Warum die Musikhochschule München dringend einen Neuanfang braucht.

Morgen wird der neue Präsident oder die neue Präsidentin der Musikhochschule München gewählt. Zur Wahl stehen mehrere Kandidatinnen und Kandidaten, darunter auch der bisherige Präsident, Bernd Redmann.

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Was die Situation brisant macht: Mit dem Beginn der #metoo-Debatte in der klassischen Musik stehen die Musikhochschulen eindeutig im öffentlichen Fokus, und gerade München wird hier lange als Scheide-und Wendepunkt dieser Debatte angesehen werden, die sich seit der Enzensbergerschen Denunzierung von Frauen als „tückischen Tellerminen“ stark gewandelt hat. Dies ist eine besondere Verantwortung einer künftigen Hochschulleitung der Münchener Musikhochschule, das ist schon jetzt sicher. Bei allem Respekt vor den vielen positiven Leistungen Redmanns: ich frage mich, ob er für diese schwierige Zeit unbefangen und unbelastet genug sein kann, um das Schlachtschiff „Musikhochschule“ durch unsicheres zukünftiges Gewässer zu führen, vor allem angesichts weiterer drohender Gerichtsprozesse mit sicher bisher noch unbekannten Details. Nicht zuletzt ist es das Wesen einer Demokratie, dass auch bestehende Ämter stets hinterfragt werden dürfen.

Im folgenden möchte ich erläutern, warum ich dezidiert hoffe, dass ein frischer Wind in die Leitung der Münchener Musikhochschule einziehen wird. Dies hat mit den dringenden Notwendigkeiten der momentanen Situation zu tun, die sich aus der komplexen Gemengelage aus vor Gericht schon verurteilten und noch zu verhandelnden Fällen schwerer sexueller Übergriffe an der Münchener Musikhochschule ergeben, und die zwangsläufig wichtiger Teil der Agenda eines zukünftigen Hochschulpräsidenten sein müssen. Die Münchener Fälle sind für Außenstehende schwer zu durchschauen, da es bisher nach wie vor nur bruchstückhafte Informationen aus der Presse darüber gibt, die immer nur einen Teil von dem aufzeigen, was wirklich vorging (und auch noch vorgeht, siehe unten). Spätestens seit dem SPIEGEL-Artikel vom Mai 2018 sollte aber jedem klar sein, dass die Vorwürfe, die hier im Raum stehen, sehr ernst sind, und die Musikhochschule noch in den nächsten Jahren mit der Aufarbeitung zu tun haben wird. Um zu sehen, wie die Hochschulleitung – sollte sie gleich bleiben – auf diese zukünftigen Herausforderungen reagieren wird, muss man einen Blick in die jüngere Vergangenheit werfen.

Die bisherige Politik der Hochschulleitung unter Redmann ist ab dem Moment zu begutachten, als das Thema Mauser/Bose akut wurde. Im April 2016, als in der Presse die ersten Vorwürfe gegen Siegfried Mauser bekannt wurden (am Ende wurden es vier verschiedene Anzeigen gegen Mauser wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung), erklärte Bernd Redmann angesichts der sich verbreitenden „Gerüchte“ zu Recht in einem Statement: „Die Situation (an der Hochschule“ wird als belastend und bedrückend empfunden“.
Inzwischen wissen wir, dass diese „Gerüchte“ eher untertrieben waren, und noch immer ist das volle Ausmaß der Taten der Öffentlichkeit noch nicht bekannt. Redmann schrieb damals weiter: „Ziel der Hochschule ist es, dieses Thema zu enttabuisieren und eine offene, konstruktive Gesprächskultur hierüber zu entwickeln. Wir sorgen für aktive und klare Information […]“

Im Rahmen der „konstruktiven Gesprächskultur“ und dem nach außen im „Statement“ dokumentierten Willen, über weitere Vorfälle an der Münchener Musikhochschule Kenntnis zu erlangen, wurde eine anonyme Umfrage erarbeitet, die an Dozenten und Studenten durchgeführt wurde. Ich war sicherlich nicht der Einzige, der daraufhin sehnsüchtig auf „aktive und klare Information“ über diese Umfrage seitens der Hochschule wartete, doch anstatt weiteren Informationen kam erst einmal…gar nichts. Das veranlasste mich, dies in einem Bad Blog-Artikel als „ominös“ zu bezeichnen.

Zu meiner Überraschung wurde ich daraufhin unter Androhung juristischer Schritte von Redmann zu einer Stellungnahme aufgefordert. Bei der daraufhin stattfindenden Anhörung wurde mir sehr unverhohlen klar gemacht, dass ich solche Fragen nicht zu stellen habe und als Angestellter der Hochschule hierüber schweigen solle. Um die Situation zu entschärfen willigte ich, entgegen meiner Bedenken wegen dieser Unterdrückung von Kritik, erst einmal ein und änderte den Text. Ich fragte Redmann bei der Anhörung natürlich nach den Umfrageergebnissen und bekam als Aussage, dass diese seiner Ansicht nach unbedenklich gewesen seien. Außerdem drohte er mir mit einer Anzeige, falls ich weiterhin behaupten würde, er hätte mir gesagt, dass Nachforschungen in Sache des Bose-Falls „gefährlich“ für mich sein könnten.

Einige Zeit später – nach den Recherchen der SPIEGEL-Journalisten- sah die Sache plötzlich sehr anders aus. Es wurde klar, dass die Umfrageergebnisse alles andere als „unbedenklich“ waren, und dass es aktuelle Fälle an der Hochschule geben musste, Alexander Strauch berichtete, da er die tatsächlichen Ausdrucke anonym zugesandt bekommen hatte.

Alle Versuche, hierüber Aufklärung von der Hochschulleitung unter Redmann zu bekommen, stießen konsequent auf eine beharrliche Mauer des Schweigens. Egal ob die Journalisten von respektierten Zeitungen wie der NMZ (Juan Martin Koch), der FAZ (Patrick Bahners) oder dem SPIEGEL (Martin Knobbe, Jan-Philipp Moeller) kamen, sie bekamen jeweils nichts weiter als keine oder ausweichende Antworten zu hören.

Bis heute ist es sehr mühsam bis unmöglich, von außen diese Mauer zu durchdringen. Man fragt sich ein bisschen, warum dies so ist, wenn eine Politik der Offenheit behauptet wird. Was gäbe es zu verbergen? Müsste man nicht gerade dann versuchen, möglichst Transparenz zu erzeugen? Stattdessen wurde allen Hochschulangehörigen und Studenten von Redmann in einem Memo dringend nahegelegt , keinesfalls über die internen Vorgänge mit irgendjemandem zu sprechen, vor allem nicht mit der Presse.

Was aber dennoch nach außen dringt und drang, ist beunruhigend. So wurden bei der anonymen Umfrage wohl Namen möglicher weiterer Täter genannt, es sind aber keinerlei weitere juristische Maßnahmen der Musikhochschule öffentlich bekannt. Wenn man mit ehemaligen Studenten der Münchener Musikhochschule über sexuelle Übergriffe spricht, fallen auch noch weitere Namen als Mauser oder von Bose, und das über einen Zeitraum, der sowohl die Leitungstätigkeit von Mauser als auch Redmann mit einschließt. Noch ältere Studenten (die vor den Amtszeiten von Mauser und Redmann studierten) sprechen aktuell ebenfalls von eigenen Beschwerden wegen Übergriffen weiterer Professoren, denen damals kein Gehör geschenkt wurde.

Die Hochschule hat also über viele Jahrzehnte eine Taktik des Schweigens verfolgt. Sollte sich das nicht jetzt endlich dringend ändern?  Auch dünkt es seltsam, dass das seltsame offizielle Schweigen über die hochschuleigenen Umfrage bis heute nicht offiziell kommentiert oder gar erklärt wurde. Auch über das Schweigen herrscht also nach wie vor Schweigen. Kultusministerium und Staatsministerium müssen Details über die Zustände an der Hochschule bekannt gewesen sein, aber auch zu deren Reaktionen gibt es bisher keinerlei Informationen. Fragwürdig auch warum Redmann Finanzmittel der Hochschule verwendete, um einen der teuersten Medienrechtsanwälte Deutschlands zu bezahlen, nur damit dieser Presseanfragen entgegenwirken sollte.

Hier stellt sich zu Recht die Frage, ob die Politik der „aktiven und klaren Information“, die Redmann selber vollmundig 2016 ankündigte, nicht die wesentlich bessere Verfahrensweise gewesen wäre. Natürlich ist es klar, dass die Hochschule nicht zu laufenden Verfahren Details preisgeben oder die Anonymität einer Umfrage sabotieren durfte und darf. Was sie aber schon darf (und meiner Ansicht nach muss) ist, nach außen hin eine klare Haltung zu kommunizieren, die eine deutliche Solidarität und ein echtes Mitgefühl mit den Opfern ausdrückt, sich bei Opfern entschuldigt, die eigene Maßnahmen genauer erläutert, den offenen Dialog mit den Studenten sucht und diese mehr in Entscheidungen mit einbezieht, die gesund mit Kritik umgeht und den deutlichen Willen zum Ausdruck bringt, die Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen. Dass dies andere Hochschulen können, hat gerade erst Leipzig vorgemacht.

Warum dies in München nie geschehen ist, könnte eventuell damit erklärt werden, dass die Strukturen, die Siegfried Mauser unterstützten mit dem Weggang Mausers ans Mozarteum Salzburg keineswegs komplett verschwunden sind, sondern weiterhin teilweise wirken. Zumindest erweckt es nach außen hin stark diesen Eindruck und es wird nichts getan, diesem Eindruck entgegenzuwirken, vor allem deswegen, weil man leider beharrlich…schweigt.

So musste Redmann erst vor kurzem (Juni 2018) in einer Mail an Hochschulmitglieder zugeben, dass es engere private Verbindungen zum Haushalt von Hans-Jürgen von Bose gegeben hatte, als bisher bekannt war. Er bestritt aber, dass dies irgendeinen Einfluss auf ihn als Teil der Hochschulleitung hatte (der er zu Mausers Zeiten genauso wie der immer noch amtierende Hochschulkanzler Alexander Krause schon angehörte). Vieles spricht aber dafür, dass diese Behauptung von Redmanns kompletter Neutralität zumindest zu hinterfragen wäre. So wurden Bose bis zu seiner Suspendierung immer wieder nach außen hin schwer begründbare Sondervergünstigungen und Genehmigungen erteilt, die Redmann auch immer wieder mitverantwortete:

2012 wurden z.B. 2 studentischen Bewerbern um die 40 Jahre (die Bose dringend für sein Deputat brauchte) von der Hochschulleitung eine Sondergenehmigung erteilt, ihre Aufnahmeprüfung pro forma an einem „Sondertermin“ zu machen. Obwohl beide Studenten die Hochschule nach diesem Termin erst wieder zum Exmatrikulieren betraten, wurden sie als ordentliche Studenten geführt, um das Deputat Boses zu „füllen“. Die erste Anhörung für diesen Sondertermin fand bei Bernd Redmann statt.

Bose selber wurden des weiteren 2013 von der Hochschulleitung 5000,-EUR aus „besonderen Leistungsbezügen“ vergönnt und ein weiteres Zusatzhonorar von 2500,-EUR für eine kleinere Lehrtätigkeit im Rahmen eines internen Festivals, weil man vermeiden wollte, dass es aufgrund seiner Beschwerde wegen seiner Besoldung zu einem Gerichtsverfahren kommt. Überhaupt sind die genauen Gründe für die trotz erheblicher Bedenken erfolgten Wiedereinstellung Boses unter Mauser als Präsidenten bis heute nicht klar, und auf Fragen hierüber bekommt man entweder keine oder sehr unterschiedliche Antworten, selbst als Hochschulmitglied.

Des weiteren wurde Bose von der Hochschulleitung Unterricht allein bei sich zu Hause erlaubt (ein versicherungstechnisches Unding nach jedem Hochschulrecht). Auch hatte es keinerlei Konsequenzen für Bose, eine Beziehung zu einer Studentin vor der Hochschulleitung geheimgehalten zu haben, obwohl er gleichzeitig als ihr Prüfer fungierte (was an jeder Universität Grund für ein Disziplinarverfahren gewesen wäre). Noch bis 2014 nahm Kaline von Bose (die Ehefrau Boses) an internen Hochschulsitzungen teil, verlangte energisch Beisitz bei einer öffentlichen Sitzung (sich dabei direkt an Redmann mit dieser Bitte wendend) und beteiligte sich als Anwesende an der „Leitbild“-Diskussion der Hochschule. Auch nachdem Bose nach der bei ihm stattgefunden habenden Hausdurchsuchung (siehe SPIEGEL-Artikel) verleumdende Mails über Hochschulmitglieder an riesige Verteiler auch außerhalb Münchens sendete und ein Journalist (pikanterweise Doktorand von Mauser) einer der Klägerinnen im Mauser-Prozess Stasi-Zugehörigkeit andichtete, gab es erst keine öffentliche Reaktionen der Hochschule (nun unter Redmanns Leitung), später dann nur sehr zögerlich und wortkarg.

Immer wieder wurde auch von außen Kritik an dieser Politik der reduzierten Information laut. So schrieb die NMZ von „worst practice“, da es bis auf das Statement, die „Compliance-Kultur“ an der Hochschule verbessern zu wollen, nach wie vor keine Verlautbarungen von Redmann zum Thema der Umfrage gibt. Aktuell gibt es im Landtag eine Eingabe der SPD und der Grünen, die das Kultusministerium dazu auffordert, genauer über die Rolle der Hochschulleitung im Fall Bose/Mauser Auskunft zu bekommen, wobei auch unverhohlen Kritik an der aktuellen Leitung zum Ausdruck gebracht wurde. Die Antwort des Kultusministeriums erwartet man im September, aber es wird sicherlich nicht die letzte kritische Anfrage von außen sein. Das Duo eines ehemaligen Studenten (das „Harfenduo“) stellt aktuell kritische Fragen in einem Blog und ruft ehemalige und aktuelle Studenten auf, sich zu eigenen Übergriffserfahrungen zu äußern. Es ist zu erwarten, dass hierdurch weitere Fälle ans Licht kommen. Auch dies ein bemerkenswerter Vorgang, den es bisher noch wegen keiner Hochschule gab.
Man mag diese Aktivitäten bewerten wie man will, nur eines kann man nicht: sie als „unwichtig“ abtun und kleinreden.

Noch nie gab es eine Präsidentin in der Hochschulgeschichte Münchens. Bisher gab es eine lange Liste von allein Männern, und auch nach dem 2. Weltkrieg war noch ein Nazi wie Robert Heger darunter (1950-1954). Seit den Zeiten Karl Höllers (der der erste Präsident der Musikhochschule München am jetzigen Ort im „Führerbau“ war) gab es keine einzige sogenannte „Fremdberufung“, d.h. die Ernnenung eines Präsidenten von außen. Absolut alle Präsidenten seit Höller waren vorher auch als Dozenten am selben Haus tätig, dies trifft auch auf Bernd Redmann zu.

Die Wahl also z.B. einer Präsidentin, die zudem vorher noch nicht am Haus unterrichtet hat, wäre im Jahre 2018 also nicht nur ein hochwichtiger Schritt in Richtung schon längst überfälliger Gleichstellung, sondern ein dringend notwendiger Schritt in Richtung einer grundsätzlichen Erneuerung des Selbstverständnisses der Musikhochschule München in Richtung Offenheit, Öffnung, Empathie mit Opfern sexueller Übergriffe und notwendiger Aufarbeitung der vielen Fälle. Aber letztlich ist es keine Geschlechterfrage: jemand sollte Präsidentin oder Präsident werden, die/der sich der besonderen Bedeutung und Verantwortung dieser Position in den kommenden Jahren bewusst ist. Ob Bernd Redmann hierfür der Richtige ist, sollte Gegenstand einer kritischen Diskussion sein dürfen.

Moritz Eggert

7 Antworten

  1. Danke Moritz! Was mich beonders beschäftigt: wie konnte die Ehefrau des im Spiegel belasteten Kompositionsprofs. HJvB 2016 noch, als erster Prozess gegen Mauser lief, der ja lt. Spiegel nur zustande kam im Zuge der Ermittlungen gegen HJvB, der lt. Spiegel freigestellt ist? Was sind das für Gebräuche? Es gibt soooviel Fragen. Aber stattdessen Schweigen seit Spiegelerscheinen, auch Maulkorberlass? Ich fass es einfach nicht als Ex-Studi der Musikhochschule.

  2. Ist denn irgendwie bekannt, welche Kandidatinnen sich bewerben? Im Übrigen, sehr guter Text Moritz, sehr gute Hinweise dazu von Alexander. Danke für die ganze Aufklärungsarbeit und die Hinweise zur Korrektur der Missstände.

  3. Es gibt wohl 5 Kandidaten, darunter 2 (?) Frauen. Aber da ja von vornherein schon klar ist, wer gewählt wird, hätte man sich die Ausschreibung vielleicht auch komplett sparen können und das Geld lieber für etwas Sinnvolles ausgeben können. Es tut mir auch um die Kandidaten leid, die hier keinerlei Chance haben und sich zum Affen machen müssen. Wie kann eine demokratische Wahl zustandekommen, wenn der Hochschulpräsident sich seine eigenen Wahlleute zusammenstellen kann? Leider ist dies nach dem Hochschulrecht möglich…