Bericht aus Kapstadt

Eine vom widerwärtigsten – auf Nepotismus und Korruption beruhenden – Kapitalismus zweigeteilte Gesellschaft. Auf der einen Seite Slums, Armut, Kriminalität, auf der anderen Seite Prunk, dreiste Völlerei, Überfluss. Die Fußball-WM als Hoffnung. Und doch ist allen klar: nur die reichen Ausbeuter gehören zu den Gewinnern derartiger Riesenevents. Von ansteigenden Touristenzahlen haben immer nur diejenigen etwas, die ohnehin pekuniär profitieren, gibt es einmal schwarze Zahlen zu vermelden.

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Ja, ja, um die ruinierten westdeutschen Randzonen, insbesondere das Ruhrgebiet ist es nicht gut bestellt!

Aber es soll ja hier um meinen Kapstadt-Aufenthalt gehen.

Ich war privat da. Meine Freundin ist Stewardess bei Lufthansa, was das Reisen in alle Welt nicht nur finanziell, sondern auch servicequalitativ lukrativ macht. Obwohl ich für Flug und 5-Sterne-Hotel fast nichts zahle, werde ich von ihr persönlich, bei viel Beinfreiheit auf – allerdings sonst nicht sonderlich bequemen – „Jumpseats“ sitzend (der einzige Nachteil beim „Standby“-Fliegen mit Angehörigen oder Lebenspartnern von Flugbegleiterinnen), mit Essen aus der First Class versorgt. Ich lerne das ganze Stewardessenteam kennen. Sehr herzliche, interessante Menschen, mit denen zusammen ich in Kapstadt beruflich viele Gemeinsamkeiten feststelle: ungewöhnliche Arbeitszeiten (ich habe schon zu jeder Tages- und Nachtstunde live im Radio moderiert), Team- und Kommunikationsfähigkeit, Stressresistenz, Präsenz und das mit Wichtigste: bei einem ungewöhnlichen Vorkommnis ruhig bleiben, auf daß der Kunde (Fluggast / Radiohörer) davon möglichst nichts mitbekommt.
Beim Rückflug darf ich für eine Weile bei den sympathischen Captains vorne im Cockpit sitzen. („Wenn wir jetzt in die USA fliegen würden, dürften wir dir das nicht erlauben.“) Herrlich. Während wir über Tripolis – die Hauptstadt Libyens – fliegen, lästern die beiden – einer der drei schläft im Captains Rest Room – über Gaddafi. So muß es sein.

Dann darf ich wieder zurück in den Crew Rest Room und auf einem der Liegeplätze schlafen.

In den zwei vollen Tagen, die uns in Kapstadt zur Verfügung stehen, werden wir erst zum Kap der guten Hoffnung gefahren. Sehen Antilopen, Paviane und fast gar keine Touristen. Ist ja auch Dienstag. Ich fotografiere viel zu viel und genieße die Aussicht zu wenig.

Kappel - die Perle des Hochschwarzwaldes

Kappel - die Perle des Hochschwarzwaldes

Wie in Touristenkomödien müssen wir nach viel zu kurzer Zeit wieder in den Wagen steigen und werden von unserem Leader zu einer Pinguin-Kolonie gefahren.

Im Hintergrund ganz deutlich zu sehen: Pinguine!

Im Hintergrund ganz deutlich zu sehen: Pinguine!

Während dieser Zeit im Auto fällt einmal mehr der Lieblingssatz unseres Guides: „And it become very very popular!“ Diesen Satz wendet er auf alles an: beispielsweise darauf, daß sich europäische Touristen an den schönsten Ecken rund ums Kap Villen für vergleichsweise wenig Geld mit Blick auf das Meer kaufen, aber nur einmal im Jahr anreisen. Postkolonialistisches Verhalten, wenn man so will: profitieren, aber nicht abgeben. Wir halten uns an den Händen und säuseln leise mit: „And it become very very popular!“

Nur bei der Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel sieht man die Slums. Kleinste Hütten, notdürftig zusammengeflickt. Daneben ein Dorf, ein ehemaliges Slumgebiet, das aus kleinen, aber vergleichsweise feinen Häusern besteht. Ein Projekt Mandelas, das aber noch nicht ganz fertig ist. (Sonst würde es die „echten“ Slums ja nicht mehr geben.)
Im Gegensatz zu den Machern des into-Projekts, die der Öffentlichkeit verkaufen wollten (unter anderem ging es ja für vier Komponisten nach Johannesburg – eine im Vergleich zu Kapstadt wesentlich gefährlichere Stadt), Widmann, Goebbels und Co in exotische Problemstädte zu schicken habe etwas mit „urbanen Realitäten“ zu tun, ist mir klar: ich bin privat (und nur extrem kurz) hier, ich werde hier nicht gezwungenermaßen irgendeine Note zu Papier bringen und davon behaupten müssen, ich hätte hier irgendetwas vom Leben der Leute „eingefangen“, denn: uns wird hier eine rein touristische Show – fernab aller realer Mißstände, die der Perverskapitalismus zu verantworten hat – geboten. Zu mehr ist nicht Zeit, obwohl wir immerhin mit zwei, drei mehr oder weniger nichtprivilegierten Einheimischen reden können. Ansonsten empfehlen die Hotelangestellten vorsichtig, sich draußen nach Anbruch der Dunkelheit, wenn, dann nur taxifahrend fortzubewegen.

Also nutzen wir den hellichten Tag und fahren zur Waterfront, zum touristisch absolut vermarkteten Hafengebiet. Konsequenter-, dekadenterweise entscheiden wir uns da für eine „champaign tour“.

Der wunderschöne Tafelberg

Der wunderschöne Tafelberg

Winzersekt aus Kapstadt auf einem Segelboot, das sich bei dynamischem aber angenehmem Wellengang schön schräg in den Wind stellt. Die zwei anderen Passagiere trinken offenbar nicht, also schüttet unser Boatguide mir ständig nach. So ist es schön. Immer weg damit. Hält sich ja nicht!

Obwohl mir die nmz (nachdem ich schon für Flug und Hotel fast nichts blechen muß) jegliche Spesen und ein kräftiges Honorar zahlt, versäume ich es vorsätzlich, mir einen wirklichen Überblick über das (Neue-)Musikleben Kapstadts zu verschaffen. Hier eines der beiden sehr mageren Ergebnisse:

Gähn

Gähn

Südafrika ist wunderschön und voller herzlicher Menschen mit viel Humor. (Prompt musste ich einer Freundin absagen, als sie mich zwei Tage nach meiner Rückkehr zu einem Neue-Musik-Konzert in der Hamish Morrison Galerie mitnehmen wollte. Das hätte ich einfach nicht ausgehalten.)

Ende Januar bin ich in Maskat, der Hauptstadt des Oman. Mitte Februar dann bei Freunden auf Trinidad. Und natürlich werde ich auch davon nichts Musikalisches zu berichten haben. Jedenfalls nicht, wenn es da auch nur „It’s time to say goodbye“ auf „einheimischen Instrumenten“ nachgespielt gibt. Oder eben einmal im Jahr (oder so…) Orgelmusik, wie hier in Kapstadt:

"Music in the cathedrale" - wie es scheint: nur einmal im Jahr.

Music in the cathedrale - wie es scheint: nur einmal im Jahr.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

2 Antworten

  1. wechselstrom sagt:

    „…ist Stewardess bei Lufthansa, was das Reisen in alle Welt nicht nur finanziell, sondern auch servicequalitativ lukrativ macht….“

    Naaa, da näseln wir ja wieder sehr blasiert herum, und überhaupt die „servicequalitativen Bedingungen“ unseres heutigen Flugverkehrs – gaaaanz schrecklich – wenn man keine Freundin bei der Lufthansa hat, ist das gaaar nicht mehr auszuhalten.
    Die Beinfreiheit auf den „Jumpseats“ – naaa ja – HÄ! – sie wissen was ich meine – der einzige Nachteil, dass die so unbequem sind, wenn man der Lebenspartner einer Flugbegleiterin ist (zwinker, zwinker).
    Und die Pinguine hier in Kapstadt und der Tafelberg – gaaanz, gaaanz phantastisch – und der Höhepunkt: die champaign tour…
    (ööl, ööl, näsel, näsel)

    @ Lücker
    Wünsche Ihnen weiterhin eine angenehme Reise, genießen Sie die Welt und: bitte, bitte, komponieren Sie keine Note mehr, sondern stiften Sie ihr noch vorhandenes, unbeschriebenes Notenpapier den Musikstudenten in Kapstadt, Oman oder Trinidad.

    Gute Reise!
    – wechselstrom –

    • eggy sagt:

      Na, wechselstrom, ist Dir bei mir die Luft ausgegangen und Du musst jetzt Arno als punching bag für Deine Frustrationen benutzen?
      Komm, noch mehr Galle rauslassen, bald ist es gut und Dein Blutdruck fällt wieder.
      Dein
      Bad Boy