Fake-News-Kampagne der CSU gegen den Biergartenkulturantrag der Grünen – ein Kommentar

Fake-News-Kampagne der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag gegen einen Antrag der Grünen-Fraktion

Schade, dass am 2.7.20 die Grünen-Fraktion im Wirtschaftsaussschuss des Bayerischen Landtags ihrem Antrag für Musikveranstaltungen mit Jazz und Blasmusik sowie Kabarettveranstaltungen in Biergärten nicht durchdrang. Schade, dass die CSU Bayern nun eine Fake-News-Kampagne daraus macht. Gut, dass man daran das Kulturverständnis dieser Regierungspartei und ihres Regierungspartners Freie Wähler ablesen kann. Letztere haben das immerhin das für das „ON“ des Lebens mit Corona so wichtige Wirtschaftsministerium in ihrer Hand.

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Apropos in der Hand: Vor ein, oder sind es schon zwei Monate, schlug man sich noch angesichts des „lieber ein halbes Brathendl in der Hand als ein ganzes im Garten“ (oder so ähnlich) des Freie-Wähler-Parteichefs und Wirtschaftsministers Aiwanger auf die Schenkel. Jetzt langt man sich nur noch an die Stirn. Aber im Biergarten und Bierdunst, besonders im schwülen Juli, bekommt man all zu oft einiges durcheinander.

Die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag plärrt ihr „Fake-News“ auf Facebook so: „Wir stehen für Verantwortung statt für Fake News in schwierigen Zeiten: Die Behauptung der Grünen, die CSU-Fraktion habe gegen Blasmusik in Biergärten gestimmt, ist falsch! Richtig ist: Der Grünen-Antrag wurde abgelehnt, weil die Hauptforderung bereits erfüllt ist. Denn: Blasmusik in Biergärten ist in Bayern seit 15. Juni mit einem Mindestabstand von je 2 Metern zwischen den Musikanten und zum Publikum erlaubt. „Wir brauchen Vernunft und Verantwortung und keine Fake News — die unsere bayerische Bevölkerung verunsichern“, sagt Manfred Ländner, innenpolitischer Sprecher und im Ehrenamt Präsident des nordbayerischen Musikbundes. „Wir Blasmusiker pflegen Tradition in Verantwortung auch in Zeiten der Pandemie.“

Ja, man muss dem Blasmusikverband mit all seinen CSU-Landtagsmitgliedern zugute halten, dass überhaupt wieder Amateure üben und blasen dürfen. Ohne diese Vernetzung würde man vielleicht bis zum St. Nimmerleinstag warten müssen. Aber das da droben Zitierte ist eine Bierweinschorle. Oder hat eine Crux, die man im Herrgottswinkel einer Landgaststätte nicht versteht. Oder weil auf‘m Land der Unterschied zwischen Hintergundmusik und Musikveranstaltung keine Rolle spielt, wenn die Blasmusik aufspielt.

Der bayerische DEHOGA führt das deutlich in seinem Newsletter vom 24.06.2020 aus: „Steht der Verzehr von Speisen und Getränken im Vordergrund und stellt die künstlerische Darbietung eine Ergänzung dar (Hintergrundmusik)“. Dann kommen all die Regularien bzw. eine kleine, aber gewaltige Fiesimatente: „Die zahlenmäßige Beschränkung auf 100 Personen in geschlossenen Räumen und 200 Personen im Freien gilt hier nicht“, die sonst bei Kulturveranstaltungen gilt. Ganz deutlich dann am Ende: „Steht dagegen die künstlerische Darbietung im Vordergrund, liegt eine Veranstaltung vor, für die § 21 Abs. 2 BayIfSMV gilt und ergänzend die Vorgaben für Gastronomie zu beachten sind.“

Zum Mitschreiben oder auch zum Mitzuzeln: Ist die Blasmusik im Biergarten so laut wie beim BR-Fernsehen Alpenpanorama zum Frühstücken und Zähneputzen, dann ist alles Wurscht. Oder ist ein vorgetragener, kabarettistischer Seitenhieb so laut wie ein überhörtes Kind, wann‘s denn endlich aus dem Biergarten nach Hause geht, dann ist Alles in Butter. Ist die Musik so laut, der Wortbeitrag so verständlich, dass man nicht mehr miteinander zum Bier und Bierbratl reden kann, dürfen nur noch 200 Personen im Freien anwesend sein.

Fake-News-Kampagne der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag gegen einen Antrag der Grünen-Fraktion

Infektiologisch ist das natürlich auch logisch. Wenn die Musik oder das Wort so donnert, dass man sich laut anreden muss, dann erhöht sich selbst im Freien der Aerosolaustausch. Daher die Idee der Hintergrundmusik. Wobei das schön schwierig wird, wenn dann die Musi‘ den Leuten in die Kehle fährt und man mitsingt, mitschunkelt. Das passiert vielleicht sogar aufm Lande. In der Landeshauptstadt eher nicht.

Will der Wirt seinen Biergarten nun einer Kulturveranstaltung widmen, muss er weniger Leute einlassen, rentiert sich das wiederum weder für ihn noch für die Künstlerinnen und Künstler. Begreifbar ist das allerdings nicht! Denn in einer Kulturveranstaltung richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Darbietung und man reagiert akustisch nicht anders als während eines gemütlichen Biergartenbesuchs, wenn man es mit dem Alkohol nicht übertreibt. Infektiologisch sind Biergartenbesuche mit bis zu 10 fremden Personen jetzt schon riskanter als die streng nach Haushalten getrennt reglementierten Sitze in Kulturveranstaltungen. Denkt man an die Möglichkeiten des Geldverdienens für Musiker und Kabarettisten bei Veranstaltungen im Freien, würde der Antrag der Grünen durchaus Sinn machen.

Denn ob man in den Biergarten nur zum Verzehr kommt oder eben zu einer geordneten, nicht zu wilden Kulturveranstaltung, die zudem zeitlich viel enger begrenzt ist als der normale Biergartenbesuch bis zur letzten Mass vor der Sperrstunde, macht die Kulturveranstaltung vielleicht sogar zu einem überschaubareren infektiologischen Ereignis bei dennoch ordentlicher Füllung der Sitzplätze im Freien wie eben sonst nur beim reinen Getränke- und Speisenverzehr.

Wenn nun die CSU hart infektiologisch gegen den Antrag der Grünen argumentieren würde, würden selbst diese en Gros nach Altötting wallfahrten, Abbitte leisten und daheim Gnadenbilder von Söder und Aiwanger im Bussgewande anbeten und der hehren Erleuchtung im Wirtschaftsaussschuss danken. Aber dem ist nicht so, dem kann so nicht sein. Denn im Duktus der Herren und Damen der CSU-Landtagsfraktion „passt ois scho“, „san des fäik nius“. Hauptsache, dass „d‘Musi aufspuid, dass ma lustig san“. Aber dass keinenfalls die Musik oder gar ein kritisches Kabarett zu sehr aufmucken? Na, das ist jetzt nur Mutmassung.

Was es aber eben nicht ist: ein angemessenes, nach außen gezeigtes Kulturverständnis der Regierungsparteien. Denn nichts ist gut! Vor den Münchner Staatstheatern stapeln sich die Menschenmassen, ernsthaft kartäscht kein Beamter mehr dazwischen, nur noch zur Auflösung der Massen um Mitternacht herum. In den Theatern herrscht zwar glühende Stimmung, aber im mehr als 2000 Personen umfassenden Auditorium des Nationaltheaters sagen sich 100 Hansln und Gretln „Guade Nacht“ wie einsam Fuchs und Hase vor 1000 Jahren am Alte-Peter-Bergl, als nicht einmal der liebe Gott an die Existenz Münchens und Bayerns in 2020 glaubte.

„Oh, Corona Bavariae, Du, heilige CSU! Verfasse nicht solch einen Schmuh!“ Das war heute mein Stossgebet nach dem Hahnenschrei und das Bild Aiwangers und Söders in meinem Herrgottswinkel habe ich mit grünem Tuch wie ein Frühstücks-Christo verhüllt. Die Grünen-Fraktion hat eben keine Fake-News produziert, sondern nur glasklar die faktische und die gesetzliche Lage abgeglichen und einen durchaus verständlichen Antrag aufs Tapet gebracht. Das würde uns Musikerinnen und Musikern sowie Wortkünstlerinnen und Wortkünstlern von Juli bis in einen warmen September doch noch Auftritts- und Einnahmemöglichkeiten bereiten als uns den Kopf zerbrechen zu lassen, ob das eingenommene Geld jetzt oder im August oder September so knapp bemessen sein wird, damit man überhaupt „bis zu“ 1000 Euro bayerische Künstlerhilfe beantragen kann oder ob das nur 500, 200 oder 0 Euro sein werden bzw. man das beim Jobcenter aufstocken geht als immerhin Einnahmen aus Biergartenauftritten im Vordergrund des dortigen Geschehens und mit der Rentabilität des coronaerlaubt-vollen Biergarten zu erhalten.

Wie gesagt, ich würde es infektiologisch verstehen. Aber mit dem Fake-News-Schmarrn zeigt‘s Ihr von der CSU im Landtag, dass Kultur für Euch ein Fremdwort ist, überhaupt Euch dahingehend die Worte und streitbaren Argumente auszugehen scheinen. Und Ihr lieber die Antragsteller politisch fertig macht‘s, als Euch einer kreativen und förderlichen Kulturpolitik auch in diesen schwierigen Zeiten zu widmen. Mir wäre lieber, Ihr hättet uns gar einer doppelten Mund-Nasenschutzpflicht unterworfen, der Staatsoper und den anderen kleinen, großen, öffentlichen und privaten Sälen ein paar Personen mehr im Auditorium gewährt als diese Pflicht am Sitzplatz zu kippen und Fake-News-Kampagnen zu wuppen.

Komponist*in

Komponist*in

3 Antworten

  1. k. sagt:

    Föderalismus lässt grüßen. Das Bayerische Gesetz sieht für mich eher so aus, als wollte man damit verhindern, dass Kulturveranstalter plötzlich ihre kulinarischen Ader entdecken, um ihre Kulturevents als gastronomische Angebote zu deklarieren. Es geht im Gesetz ja nicht nur um Biergärten und auch nicht nur um Blasmusik.

    Danke im Übrigen auch an Moriz Eggert für die wichtigen Beiträge. Ein Fazit aus der Corona-Zeit für mich ist, dass klassische Musiker und Musikpädagogen viel mehr für die musikalische Bildung der (über)nächsten Generation tun müssen. Wie sonst sollen die zukünftigen Politiker lernen, die künstlerische Arbeit wertzuschätzen, wie sonst sollen sie wissen, was die professionellen Musiker machen und was sie brauchen? (Der Entwurf für die Urheberrechtsreform geht an der Wirklichkeit der klassischen Musiker auch vorbei…) Die Kluft zwischen „Leistungsmusik“ und „Breitenmusik“ in der Musikbildung ist zu tief.

    Zugegebenermaßen weiß ich auch nicht, wann Musik rechtlich als Hintergrundmusik gilt. Bisher war mein Verständnis, dass wenn während der Live-Musik gegessen und gesprochen wird, dass das Hintergrundmusik ist. Wie wenn eine CD als Berieselung läuft. Bei einer Aufführung wird höchstens getrunken, aber nicht gegessen oder gesprochen.

    Pragmatisch würde ich mir überlegen (wenn ich das Gesetz so lese), ob man nicht den Biergarten mit einer Trennwand in zwei Bereiche teilen kann. Der Veranstaltungsbereich vor der Bühne würde weniger als 200 Sitze haben (Bedienung nur vor und nach der Aufführung), und der Rest des Biergartens würde die Musik als Hintergrundmusik mitbekommen.

  2. Sonia G.Y. sagt:

    Voller Zustimmung. Es ist unbegreiflich, die Maskenpflicht ausgerechnet in Räumen aufzuheben, wo gesungen wird, wo die Möglichkeit eine Aerosole-Infektionsgefahr hoch ist, wo überwiegend ältere Besucher sich befinden und wo ohnehin häufiger gehustet wird als woanders. Ohne Masken sollte eigentlich der Abstand zwischen den Besuchern mindestens 4 M sein. Allein die Vorstellung im abgehusteten Saal zu sitzen ohne Maske macht mir Angst. Dies erschreckt sicher viele Klassikfans ab Theater/Konzerthäuser zu besuchen. Laut der meisten Virologen macht die Dosierung das Virus aus. Dass Masken tragen die Dosierung erheblich reduzieren kann, muss doch für jeden einleuchtend sein. Mit einer konsequenten Maskenpflicht auch am Sitzplatz könnte man vielleicht auch mehr Besucher einlassen.

  3. Sonia G.Y. sagt:

    “ Mir wäre lieber, Ihr von der CSU hättet uns gar einer doppelten Mund-Nasenschutzpflicht unterworfen, der Staatsoper und den anderen kleinen, großen, öffentlichen und privaten Sälen ein paar Personen mehr im Auditorium gewährt als diese Pflicht am Sitzplatz zu kippen.“

    Voller Zustimmung.