Butter bei die Fische: Ratschläge für die Verhandlung von Auftragshonoraren.

Kaum ein Thema der letzten Zeit hat so viele Leserbriefe erzeugt wie mein Artikel über Auftragshonorare von letzter Woche. Nun könnte man argumentieren, dass Komponisten erst aufwachen, wenn es um Geld geht, was sicherlich nicht falsch ist. Andererseits weiß ich von vielen, vielen Emails und Anfragen, dass über die Höhe von Auftragshonoraren eine große Ungewissheit herrscht, einfach weil niemand darüber öffentlich redet und es selten kollegiale Tipps gibt.

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Vor einigen Jahren wirkte ich an einer Initiative des Deutschen Komponistenverbandes mit, die versuchte ungefähre Honorar-und Vertragsrichtlinien zu entwerfen, was schon damals sehr schwierig war. Vielleicht ist es aber ganz gut, einmal in diesem Blog meine langjährigen Erfahrungen zu diesem Thema öffentlich zu machen, was dann in einem Versuch von Richtlinien für „anständige“ Kompositionshonorare münden soll.

1) Selbstbewusst Verhandeln

Honorarverhandlungen sind nicht Jedermanns Sache. Das Selbstwertgefühl von Komponisten ist durch jahrelang eingetrichtertes Minderwertigkeitsgefühl und fehlendes Selbstbewusstsein bzgl. des öffentlichen Wertes der eigenen Musik meist angeknackst, und sie gehen in Verhandlungen wie kleine eingeschüchterte Pudel. Ja, es gibt sogar Komponisten, die dafür zahlen würden, dass ihre Werke aufgeführt werden. Im CD-Markt ist es schon lange üblich, dass CD’s komplett von Musikern und Komponisten finanziert werden, und es gibt zahlreiche Komponisten die schon fertig geschriebene Werke überall zur Uraufführung umsonst anbieten. Es gibt also ein Überangebot, das in gewisser Weise den Marktwert von Musik verringert.

Man darf aber nicht vergessen, dass man mit dem Schreiben eines Stückes eine Dienstleistung unternimmt, die Arbeitszeit in Anspruch nimmt und daher auch etwas „wert“ ist, wie jede andere Dienstleistung auch. Wenn Musiker für ein Hauskonzert angefragt werden, schämen sie sich nicht dafür, Geld zu verlangen, ebenso wenig wie der Caterer sich schämen wird, Geld für das Buffet zu verlangen. Ein Komponist wiederum liefert ein Werk, das zur Uraufführung gebracht wird, und mit dem sich der Auftraggeber schmücken wird. Erfolgreiche Uraufführungen sind z.B. für Dramaturgen, Intendanten, Festivalleiter, Ensembles etc. ein ganz wichtiges Argument, um zukünftige Fördermittel zu bekommen oder ihren eigenen Marktwert zu erhöhen, sie brauchen uns Komponisten genauso, wie wir sie als Auftraggeber brauchen.

Viele Komponisten sehen sich aber seltsamerweise als Bittsteller, die über jeden Cent froh sein müssen. Oder sie engagieren Agenten, die die Honorarverhandlungen für sie übernehmen. Letzteres hat leider zur Folge, dass die Honorare für die durch eine Agentur vertretenen Komponisten wesentlich mehr Geld verschlingen, als sie eigentlich müssten, denn natürlich bekommt dann auch der Agent einen großen Anteil. Dann bleibt weniger Geld für die Komponisten ohne Agenten, denn die Budgets sind immer limitiert.

Im Großen und Ganzen sind aber Komponisten mit Agenten relativ selten, anders als bei z.B. Sängern oder Dirigenten. Insgesamt würden aber alle Komponisten davon profitieren, wenn die Honorarverhandlungen von ihnen selber unternommen werden, und es keinerlei „Zwischenhändler“ gibt, die die Preise nach oben treiben. Vielleicht ist es Wunschdenken, aber ich rate jedem von euch, die Verhandlungen selber zu führen und sich nicht kleinreden zu lassen, das wäre kollegial und für alle Seiten besser.

2) Wichtige Punkte, die ein Honorar beeinflussen

Bei einer Honorarverhandlung sollte man sich folgende Fragen stellen:

– wie viel Zeit wird mich die Komposition ungefähr kosten?

Eine realistische Planung ist Gold wert, auch wenn man Kreativität nicht mit der Stechuhr planen kann. Viele Komponisten tendieren dazu, sich zu überschätzen – sie nehmen dutzende kleine Aufträge an, die alle relativ schlecht bezahlt sind und verzetteln sich, was Unzufriedenheit bei den Auftraggebern erzeugt. Dies ist unbedingt zu vermeiden – lieber weniger, dafür aber sorgfältig und rechtzeitig fertiggestellte, besser bezahlte Aufträge annehmen, das wäre für alle besser.

– wie viel Lust habe ich darauf/wie inspiriert fühle ich mich von dem Thema?

Das ist im Grunde eine ganz einfache Sache: Wenn ich mich von einer Sache besonders inspiriert fühle, habe ich mehr Spaß beim Komponieren, die Arbeit wird mir leichter von der Hand gehen und es wäre ein Argument, auch ein geringeres Auftragshonorar in Kauf zu nehmen. Umgekehrt sollte man bei Aufträgen die einem eher mühsam erscheinen auch dementsprechend mehr Geld verlangen.

– wie viele Aufführungen sind geplant?

Auch dies eine einfache Rechnung. Ein Kammermusikstück mag zum Beispiel schlecht bezahlt sein, aber das Ensemble spielt vielleicht das Stück dann bei mehreren Tourneen, was sich natürlich in der GEMA niederschlagen wird. Hierbei allerdings beachten: der GEMA-Zugewinn ist ca. 1-2 Jahre verzögert! Auch hier sollte man realistisch sein und keine überzogenen Vorstellungen haben: ein 10-minütiges Kammermusikwerk zum Beispiel gibt dem Komponisten im Schnitt 30,-EUR – 40,-EUR bei einer Aufführung, bei Verlagsanteil noch weniger.

– Wie „verwertbar“ ist das Stück?

Ein Stück für singende Säge, 4 Tenortuben und Mixturtrautonium wird vermutlich nur dieses eine, einzige Mal aufgeführt werden. Ein Solostück für ein selteneres Instrument wie zum Beispiel Blockflöte oder Akkordeon dagegen hat Chancen auf viele weitere Aufführungen, auch durch andere Musiker. Ist das Stück sehr „weiterverwertbar“ wäre das z.B. ein Argument, ein geringeres Honorar dennoch zu akzeptieren.

– Privater oder öffentlicher Auftraggeber?

Öffentliche Auftraggeber geben nicht ihr eigenes Geld aus, haben dafür aber natürlich oft interne Richtlinien und Vorgaben, was die Höhe von Honoraren angeht. Hier sollte man besonders nüchtern und realistisch sein, was die Verhandlungen angeht und kann ruhig darum bitten, das der Auftraggeber ein „übliches“ Honorar durch diese Institution benennt. Es gibt zum Beispiel Opernhäuser wie die Komische Oper, die darauf achten, einheitliche und immer ähnliche Honorare zu zahlen und generell Transparenz anstreben. Dies ist aber nicht überall üblich. Da man aber letztlich nicht mit der Person verhandelt, die das Geld selber zahlt, darf man hier ruhig selbstbewusst auftreten – umgekehrt ist aber auch zu erwarten, dass möglichst versucht wird, Gelder einzusparen.
Private Aufträge – vor allem im Bereich Kammermusik – sind in Deutschland unüblich und eher selten. Im Gegensatz zum Beispiel zu anderen (und musikalisch nicht so öffentlich geförderten) Ländern wie England gibt es hier kaum eine private „Auftragskultur“. Ich z.B. bekomme jedes Jahr zahlreiche Anfragen, die davon ausgehen, dass man einfach mal schnell mindestens einen Monat damit verbringt, ein Stück zu schreiben, natürlich umsonst. Immer wieder muss ich umständlich erklären, dass ich nur bezahlte Aufträge annehmen kann.
Natürlich kann man bei privaten Aufträgen den Auftraggebern auf vielerlei Weise entgegenkommen, vor allem wenn es sich um Freunde oder besonders engagierte Musiker handelt. Aber es würde allen helfen, wenn auch hier grundsätzlich darauf hingewiesen wird, dass ein Honorar notwendig ist.
Kleines Beispiel: eine englische Musikerin entschuldigte sich gerade bei mir dafür, dass sie für den Auftrag eines kurzen Klavierstückes leider nur 750,-Pfund zahlen können wird. Sie empfindet es auch als selbstverständlich, sich selber um dieses Auftragshonorar zu kümmern. In Deutschland habe ich dagegen noch nie erlebt, dass bei einem solchen Kleinauftrag ein Honorar angeboten wird, solche sind immer „für die Liebe“, wie es so schön heißt.
Die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung trägt übrigens einen großen Teil dazu bei, dass unabhängige Auftragshonorare auch in Deutschland ermöglicht werden, und achtet auch darauf, dass bestimmte Honorargrenzen nicht unterschritten werden. Ist also das Honorar extrem niedrig und es steht die „Ernst-von-Siemens-Musikstiftung“ bei den Förderern auf der Website, lohnt es sich durchaus, mal etwas genauer nachzufragen, ob das niedrige Honorar im Sinne der Förderer ist.

– Muss man selber einen Honorarvorschlag machen?

Hierbei gilt auch eine einfache Regel: Auf keinen Fall zu wenig verlangen. Verlangt man zuviel, wird der Auftraggeber es einen schnell spüren lassen, dass die vorgestellte Summe nicht möglich ist, man verliert aber als Komponist dabei keineswegs das Gesicht sondern sieht dann schnell, was realistisch „drin“ ist. Verlangt man dagegen zu wenig, sagt das Gegenüber selbstverständlich sofort ja. Eher am Anfang zu viel zu nennen ist also auf keinen Fall falsch, zu wenig zu nennen auf jeden Fall schlecht.
Aber dennoch empfehle ich bei Honorarverhandlungen immer größtmögliche Ehrlichkeit und Offenheit, es muss nicht zugehen wie auf einem Bazaar, auch wenn ich solche Honorarverhandlungen auch schon erlebt habe. Am besten ist es wirklich, wenn man geneinsam möglichst höflich und freundschaftlich alle Aspekte des Auftragshonorars durchspricht, dazu gehört auch, dass der Auftraggeber ehrlich seine Grenzen nennt und nicht „schachert“. Umgekehrt gilt selbstverständlich das selbe.

– Stimmenmaterial/Klavierauszug/Großes Recht

Viele Komponisten lassen sich auf Verträge ein, die sie zu weiteren Arbeiten verpflichten, die eigentlich gesondert vergütet werden müssen. So ist zum Beispiel die Stimmenherstellung eine extra Arbeit, für die zum Beispiel ein Verlag Leih- oder Kaufgebühren verlangen würde. Nicht vergessen: ein Orchester zahlt auch für die Notenleihgebühren der Stücke, die keine Uraufführungen sind, warum soll also dann die Uraufführung umsonst sein? Auch gerne unterschätzt wird zum Beispiel die Herstellung eines Klavierauszuges. Viele Komponisten unterschreiben blauäugig einen Opernvertrag und fallen dann aus allen Wolken, wenn sie merken wie viel Arbeit das ist. Schließlich und endlich sind z.B. Bühnenwerke sogenanntes „Großes Recht“, das heißt sie werden nicht von der GEMA abgerechnet. Das bedeutet wiederum, dass man als Komponist eine Rechnung über Tantiemen stellen darf und muss, auch dies zusätzlich zum verhandelten Honorar, nicht etwas als Teil dieses Honorars.

– Exklusiv oder nicht-exklusiv?

Inzwischen häufiger zu sehen sind Exklusivitätsklauseln bei privaten Auftragswerken. Dies bedeutet, dass der Auftraggeber es eine Zeit lang als einziger spielen darf. Dies wäre ein Grund, mehr zu verlangen, je nachdem wie lange diese Klausel gelten soll.


Bad Blog-empfohlene Honorarrichtlinien

Echte Honorarrichtlinien zu nennen, ist ein Ding der Unmöglichkeit, da letztlich die Summe von allen oben genannten Faktoren beeinflusst werden kann und natürlich auch mit dem eigenen „Namen“ bzw. „Berühmtheit“ zu tun haben. Letzteres wird von Komponisten meistens eher überschätzt und ist ganz schwer zu fassen.

In anderen Ländern gibt und gab es durchaus immer wieder Inititiaven, hier öffentliche Richtlinien zu etablieren. Nach Hinweis von Kollegen Johannes Kreidler sind zum Beispiel in Norwegen die Kompositionshonorare öffentlich und es gibt allgemeine Richtlinien, die einen kleinen Spielraum für „Berühmtheit“ erlauben, aber nicht viel, siehe hier.
Kleiner Tipp für schnelle Umrechnung: die Honorare durch 9 teilen (9 Kronen = ca. 1 Euro).

Die norwegischen Honorare sind nicht unvernünftig, liegen aber deutlich über dem, was in Deutschland üblich ist.
So empfiehlt man dort z.B. für ein ca. 3-minütiges Solo- oder Duowerk mindestens 750,- maximal 2500,-EUR. Ein 15-minütiges Orchesterwerk wiederum soll im Schnitt 15.000,-EUR kosten, eine abendfüllende Oper für mindestens 20 Mitwirkende etwas mehr als 60.000,-EUR.
Leider ist das so auf Deutschland nicht übertragbar, obwohl mir die Überlegungen der norwegischen Kollegen ehrlich gesagt fair und durchdacht erscheinen. So bewegt sich zum Beispiel ein durchschnittliches Auftragshonorar im Budget-gebeutelten Donaueschingen deutlich unter diesen Zahlen.

Erfolgreiche Komponisten wie Wolfgang Rihm propagieren eine simple Formel wie 1.000,-EUR pro Minute Musik. Das kommt bei Orchesterstücken zu realistischen Ergebnissen, bei Kammermusik dagegen nicht. So kenne ich kaum einen Veranstalter, der für ein 45-minütiges Streichquartett 45.000,-EUR zahlen würde.

Ich schlage daher eine andere einfache Basisregel (für den deutschen Raum wohlgemerkt!) vor, die ich die 5/10/20/40-Regel nenne, und die mit einfacher Verdopplung funktioniert.

5000,-EUR Verhandlungsbasis für ein substantielles(= 15 Minuten) Kammermusikwerk

10.000,-EUR Verhandlungsbasis für ein substantielles (= 15 Minuten) Orchesterwerk

20.000,-EUR Verhandlungsbasis für eine abendfüllende Kammeroper (= 80-90 Minuten)

40.000,-EUR Verhandlungsbasis für eine abendfüllende große Oper mit Orchester (= 80-90 Minuten)

Diese Zahlen sind einfach anzupassen, je nachdem wie lang das Stück ist. So wäre zum Beispiel 1500,-EUR für ein 5-minütiges Klaviertrio absolut ok, bei nur einem Instrument könnte es auch noch weniger sein. Ein 30-minütiges Streichquartett wiederum kann durchaus auch das doppelte kosten, zum Beispiel 10.000,-EUR.
Ebenso bei Orchesterwerken – ein 30-minütiges Orchesterstück ist mit z.B. 20.000,-EUR nicht überbezahlt.

Diese Zahlen sind natürlich nur als sehr grobe Richtlinien zu verstehen, die oben aufgezählten Exkpunkte spielen ganz sicher eine Rolle bei der letztlich zu verhandelnden Summe.

„Unanständige“ Honorare

Wann ist ein Honorar „unanständig“, also eigentlich nicht akzeptabel? Diese Frage steht oft unbeantwortet im Raum, anhand der von mir oben vorgeschlagenen Zahlen kann man aber postulieren, das alles was deutlich unter ein Drittel der angegebenen Summen fällt, „unanständig“ sein kann, zumindest kann das ein Argument bei den Verhandlungen sein.

Ein Honorar von z.B. 8.000,-EUR für eine abendfüllende Oper mit großem Orchester ist zum Beispiel definitiv „unanständig“ und darf auf keinen Fall akzeptiert werden, auch nicht als junger Student, der direkt von der Hochschule kommt.

Dennoch muss auch hier beachtet werden: nicht alle Auftraggeber sind gleich. Ein kleines Festival für Neue Musik operiert zum Beispiel meist mit einem vom Kulturreferat begrenzten Etat. Niemand verdient da etwas, alle arbeiten ehrenamtlich, auch die Musiker sind meist unterbezahlt. Generell ist es empfehlenswert, solchen Initiativen – die sich letztlich aufopferungsvoll für die Sache unserer Musik einsetzen – wesentlich mehr entgegenzukommen als zum Beispiel einem Auftrag einer großen und stark geförderten staatlichen Institution wie zum Beispiel einem A-Orchester.

Das sollte sich einerseits von selbst verstehen, erzeugt aber eben auch die komplexe Gemengelage, die Honorarverhandlungen gerade für junge und unerfahrene Komponisten so schwierig machen.

Daher: diesen Artikel gerne teilen und auch Veranstalter darauf hinweisen, gerne auch auf die norwegischen Richtlinien.

Vielleicht hilft’s ja.

Gute Verhandlungen wünscht euch euer

Moritz Eggert

3 Antworten

  1. Hier auch die Mindesthonorarempfehlungen des kanadischen Komponistenverbands:
    http://www.composition.org/commissioning-rates/

    Du gibst leider nicht nochmal dediziert an, ob Du Deine obigen Zahlen inklusive oder exklusive der Klavierauszug- und Notensatzarbeit verstehst. Ich würde sagen, exklusive, oder?

  2. Und ich würde auch gerne darauf hinweisen, daß es nicht nur um die Deckung der Kosten (= im Falle des Komponisten Lebenskosten) geht, sondern auch um die Erzielung eines Gewinns. Das ist nicht nur 1. Semester BWL, sondern hat ganz existentielle Gründe. Als ich meinen ersten (im Übrigen absolut vernünftig bezahlten) Opernauftrag bekam, hab ich aus lauter Respekt davor sämtliche anderen kleinen Aufträge abgelehnt, um mich voll darauf konzentrieren zu können. Als die Aufführungen dann abgespielt waren, hatte ich zwar eine großartige Erfahrung und wunderbare Kritiken, aber kein Netzwerk mehr. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich das wieder aufgebaut bekam. Mit zwei Kindern und keiner festen Lehrverpflichtung alles andere als lustig. Ich habe das Opern komponieren als echte Risikoveranstaltung erlebt.