucher des Sound Symposiums geradezu dazu aufgefordert, Harbour Symphonies zu schreiben, die dann auch sofort aufgeführt werden.

Don Wherry, Begründer des Sound Symposiums

Don Wherry, Begründer des Sound Symposiums

Hierzu hat sich der langjährige Betreuer der Symphonien, Delf Hohmann, ein einfaches Notationssystem ausgedacht – man komponiert auf vorgefertigten Blättern, auf denen Zeitdauern und Impulsabfolgen eingetragen werden – selbst ein Nichtmusiker kann hier schnell zum Komponisten werden. Oder man probiert es mit gewöhnlichen Noten oder anderen Notationsformen.

Eine typische Hafensymphonie

Eine typische Hafensymphonie

Entstanden sind die Harbour-Symphonies aus der Tatsache, dass es sich beim Hafen von St. John’s um eine große geschlossene Bucht mit hohen Felsen drumherum handelt, die geradezu ideal für die akustische Verstärkung von Tönen sind. Zu jeder Zeit sind immer ein paar Schiffe im Hafen, und durch gute Kontakte zum „Harbour Master“ werden diese einfach um 12:30 mit Musikern bestückt, die die unterschiedlichen Schiffshörner bedienen. Hierbei gibt es riesige Unterschiede, was Klangqualität oder Repetitionsverlässlichkeit der Hörner angeht. Ein alter russischer Frachter bringt vielleicht nur ein klägliches Quieken zustande, während der Luxuscruiser einem die Ohren zudröhnt. Ein weiteres Problem ist, dass man nie genau weiß, wie viele Schiffe zu einem bestimmten Zeitpunkt im Hafen sein werden. Als ich selber vor 8 Jahren eine Hafensymphonie schrieb, benutzte ich 6 Stimmen, aber nur 2 Schiffe befanden sich später im Hafen. Keine Ahnung, was die GEMA in solchen Fällen macht, aber die Aufführung blieb auf jeden Fall unbefriedigend.

Immerhin kann man davon ausgehen, dass Tausende von Menschen das Stück dann hören können, denn man kann in St. John’s den Hafensymphonien kaum entgehen, so weit tragen hier die Klänge.
Delf Hohmann befindet sich gerade mit der Stadt Kiel in Verhandlungen über eine Hafensymphonie, wer weiß, vielleicht wird dies bald auch in Deutschland eine feste Einrichtung? Hunderte von Komponisten werden dann Hafensymphonien schreiben, und schließlich wird Johannes Kreidler das Ganze ad absurdum führen, in dem er jeden einzelnen Ton eines Schiffshorns einzeln bei der GEMA anmeldet und damit das System sprengt. Oder auch nicht.
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Moritz Eggert

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4 Antworten

  1. querstand sagt:

    @ eggy: Ich liebe Schiffshornkonzerte. Leider liegt nur Böhmen und nicht München am Meer. Hier gibt’s nur musikalische Flossfahrten, sofern man am Flaucher nicht derzeit von Vuvuzelas übertönt wird. Wobei ich mich da geograüphisch irre, denn am Flaucher ziehen nur illegale Rudeboote oder Grillrauchschwaden vorbei.

    Der wunderbare Kollege Christoph Reiserer wagte mal eine musikalische Flossfahrt. Man erzählte mir, dass Flötisten und andere Musiker und Sänger an den Ufern hinzumusizierten, so dass man wohl mitunter die langsamsten Dopplereffekte instrumentaler Natur auf uns’rer „Reissenden“ (=Isar) hören konnte. Ob es allerdings „a la Delf Hohmann“ notiert war, kann ich nicht sagen. Aber ob sowas mehr als verbal-kompositorische genaue Angabe oder „nur“ als Improvisationsvorschrift aufgeschrieben wird, irgendwie ist es doch immer ähnlich, gleich dem Fussball: es fasziniert vor allem „die Weite des Raumes“…

    Ich träume immer noch vom Spektral-Brutismus: zwei um einen Halbton verstimmte Abrissschlagbohrerbagger sezieren genau vorgeschrieben das Haus, in dem zuvor ein leisestes Quartett gegeben worden ist, das leiser als das Streicheln der eigenen Körperhaare wispert. Wem da nicht die Haare am Ende förmlich zu Berge stehen.

    Sich auf Lusis mit Tosca und „Dschonas“, nein nicht der Sir Peter Jonas (der bestand auf „Jonas“), sd. Dschonas Jonas Kaufmann freuend (analog zum Münchner „Platschido“ für Placido Domingo)… oder ist mir die Freude vergällt, dass hier und heute der aus Dresden abgekündigte Luisi am Pult stehen wird, wie an der Staatsoper gerade Nagano mehr oder minder ähnlich ausgebootet wurde? Beide setzten ja immerhin auch Akzente für Zeitgenössisches an ihren Häusern, in Dresden eine Fortsetzung erahnbar ist (wirklich?!), in München aber Alles offen? Auch wenn Eötvös in dieser Spielzeit nicht gerade der Renner war, so scheint hier doch das Neue nicht ganz zu verschwinden, auch wenn 2010/11 ausser dem Saint Francois von Messiaen nichts grösseres Uraufzuführendes erkennbar ist. Oder wird das Neue nur noch aus „Mini-Cabrio-Pavillons“ bestehen?

    Kurz vor der richtigen „execution“, nach dem Motto „public viewing“=“Leichenschau“, also ist das öffentliche Fussball schauen heute abend für den einen oder anderen eine Exekution, – in Tosca gibt’s immerhin eine echte Scheinexekution und die echte im „Backstage“ – aus dem Ohrenirrenhaus,

    Frl. Strauch

  2. Erik Janson sagt:

    Dann lieber Vuvuzela-Konzerte, aber die sind ja nun auch
    plötzlich jäh verstummt…

  3. Erik Janson sagt:

    Nachtrag zu querstand:

    Wie wäre es mit Messiaen auf Vuvuzelas intoniert?
    Und Placido singt dazu die spanische Hymnme.
    Oder wird es doch die Holländische…?

  4. Erik Janson sagt:

    @querstand:

    Wie wäre es mit Messiaen auf Vuvuzelas intoniert?
    Und Placido singt dazu die spanische Hymnme.
    Oder wird es doch die Holländische…?