Luft und Eichhörnchen – Eröffnungskonzert der Donaueschinger Musiktage 2018

Nach zwei mal Schlafen und vielen Stücken dazwischen verliert sich das Eröffnungskonzert der heurigen Musiktage in Donaueschingen in herbstlicher Vernebelung. Für manchen Moment ist das gewiss schade, für manche Durststrecke garantiert besser.

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Ich erwartete mit nostalgischer Spannung Ivan Fedeles Bassetthornkonzert. Von Michele Marelli trefflich gespielt, genauso vom SWR Symphonieorchester und ebenfalls von Pascal Rophé dirigiert. Mehr bleibt mir nicht erinnerlich. Ich muss zugeben, dass ich ein Fan von Solo-Konzerten bin. Ich freue mich wie ein Eichhörnchen auf Nüsse, wenn es ein dreisätziges Kompendium an Einfall und Esprit ist. Was interessiert mich da die Frage nach was auch immer da nun up to date sei. Oder nicht. Was aber gar nicht geht: in Air in Air war ausser zackigen Begleitfloskeln, der Satzfolge schnell-langsam-schnell, hoher Lauf-Virtuosität des Solo-Instruments, was großartig als verstärkt angekündigt war, um dann v.a. wie ein Saxofon zu klingen nicht viel mitzunehmen. Weder enstand eine Luftlinearität noch irgendein anderes nennenswertes Melos jenseits von kleiner Sekunde und kleiner Terz oder metrisch-rhythmisches Spiel zwischen Orchester und Solist.

Zu Ende ging das Konzert mit Marco Stroppas Come Play with me für elektronische Klänge und Orchester. Im Programm hätte das der Antagonist zu Fedele sein können. Die spiralförmig aufgehängten Lautsprecher erzeugten tatsächlich eine körperliche Eindringlichkeit des Sounds, dass es mich manchmal aus dem Stuhl presste. Die Modalys Klangsynthesen sind immer wieder beeindruckend, auch schluckte die Räumlichkeit der Elektronik das Orchester ein paar mal förmlich auf, als saugte das Yeats-Titel-Eichhörnchen mit Libellenmund am Klangkörper. Im Missverhältnis dazu die Orchesterspieltechniken: auf dem Stand der letzten 20 Jahre. Doch irgendwie altertümlich, wenn Pauken zur Elektronik rumpeln, Tremoli rauschen, etc. Das könnte man als Beherrschung des Orchesters in allen Seinslagen bezeichnen. Doch passt das mit der Elektronik nicht zusammen, die selbst zusammengefasst wie ein singender Alien klang. Nur nach der körperlichen Intensität dessen beschloss ich für mich, dass ich jedes Alien weglasern möchte, sollten sie je hier aufkreuzen.

Reduziert und asketisch dagegen das Klangbild von Isabel Mundrys Mouhanad für Chor, mit dem formidabel singenden und zischenden, vor allem sprechenden SWR Vokalensemble, geleitet von Florian Helgath. Mundry hatte einen Syrer namens Mouhanad in Berlin interviewt, übertrug diesen Text auf den Chor, der ihn sprach, kaum oder nie sang, begleitet von Lachenmannschen Vokalgesten und quasispektralen, sehr schönen Akkorden. Das war vor allem am Ende des Stücks eindrücklich. Nur hätte dann auch ein ganz anderer Text gesprochen werden können. Das lag einerseits an der Alltäglichkeit der Sprache, was kein Manko sein muss. Problematisch waren geschilderten Erlebnisse des Geflüchteten mit der deutschen Lebenswelt: das ist natürlich irgendwie eine nötige Selbstreflexion unserer Welt. Doch wirklich kafkaesk oder Lost in Translation war es wiederum nicht, da der das Ernste beschwörende Charakter der kargen Musik das nicht konterkarierte oder eben direkt transportierte.

Dass Alltäglichkeit doch in große Musik führen kann, zeigte Malin Bångs splinters of ebullient rebellion für Orchester. Auch hier ein karges Setting, das digitale Rumor-Rauschen Sozialer Netzwerke gegen die darin untergehende Äusserung des Individuums. Das erreichte sie genau mit der gleichen erweiterten Orchesterspieltechnik wie Stroppa. Doch wirkte hier jedes Kratzen und Schaben und Hauchen massiv eindringlich, trumpfte aber auch nicht so enzyklopädisch auf, sondern war unglaublich passgenau abgezirkelt. Dazu sprach das Orchester zudem wie bei Mundry der Chor. Man verstand nichts detailgenau, ausser ein großes Rauschen der digitalen Welt. Dagegen tippten Schlagzeuger auf altertümlichen Reisschreibmaschinen an: wenn irgendwann mal ein Konzern oder ein überwachender Staat den Stecker zieht oder Kontrolle ausübt, tippt das demokratische Individuum seine Meinung analog weiter. Das gab bei aller Sorge Hoffnung. Wäre es ein paar Minuten kürzer gewesen, der Schreibmaschinensound nicht so topfig verstärkt: ein Meisterinnenwerk wäre es geworden!

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Eine Antwort

  1. Danke, Alexander, gern gelesen :-)