BRSO braucht sehr wohl ein gut ausgestattetes Konzerthaus, aber auch nicht mehr

Die Diskussion um das Konzerthaus für das Sinfonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) geht nun in seine nächste Wahlkampf-Phase. Zur letzten Landtagswahl vor 4 Jahren sollte es erst per Weißwurstessen zwischen dem damaligen Ministerpräsident Horst Seehofer und dem Münchener Oberbürgermeister Dieter Reiter zu süßen Senf eingestampft werden. Dann rutschte es aus dem Fokus der Innenstadtlage ins Werksviertel am Ostbahnhof, analog inspiriert zur Randlage der neuen Pariser Philharmonie. Alle waren happy und Seehofers Nachfolger Söder verlor nicht all zu viele BR-Klassik Hörer:innen an andere Parteien. Dazu klebte ein Architekt einen Plastikzapfen auf einen Karton und man hatte das größte Glashaus der bayerischen Hemisphäre in Aussicht gestellt. Das Problem: „aufregende“ Architektur. In Sachen Akustik und Finanzierung nur Unbekanntes. Als Gegenstück nun die akustisch passable, nicht ganz geeignete, enge Isarphilharmonie, immerhin spottbillig.

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Jetzt ist im Gegensatz zum letzten Wahlkampf „Sparkurs“ en vogue, nachdem man am Anfang der Pandemie den „Keingeldkurs“ für die Kulturszene, insbesondere die Freie Szene gefahren ist und dann urplötzlich doch auch die Wahlklientel „Künstler:innen“ entdeckte und ihre nörgelnde Multiplikatoren-Eigenschaft mit dann ordentlich viel Geld neutralisieren konnte. Jetzt redet man davon, dass mit einem aufgeschobenem Konzerthaus-Projekt der Kunstszene noch mehr geholfen wäre. Autsch!

Auf der anderen Seite der Bayerische Rundfunk. Der fordert seit Jahren das neue Konzerthaus. Und wird wohl allein bei der Grundsteinlegung vielleicht einen Euro für die Grundsteinkapsel ausgeben statt die Spendeneinsammelbauchläden samt Werbetrommel sich umzuhängen. Dann haben wir Stars wie Anne Sophie Mutter, die von Wohnzimmer und Sofa in Bezug auf das Konzerthaus-Projekt spricht. Alles ein wenig nebulös und eher kein ermunterndes Zeichen, Söder ernsthaft zu widersprechen.

Die Lösung ist nun angeblich eine „modifizierte Isarphilharmonie“. Zugegeben: sie hätte die richtige Größe für das Publikum. Allerdings haben wir hier das Problem, dass die jetzt noch sehr brauchbare Ausstattung doch so wirkt, dass sie nach fünf Jahren ziemlich abgenutzt erscheinen wird. Auch der Charme der industriellen Vornutzung des Areals wird verfliegen, wenn zum hunderttausendsten Male jemand über alte Schienen gestolpert sein wird oder von den Rangplätzen durch die Drahtgitter auf das Podium geblickt haben wird.

Es bleibt zudem für das BRSO beengt, egal ob im Backstage des Herkulessaals oder in der Isarphilharmonie. Und die renovierte Philharmonie am Gasteig wird vorzugsweise Heimstätte der Münchener Philharmoniker sein. Wenn wir Glück haben, wird die neue Gasteig-Akustik dann auch für Mahler, Bruckner, Schönberg, Prokoffief und Co. wirklich geeignet sein. Denn die der Isarphilharmonie ist es nicht! Bei Fortissimo fängt es an akustisch verzerrt zu sein und erzeugt die im Forte einer großromantischen Riesenbesetzung einen Überdruck auf den Ohren, der durchaus unangenehm wirkt. Bis hin zu einem schlanken Brahms, nicht aufgemotzt bis zu 16 ersten Geigen, ist der Saal allerdings sehr fein.

Eine Modifizierung müsste daher auch die Akustik betreffen. Zugleich auch den Platz im Backstage -Bereich. Zwar würden dann Stadtbücherei und VHS auch wieder in den Gasteig zurückwandern und viel Platz für Umbauten frei. Neben der Vergrößerung der Akustik bräuchte es dann noch ein besseres Dämmungskonzept. Denn man hört doch auch ein LKW-Brummen, wenn einer in der Nähe seinen Motor laufen lässt wie zuletzt z.B. beim Auftritt von Manfred Honeck mit Bruckners Achter. Das mag für manchen den Charme eines Theatre des Champs-Elysees haben, wenn man die Metro rumpeln hört, nun denn. Und wenn die Landeshauptstadt ihren Interim-Gasteig wieder am Gasteig selbst hat, wird die jetzige Verdichtung der provisorischen Verkehrsanbindung in Teilen entfallen.

Das zeigt uns: auch eine modifizierte Isarphilharmonie ist nicht unbedingt der Idealfall, der er sein könnte. Der Saal begeistert akustisch, weil er ein Erleben bietet, das wir hier mit der Gasteig-Philharmonie bei „Brahms abwärts“ nicht hatten. Bei „Brahms aufwärts“ war die Gasteig-Philharmonie allerdings bei großen Besetzungen ohne Solo-Instrumente sehr gut, abgesehen von den Koordinationsproblemen auf dem Podium. Gasteig wie Werksviertel sind zudem im Gegensatz zur Isarphilharmonie hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und lassen die Hörerschaft aus den Landkreisen direkt mit der S-Bahn heimgondeln, derweil man jetzt erst einmal mit U-Bahnen via ca. fünf Stationen das Stadtzentrum erreichen muss, um dann heimreisen zu können. Man muß doch etliches mehr an Zeit investieren, um dort hinzukommen. Das kann man natürlich mit Shuttles lösen bzw. U-Bahn und Busse auch nach der Interimszeit verbessert beibehalten. Doch muss die Akustik und Beengtheit dauerhaft bereinigt werden, ein Nutzungskonzept her, das aber eben auch nach den örtlichen Gegebenheiten überhaupt möglich wäre. Das ist nicht ausgeschlossen, erfordert aber wirklich ernsthaften Willen, den dazu Staat und BR bisher nicht zeigen.

Wenn dann doch im Werksviertel ein Neubau erfolgen würde, sieht man an der Isarphilharmonie, wie günstig das Eigentliche, eine sehr gute Akustik für gewisse Koordinaten zu haben wäre. Wenn man auf alles Spektakuläre an Architektur verzichten würde, unnötige Experimente im Konzertsaal für das Publikum und schlicht auf eine „Schuhschachtel“ wie den Konzertverein in Wien oder in Luzern setzen würde, könnte man mit weniger Geld zurechtkommen. Vielleicht sollte man auch weitere Konzepte mit weiteren Sälen für weitere edukatorische Partner wie die Musikhochschule, die ja auch bei einer weiterbetriebenen Isarphilharmonie und einem neuen Gasteig sowieso mit dabei wäre, einfach sein lassen. Die Konzentration auf das Wesentliche: ein ordentlicher Konzertsaal für das BRSO. Nicht mehr, nicht weniger.

Es gilt also abzuwägen, ob und wie man die Isarphilharmonie wirklich dauerhaft für das BRSO und weitere Nutzer:innen anpassen kann. Wie man das mit dem Verkehr, dem Platzbedarf und der Akustik „verstetigt“. Wenn das nicht geht, dann wäre ein schlichter Neubau im Werksviertel tatsächlich eine sinnvolle und unbedingt notwendige Maßnahme. Es bleibt allerdings auch eine weitere Alternative: den Herkulessaal ertüchtigen und das Platzproblem dort angehen mit einem Auszug der Akademie der Wissenschaften, ein Neudenken von versenkten Räumen unter Parkplätzen oder Gartenanlagen: was den Parisern mit der Pyramide im Louvre gelang, könnte doch auch hier in Verbund von Denkmalschutz und Innovation gelingen. Man müßte nur wollen, das vielleicht auch gesetzlich anpassen, wenn es nicht anders geht. Denn Kultur ist kein Museum, Kultur ist immer auch Wandel. Hier: endlich ehrlich die Finanzierungen und Perspektiven auf den Tisch legen und nicht nur Weißwurstessenwahlkämpfe zu Landtags- oder Kommunalwahlen veranstalten sowie als BR genauso ehrlich die Finanzierung mit angehen. Oder das alte Gelände in der Innenstadt nicht weiter verscherbeln wollen, sondern dort den Konzertsaal im Verbund mit Spenden, Stadt und Staat neu errichten. Es ist zu vieles zu unehrlich oder sinnlos ambitioniert: Akustik ist wichtig, Fassadenschnickschnack ist Bullshit.

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