Nonverbale SWR-& Currentzis Botschaften Pro-Ukraine mit Bass Alexey Tikhomirov in Elbphilharmonie?
Die letzten Tage fragten mich einige Leute, ob ich etwas von den SWR-Symphonieorchester-Auftritten im Herbst bzw. in der Saison 2023/24 mit Teodor Currentzis in der hamburgischen Elbphilharmonie wüsste. Bisher nichts! So blätterte ich mich durch die Online-Ankündigungen und das Netz. Und ich fiel vom Stuhl. Mein Kinn platschte in das morgendliche Müsli, so tief fiel mir die Kinnlade herab. Aber gemach. Gehen wir gemeinsam durch die Bilderwelten und Texte des World Wide Web.
Zuerst stieß ich auf das Konzert am 30. September 2023 mit u.a. Schostakowitschs 13. Sinfonie „Babi Jar“. Für ein anderes Werk ist da auch ein Viola-Solist angekündigt, aber noch nicht der Bass der zu Schostakowitschs Sinfonie. Bei der Frage nach dem Solisten erinnere ich mich an die Salzburger Festspiele 2022, die auch diese Sinfonie mit Teodor Currentzis als Dirigenten und dem Bass Dmitry Ulyanov aufführen ließen, der jetzt NICHT in Hamburg dabei sein wird, jener Bass, der mit Currentzis auf dessen 2022er Gazprom-Tour in Russland mit Musicaeterna auch die 14. Sinfonie Schostakowitschs aufgeführt hatte. Und der zu Kriegsbeginn ein merkwürdiges Statement veröffentlichte, dass zwar gegen den Angriffskrieg Russlands argumentierte, aber doch auch typische Kreml-Narrative enthielt, als habe Russland nicht 2014 den Krieg im Donbass angezettelt und als ob das fröhliche Mozart-Sohn Lviv Wien, Heldenplatz 1938 sei: „Krieg ist böse. von allen Seiten. Den Donbass acht Jahre lang zu bombardieren ist eine Katastrophe. Nazi-Märsche in Lviv anzuschauen ist eine Katastrophe. Kyiv zu bombardieren ist auch eine Katastrophe. Ich vermute, dass es keinen anderen Ausweg gab, aber das ist auch kein Ausweg. Wenn Menschen sterben – das ist inakzeptabel.“
Doch reisen wir weiter. Denn bevor der Solist für Hamburg genannt wird, spricht die Elbphilharmonie-Homepage wie folgt zu uns: „MUSIK ALS MAHNMAL. Sie gehört zu den erschütterndsten musikalischen Anklagen aller Verbrechen gegen die Menschlichkeit – Schostakowitschs 13. Sinfonie ‚Babi Jar‘, die das 1941 von den Nationalsozialisten verübte Massaker an ukrainischen Juden thematisiert. In seiner Funktion als Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters leitet der griechische Stardirigent Teodor Currentzis nun dieses Opus Magnum.“ Eigentlich ist es zu komplex das nun aufzudröseln. Ja, die Sinfonie ist ein musikalisches Denkmal für die durch deutsche Nazi-Truppen ermordeten jüdischen Ukrainer:innen. Ist es damit automatisch eine non-verbale Äußerung gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine? Schostakowitsch komponierte es als verbale Äußerung gegen Nazis. Putin behauptet, seit 2022 einen Krieg gegen die Ukraine führen zu müssen, um die demokratisch gewählte Regierung mit einem jüdischen Präsidenten zu „De-Nazifizieren“ und bombardierte 2022 auch die Babi Jar Gedenkstätte. Daher ist es schon etwas weit hergeholt unter diesen Vorzeichen diese Sinfonie Schostawitschs unbedingt als „non-verbale“ Äußerung aufzufassen, wie es wohl durch die SWR-Symphonieorchester-Gesamtleitung aufgefasst wird. Aber gehen wir weiter.
Jetzt sehen wir endlich den Namen des Bass-Solisten: Алексей Тихомиров, in lateinischen Lettern Alexey Tikhomirov. Nun, seit November 2022 musste ich schmerzlich erfahren, dass Teodor Currentzis in seiner Musicaeterna Mitglieder hatte, die populistische und nationalistische Dinge von sich gaben, gar Songs für die russischen Truppen im Donbass verfassten. Einer der Tenöre ist nun nicht mehr dabei, der andere, der das laut dem Ex-Tenor mixte, ist noch dabei, genauso etliche Leute, die Z-Propaganda dieses Ex-Tenors toll finden oder andere Propaganda von sich gaben. Mit dieser Erfahrung und dem Wissen um das Statement des Salzburger Aufführungs-Basses begab ich mich auf weitere Pfade.
Zuerst stieß ich auf das Instagram-Profil von Alexey Tikhomirov, mit einem freundlichen Foto des Basses aus dem Jahre 2018. Schön. Dann scrollte ich dort weiter nach oben.
Hier fand ich das Bild, als Profilbild, mit einer russischen Flagge im unteren Teil versehen, wie Viele es derzeit mit der ukrainischen Flagge als Zeichen der Solidarität mit dem durch Russland überfallenen Land tun. Somit könnte die Flagge ein Zeichen der Solidarität mit dem Agressor Russland sein? Der o.g. Ex-Tenor von Musicaeterna postete seine Flagge im Facebook-Profil gleich am 23. Februar 2022, einen Tag nach dem Beginn des Überfallkrieges. So zog ich weiter zum Facebook-Profil des Basses Alexey Tikhomirov.
Hier fand ich tatsächlich wieder das gleiche Bild, mit der russischen Fahne versehen. Das hatte er am 17. März 2022 nach der Facebook-Datumsangabe so gepostet. An dem Tag, an dem allen klar sein durfte, dass am Vortag das Dramatheater Mariupol mit vielen, vielen Geflüchteten darin durch Russland in Schutt und Asche bombardiert worden war und die Leben vieler, vieler Geflüchteter dadurch beendet worden waren.
Also ein schlechter Zeitpunkt, um da ausgerechnet seine Solidarität mit Russland auszudrücken. Wohlgemerkt: nicht mit der an diesen Tagen durch dieses Russland so vernichtend betroffenen Ukraine. Die vielen Kommentare erfolgten wohl aufgrund einer Geburtstagsmeldung von Facebook im August 2022, obwohl Tikhomirov wohl schon im Juli Geburtstag hatte. Er selber äußert sich dort, dass er eher selten auf Facebook unterwegs sei. Definitiv aber postete er seine Russland-Flagge im Profilbild am Tag nach der Zerstörung des Mariuopoler Theaters als Zufluchtsort für Geflüchtete Ukrainer:innen, was bei den spärlich aufzufindenden Äußerungen von ihm als non-verbale, aber bildlich-mimetische der russischen Aussenpolitik zustimmende Äußerung aufzufassen ist. Aber die Reise geht noch weiter.
Im Zuge der russischen Feierlichkeiten zum 9. Mai 2023 trat Alexey Tikhomirov in einer TV-Gala in der Moskauer Zaryadye-Hall auf, wo in Nationalfarben gekleidete Leute die Bühne russisch fluteten, wie in diesem VKontakte-Video zu sehen. Staatlich offiziell und prominenter erlesen und offizieller gehypet und der Propaganda ergeben geht es mit diesem Ort an diesem Tag eigentlich fast schon gar nicht. Er selbst trug an dem Tag auf der Bühne das St. Georgsband, das in der Ukraine verboten ist und allgemein als Ausdruck der Übereinstimmung mit Putins Militär und Aussenpolitik gilt, also auch mit dessen Angriffskrieg mit der Ukraine.
Nun stellt sich die Frage: ist das ein geeigneter Bass für ein Konzert als „Mahnmal“, das „als nonverbale Botschaften“ von Teodor Currentzis, der Nationalisten und Populisten in Musicaeterna weiterhin duldet, wie auch das für später angekündigten War Requiem durch die SWR-Symphonieorchester-Gesamtleitung dargestellt wird? Gar als Solidarität mit der Ukraine? Wer am Tag nach der Bombarierung des Dramatheaters Mariupol die russische Flagge ins Profil nimmt und am 9. Mai mit St. Georgsband auftritt, der ist dafür nicht eher nicht geeignet – oder liege ich da falsch?
Ich frage noch weiter: wer diesen Bass einlädt und programmiert, also die Intendanz des SWR-Symphonieorchesters wohl gemeinsam mit Teodor Currentzis, die weiß eigentlich, wen sie einlädt und was das für die angedachte „nonverbale Botschaft“ bedeutet? Täuscht das etwas vor, was es nicht sein kann? Wenn Herr Teodor Currentzis zudem diesen Bass kennt, sonst würde er ihn nicht engagieren und weiß, wie dieser eingestellt ist, so frage ich mich: ist dann Herr Teodor Currentzis auch nicht geeignet, mit einem westlichen, deutschen Radio-Symphonieorchester des öffentlich-rechtlichen Rundfunks solch ein Programm mit solch einem Bass in die Welt zu setzen? Dann ist es aber die Gesamtleitung des SWR-Symphonieorchesters auch nicht, frage ich mich obendrein? Ist es das Konzert dann überhaupt noch? Fragen über Fragen.
UPDATE (11.6.23): Herr Alexey Thikomirov scheint den Blog zu lesen. Jedenfalls hat er die letzten Tage sein Profilbild mit Russlandfahne in ein Boris-Godunov-Szenenbild ausgetauscht. Man kann sagen: wie in der Stalin-UdSSR kaschiert man mal schnell etwas, wenn es nicht passt. Was nicht passt: Wer mit St. Georgsschleife auftritt, wer diese Fahne in sein Profilbild nimmt, das öffentlich macht, dann für Auftritte im Westen das nach Kritik wieder herausnimmt, der führt uns hierzulande an der Nase herum, ist wohl nur auf die Gage und das Renommee des Auftritts aus, macht sich absichtlich harmloser als man zuvor vorgab. Warum steigt man überhaupt auf die Propaganda Putins ein, wenn man immer wieder im Westen auftrat und auftreten will? Es wäre ehrlicher, nur noch zwischen Tartastan, St. Peterburg, Moskau und Wladiwostok aufzutreten, wenn man überhaupt für notwendig hält, Putin-Propaganda zu unterstützen.
Komponist*in