Alexey Tikhomirov & Currentzis: vor SWR-Sinfonieorchester Auftritt in Russland mit Babi Jar im September 2023 angekündigt
Bis heute gibt es keine Änderungen Bass-Solist-Besetzung der SWR-Sinfonieorchester September-Tour durch Stuttgart, Freiburg, Mannheim und in der Elbphilharmonie Hamburg. Momentan ist Alexey Tikhomirov angekündigt, der einen Tag nach dem für wohl hunderte Geflüchtete tödlichen Bombardement des Drama Theaters Mariupol ein Russlandfähnchen in seine Instagram- und Facebook-Profile stellte, der im Mai 2023 mit dem St. Georgsband im russischen TV wenige Meter vom Kreml in der Zaryadye Halle auftrat – das Band gilt Zeichen der Zustimmung zu Russlands aggressiver, militärischer Aussenpolitik – , der wohl einer Frau in Tartarstan drohte, die beim FSB (Inlandsgeheimndienst) anzuschwärzen, da sie etwas gegen das Regime in sozialen Netzwerken likete. Nun stellt sich heraus, dass Teodor Currentzis und Musicaeterna mit Tikhomirov am 3. September 2023 in der MTC-Hall „Tinkoff-Arena“ in Sankt Petersburg auftreten wollen und entsprechend auf der Veranstaltungs- und Kartenverkaufsseite Yandex angekündigt sind. Auf der Musicaeterna-Seite fehlt noch der Namen Tikhomirov, wo zuletzt einiges selbst an hausgemachten Gastspielen in Perm fehlte.
Damit droht dem SWR-Sinfonieorchester mal wieder Kompagnon und Opfer von Currentzis’ Doppelverwertung von Programmen zu werden, die vor dem Krieg vielleicht Kooperationen/Gastspiele in Russland und Westeuropa gewesen wären, jetzt aber konsequent verheimlicht werden. Denn mit der Konzentration auf sein Utopia-Orchester annonciert Currentzis auf seiner Homepage nur noch Utopia-Termine, keine mit dem SWR, keine mit Musicaeterna und Musicaeterna verschwieg auf seiner Homepage sogar das früher einmal prestigereiche Auftreten im Rahmen des Diaghilev-Festivals Perm, nur auf VKontakte postete man etwas für eher rein russische Konsument:innen. In Perm dirigierte Currentzis mit Musicaeterna exakt das gleiche Retinsky-Uraufführungs- und Wagner-Tristan-und-Ring-ohne-Worte-Programm wir ganz zufällig nicht einmal vier Wochen zuvor mit dem SWR-Sinfonieorchester.
Nun umgekehrt: erst Auftritt mit dem wohl nationalistischen Bass Tikhomirov in Russland, dann Zweitverwertung des dann ganz auf Currentzis’ eingesungenen Basses mit Schostakowitschs Babi-Jar-Sinfonie in Deutschland? Ist es deshalb so schwierig, Tikhomirov dann nicht in Deutschland singen zu lassen, sondern gehört das zum Business-Plan des russischen und griechischen Dirigenten? Die SWR-Sinfonieorchester-Gesamtleitung, Frau Haane, betont immer wieder „nonverbale Botschaften“, ausgerechnet auch mit diesem Bass? Doch es scheint wohl immer v.a. Currentzis um das Geschäft zu gehen: statt seinen Laden in Russland im status quo mit zwei Ensembles durch den Krieg zu bekommen, gründet er mitten im Krieg zwei neue Sparten Tanz und Volksmusik, unter dem Dach des von der sanktionierten VTB-Bank gesponserten Dom Radio in St. Petersburg. Für Utopia gewann er keine in der Mitte der Gesellschaft agierende Kulturstiftung, er gewann dafür die Mateschitz-Stiftung, die zuvor Addendum finanzierte, eine Plattform, der man ultrarechtspopulistische Ausrichtung in Österreich vorwarf. Er ging Deals mit Gazprom und Rosatom ein, er hat in Perm die sanktionierte SBERBANK mit im Boot, SIBUR, dessen Ex-CEO die EU sanktionierte und dabei den nicht-sanktionierten Oligarchen Mikhelson und SIBUR-Anteilseigner (mit dem sanktionierten Partner Gennadi Timchenko) einen „Handlanger Putins“ nannte (man ist wohl noch auf Kooperation mit dessen Gasimperium Novatek in der EU angewiesen).
Das Business mit dem SWR-Sinfonieorchester und den nicht transparent gemachten unmittelbaren Zweitverwertungen mit Retinsky im Mai/Juni und mit Tikhomirov im September stellen daher die Frage, wie transparent denn das SWR-Business von Chefdirigent Currentzis und der Gesamtleitung des Orchesters sind? Laut Crescendo-Newsletter von dieser Woche wartet man immer noch auf die Beantwortung von Presseanfragen – das ist ziemlich unüblich, das länger als sieben Tage warten zu lassen, gerade für ein gebührenfinanziertes Haus wie die Rundfunkanstalt SWR. Dass man überhaupt in diesen Zeiten des russischen Krieges gegen die Ukraine stillschweigend die Zweitverwertungen durch den Chefdirigenten exakt derselben Programme, einmal mit Retinsky zuerst durch Gebühren finanziert einen Auftrag an den Komponisten leistet, damit dann unter der Finanzierung sanktionierter Sponsoren das Werk in Russland zur Aufführung kommt. Und nun im September lässt man unter der Finanzierung sanktionierter Sponsoren Babi Jar mit Tikhomirov und Currentzis sowie Musicaeterna proben und aufführen, wechselt das Orchester und den Chor quasi aus und möchte seine Mikrofone und Kameras auf den dann mit Currentzis quasi wie im Schlaf singenden nationalistischen Bass Tikhomirov richten und profitiert natürlich von dieser Symbiose Dank der Vor-Finanzierung der Proben und Aufführungen durch sanktionierte Sponsoren?
Wobei Tikhomirov und weite Teile von Musicaeterna in ihrer nationalistisch-russischen Haltung übereinstimmen dürften. Dass Currentzis kein Problem damit hat, sich z.B. mit seinem nationalistischen Trompeter Kurdakov von Musicaeterna und Utopia (in 2022, in 2023 blieb er bisher daheim) in Perm 2023 posierend ablichten zu lassen, der 2014 z.B. sarkastisches von Lawrow gegen ukrainischen Protest gegen die russische Krim-Annexion teilte oder ausgerechnet Propaganda von Ken Jebsen gegen eine von nun niederländischen Gerichten erwiesene Schuld Russlands am Abschuss des malaysischen Flugzeugs über dem Donbass verbreitete oder just das Russlandfähnchen im Profil des Donbass-Song-Tenors von Musicaeterna einen Tag nach Kriegsbeginn likete. Eine auf klandestine PR mit dem Westen sehr gut zu vermittelnden Künstler:innen aus Russland fahren damit weder der SWR noch sein Chefdirigent. Stillschweigend akzeptiert man Zweitverwertungen Dank sanktionierter Sponsoren, man hält bis zum heutigen Tage vielleicht auch wegen dieser Zweitverwertung an wohl nationalistischen Gästen aus Russland fest? Oder hat der Chefdirigent vor lauter Utopia, Utopia, Utopia keine Zeit für die SWR-Sinfonieorchester-Gesamtleitung?
Komponist*in