Umfrage sexuelle Belästigung der Musikhochschule München: Kommentar zur ersten öffentlichen Stellungnahme des wiedergewählten Präsidenten

Am 3.7.18 wurde Prof. Dr. Bernd Redmann als Präsident der Hochschule für Musik und Theater vom Hochschulrat wiedergewählt. Dazu erst einmal bei aller hier erfolgten Kritik meine Gratulation. Am 5.7.18 gab er BR-Klassik ein erstes Interview, in dem es vor allem um die Umfrage sexuelle Belästigung der Musikhochschule München aus dem Jahr 2016 und die bisher seitens der Musikhochschule München unveröffentlichten Ergebnisse ging, abgesehen von der Preisgabe im Hochschulmagazin Auftakt 21 (s.18, das PDF lädt sich automatisch herunter), dass 54,4% der UmfrageteilnehmerInnen AnsprechpartnerInnen wie die Frauenbeauftragten kennen sowie 45,5% sich zusätzlich eine externe Anlaufstelle wünschten. Ergebnisse zu den zahlreichen Fragen zu erlebten, beobachteten oder durch Hörensagen bekannten sexuellen Übergriffen wurden nicht veröffentlicht. Nur der Spiegel gab nach seinen Recherchen zum Artikel „Sex-Skandal an der Münchener Musikhochschule“ dazu Zahlen preis.

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Zur Spiegel-Veröffentlichung zu den Fragen nach sexuellen Übergriffen sagt Bernd Redmann im BR-Klassik-Interview: „Jedenfalls hat ja der Spiegel-Artikel die Umfrageergebnisse unkommentiert nach außen gespült. Für uns ist natürlich das Problem des Vertrauensverlustes, dass wir keine sachgemäße Interpretation leisten konnten.“ Es stellt sich die Frage, ob der implizierte Vorwurf an den Spiegel, dass er die Zahlen durch die Hochschule unkommentiert herausgab den Abgleich mit folgendem Zitat aus dem Kommentar „Worst Practice“ der nmz 6/18 standhält: „Als sich dann – die Taktik des Aussitzens war endgültig gescheitert – die Spiegel-Reportage ankündigte, ließ die Hochschulleitung detaillierte Fragen der Spiegel-Autoren Martin Knobbe und Jan-Philipp Möller unbeantwortet und versuchte stattdessen indirekt mit einer von der Hochschule bezahlten, renommierten Anwaltskanzlei zu drohen.“

Das könnte bedeuten, dass die Hochschule hier ausführlich zu den heiklen Fragen, ihren Inhalten und Ergebnissen sowie deren Interpretation durch die Musikhochschule hätte Stellung nehmen können. Was sie aus dem Kontext des nmz-Zitats heraus wohl nicht tat. Sie teilte auf die ersten Anfragen von Spiegel und nmz anscheinend nur folgendes mit, dem o.g. nmz-Zitat im gleichen Text vorangehend: „Bis heute hat die Hochschule die Umfrageergebnisse nicht veröffentlicht und verwies zuletzt gegenüber der nmz darauf, die Fragen seien ’so allgemein gestellt‘ gewesen, ‚dass die Antworten keine eindeutigen Rückschlüsse darauf zulassen, ob die Erfahrungen im Hochschulkontext oder im privaten Bereich gemacht wurden‘. Ob dies tatsächlich der Wahrheit entspricht, könnte die Hochschule nur durch ‚umfassende Transparenz‘ beweisen.“

Ähnliches sagt Redmann im BR-Klassik-Interview: die Umfrage sei die erste ihrer Art an einer deutschen Musikhochschule, um den Stand der Dinge zu erfahren und daraus Maßnahmen abzuleiten, was die Musikhochschule zugegebenermassen auch tatsächlich versucht und dafür meine Hochachtung verdient. Weiter sagt Redmann, dass eine AG die Ergebnisse aufgearbeitet hätte. Als sich der Landesdatenschutzbeauftragte meldete, musste man das nochmals durchführen und hätte die sensiblen Daten nicht mehr einfach veröffentlichen können.

Ob die Fragen allesamt inhaltlich, örtlich und zeitlich zu weit gefasst worden waren, das erschließt sich aus der Zusammenfassung der Umfrageergebnisse nicht, da hier die Fragen nur kurz Headline-artig paraphrasiert sind. So zum Beispiel die erste konkrete Frage zu sexuellen Belästigungen, Frage 3: „Anstarren, taxierende Blicke“. Immerhin befassen sich von 26 Fragen 18 konkret mit allen Formen sexueller Übergriffigkeit, von besagten taxierenden Blicken bis hin zur Vergewaltigung und deren erlebter, beobachteter, etc. Frequenz.

Mit Frage 21 (Sollten Sie eine der oben aufgeführten Handlungen beobachtet, von Dritten gehört oder selbst erlebt haben, auf welche Ebenen fanden diese statt?) wird allerdings im Gegensatz zur Bemerkung Redmanns mit BR-Klassik, dass „aus heutiger Sicht…nicht klar differenziert“ wurde, „ob diese Vorkommnisse im Hochschulbereich stattgefunden haben oder im privaten Bereich“, sehr konkret nach Relationen gefragt, die sich nicht unbedingt daheim, sondern vorzugsweise im Kontext einer Hochschule wiederfinden: Beschäftigte-Beschäftigte, Beschäftigte-Vorgesetzte, Studierende-Beschäftigte, Studierende-Studierende. Zwar beantworteten nur 284 von den ca. 800 Teilnehmenden diese Frage. Doch gaben immerhin exakt 200 Personen an, was bei dieser Frage 70% der Antwortenden bedeutet, dass sie im Verhältnis Studierende-Beschäftigte im Wortlaut der Fragestellung „eine der oben aufgeführten Handlungen beobachtet, von Dritten gehört oder selbst erlebt haben“. Was somit wohl ziemlich klar dem Kontext „Musikhochschule“ zuzuordnen war.

Zieht man hierzu die Ergebnisse zu den Nachfragen wie nach „scheinbar zufälligen Berührungen heran“ (Frage 8), wo 787 antworteten und 69 (8,8%) das erlebten sowie 61 (7,8%) das sahen, nach „Angrapschen“ (Frage 10) , wo 770 antworteten und 34 (4,4%) dies erlebten und 20 (2,6%) dies sahen oder nach den in schweren Machtmissbrauch und Psychoterror übergehenden Handlungen wie „Beschimpfung nach Ablehnung eines Annäherungsversuches“ (Frage 12) mit 773 Teilnehmenden, wovon 12 (1,6%) das erlebten und 10 (1,3%), und nach „Androhung von Nachteilen nach Ablehnung eines Annäherungsversuches“ mit 768 Antworten, wo 7 (0,9%) das erlebten und 2 (0,3%) das sahen, heran oder die zusammenfassende Nachfrage nach der Häufigkeit der Handlungen (Frage 20) mit 759 Antwortenden, wovon zusammengefasst 287 (37,8%) das einmalig, mehrmalig oder häufig erlebten oder beobachteten, kann man aufgrund der vielen Teilnehmenden nicht sagen, dass das allein aufgrund der Fragestellung und Methodik azu vernachlässigen wäre.

Nachdem von ca. 800 immerhin immer weit über 700 Teilnehmenden genau diese Fragen beantworteten und mit erschreckenden 37,8%, was 287 Personen entspricht, die schlimmen Handlungen am „safe place“ Musikhochschule erlebten oder mitansehen mussten, kann man das nicht unter den Teppich kehre. Zumindest das Scheitern der Umfrage aus methodischen Gründen und trotz diesen dennoch erfragte besorgniserregende Ergebnisse hätte man global formuliert längst vor den Spiegelanfragen, der Wiederwahl, dem Einsetzen einer Untersuchungskommission oder dem BR-Klassik-Interview öffentlich machen sollen.

Mag zum Beispiel aus den Umfrageergebnissen nicht deutlich hervorgehen, wann was genau erfolgte, so obliegt es nicht der Musikhochschule mit dem Eingestehen der unscharfen Fragestellungen indirekt über mögliche Verjährungen zu mutmassen oder es einfach nur als Geschehnisse weit vor der jetzigen Präsidentschaft einzuordnen. Ich hoffe, der Musikhochschule ist zudem bewusst, dass sie mit den vielen minderjährigen Jungstudierenden und dem allgemeinen Einzelunterricht mehr als eine nur Erwachsene Hochschule in der Verantwortung steht.

Natürlich lassen sich aus den anonymen Umfrageantworten nicht die Namen von Opfern und Tätern ablesen, so diese nicht im Freitext erwähnt sein sollten. Somit kann die Umfrage nicht die Basis für justizielle Verfolgung sein. Aber es müsste jeden nur erdenklichen Gerücht nachgegangen werden. Laut Redmann will man mit Richtlinien, Transparenz und Aufarbeitung in Deutschland eine Vorreiterrolle einnehmen. Bisher ist die Musikhochschule allerdings vor allem darin Vorreiter, dass gegen seinen Vorgänger Mauser Urteile (noch in Revision) gesprochen worden sind und gegen von Bose die Entscheidung nach Ermittlungen zum Prozess abgewartet wird und somit Musikprominenz im Gegensatz zu anderen Hochschulen mit der Justiz zu kämpfen hat.

Die Tage erreichte mich aus dem Wissenschaftsministerium eine Antwort auf meine Weiterleitung der mir anonym zugespielten Umfrageergebnisse: man kenne diese, die Hochschule habe sich intensiv mit den Ergebnissen zu befassen, es sei endlich – was auch ich sehr begrüsse – eine Untersuchungskommission eingesetzt worden. Zuletzt geht es auch um die nach Ansicht der Hochschule problematische Methodik. So habe mindestens ein Teilnehmer nicht nur zur Hochschulphase seines Lebens, sondern umfassend über seine Erlebnisse Auskunft gegeben. Wenn das nun noch ein paar Personen unterlief, so mag das ärgerlich sein. Aber bei 800, von denen wie gesagt über 700 Teilnehmende auf die prekärsten Fragen antworteten, wo 34 Angrapschen erlebten und 20 das sahen, sind genug Erlebnisse dabei, die bei Bekanntwerden der Namen genauso verfolgt und verurteilt werden könnten, wie es Mitte Mai Dr. Mauser widerfuhr. Sprich: bitte die Umfrageergebnisse endlich noch ernster nehmen. Das schuldet man den Teilnehmenden, das schuldet man zudem den konkreten und mutmasslichen Opfern der Vergangenheit – an deren Adresse nach wie vor kein Wort der Entschuldigung für die Versäumnisse der Institution Musikhochschule München erfolgte.

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Eine Antwort

  1. Sonia G.Y. sagt:

    Auf den im Hochschulmagazin präsentierten Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung steht nirgendwo klar, wie die (mutmaßlichen) Täter sanktioniert werden sollen. Wirft man einen Blick auf folgende Maßnahme: „Die Hochschulleitung entwickelt ein gesondertes Verfahren zum Lehrerwechsel bei Vorfällen der sexuellen Belästigung zwischen Lehrenden und Studierenden.“, man sollte sich fragen, wozu einen Lehrerwechsel? Sollte der Täter bei einem Vorfall der sexuellen Belästigung (nach §184i eine Straftat) nicht umgehend beurlaubt werden?

    Inhaltlich ähnlich äußerte sich Präsident Redmann im Interview mit der BR-Klassik: „Wenn der Studierende oder die Studierende bereit ist, das die Hochschulleitung mitzuteilen, dann wird die Hochschulleitung dafür sorgen, dass es keine Konstellation in einer Prüfung gibt, die für den Studierenden ungünstig ist. “ Hier fragt man sich, darf der Lehrende noch als Prüfer tätig sein, obwohl die Hochschulleitung informiert wurde, dass er Studierende sexuell belästigt hat?

    So lange die Täter weiter unterrichten dürfen, bringen all die Maßnahme-Regel so gut wie nichts. Die studierenden Opfer haben ja dann umsonst eine Anlaufstelle aufgesucht. Lehrenden, die Studierenden an die Wäsche gehen, sollten ohne Wenn und Aber von der Hochschule zunächst verbannt werden. Wenn sie zu Unrecht bestraft würden, gibt es ja Verfahren, in dem sie ihre Unschuld beweisen können.