FGNM/MGNM – Fernbeziehung // Online-Kritiken-Abmahnwahnsinn // Schrank der Choreografen
FGNM/MGNM – Fernbeziehung
Frankfurt/M., München • FGNM, MGNM, MFG, MMNF, GGF, etc. Das Lautstück mit diesen Buchstaben lässt noch auf sich warten. Nicht mehr abwarten konnten die Frankfurter Gesellschaft für Neue Musik (FGNM) und die Münchener Gesellschaft für Neue Musik (MGNM), endlich ein Austauschprojekt zu starten. Aus der heimlichen Hauptstadt Deutschlands war ich schon einmal auf Einladung des damaligen Vorstands um Frank Gerhardt und Robin Hoffmann als heimliches Münchener Zither-Gen 2007 zusammen mit Martin Jaggi, Komponist wie Cellist aus Basel, und Leopold Hurt, Komponist und Zithermeister aus Hamburg mit Regensburger Wurzeln, mit „MenschenSchneiden“ für Cello, Zither und synthetischen Chor zu Gast, da ich mit meinem Kompositionsstudium als heimlicher Hesse galt. Nun sind sechs Jahre verflossen, die Vorstände der GNM in Frankfurt wie München änderten sich. Robin Hoffmann führte vor einiger Zeit Paul Hübner und Despina Apostolou-Hölscher in Amt und Würden ein, in München amtieren Nikolaus Brass und Minas Borboudakis. Und diesmal waren es die regsamen Griechen, die sie während einer der Ensemble Modern Akademie-Projekte kennenlernten, die Bayern und Hessen endlich offiziell verbandeln konnten – als verspätete Morgengabe für königlich bayerische-griechische Bindungen im 19. Jahrhundert? Oder als ausgefuchster Hinweis, dass die hellenischen Ur-Europäer kulturell auch in der Gegenwart an verbindender Potenz im Gegensatz zu den europäisch-griechischen finanziellen Krisenmomenten uns haushoch überlegen sind, die erstmal AGs bilden, bis dann ein zögerliches Annähern von lokalen Musikvereinen passiert?
Es ist ja generell eine kleine nationale Schräglage in Deutschland, dass die nationalen GNM als IGNM erfolgreich ihre internationalen grossen Treffen zustande bringen, die regionalen Untersektionen, all die AGNM, BGNM, etc. und bisher auch FGNM und MGNM, nicht bis überhaupt gar nicht miteinander Austauschprojekte pflegten. Wie gesagt, Minas und Despina stiessen die Kugel an und brachten endlich Zunder ins Feuer. Ausgerechnet mit dem Konzert des Hamburger Decoder-Ensembles um Leopold Hurt anlässlich des diesjährigen aDevantgarde-Festivals rauschte eine Delegation der FGNM nach München – Paul und Robin hatten Aufführungen bzw. wirkten in dem Decoder-Konzert mit – , wurden dann mit der MGNM Nägel mit Köpfen gemacht. Das erste Ergebnis war nun nach einem internen Wettbewerb der MGNM um Werke für Viola, Cello, Akkordeon und Tubax das Gastspiel in Frankfurt im dortigen Saal des Instituto Cervantes, passend zur FGNM-Konzertreihe „Fernbeziehungen“. Klaus Peter Werani (Viola) und Hanno Simons (Cello) des BR-Sinfonieorchesters taten sich mit den freien Musikern Markus Heinze (Tubax) und Kai Wangler (Akkordeon) zusammen. Mit den Münchener Stücken zeigten sie eine Auswahl der mitunter interessantesten Münchener Komponisten.
Kai Wangler füllte vorzüglich die wahrlich existenziellen Daseinsfragen in Klaus K. Hüblers Maske mit Atem-, Klapper- und Schrittgeräuschen, bis endlich nach immer einengenderer Atemlosigkeit der einzige Ton der Akkordeonzungen erklang. Genauso souverän spannte er expressive Bögen durch Minas Borboudakis kaleidoskopartige „diffracted thoughts“. Markus Heinze zeigte mit seiner Tubax-Improvisation exemplarisch die mächtig rotzenden Sounds des Riesensaxofons und entfernte sich am Ende von diesem Monstrum mit einer feinen Mundstückimprovisation. Einfach der Titel, nämlich „VIOLA“, schwer zu spielen das Stück von Tom Sora: Klaus Peter Werani knüpfte mit strenger Präzision die genaue verlangten, chromatisch zu durchrutschenden Glissandi in allen Lebenslagen seiner Bratsche zusammen, ein struktureller Genuss. Die beiden Streicher loteten in der einfach nur schönen „Nachschrift“ von Nikolaus Brass verträumte Stille und harsche Explosivität aus. Das volle Quartett eröffnete mit geologisch massiven Blöcken in Dorothea Hofmanns „Songs of the Ice Age“ und trug wie die Namensgeber von Norbert Stammbergers „Karyatiden“ einen Atlas an katalogischen Kombinationsmöglichkeiten der Besetzung zusammen. Meine eigenen kartografischen Ritzfantasien erfüllten sie ohne Cello zur Gänze in meinem Trio „Schraffur/Gelände“ für Viola, Akkordeon und Tubax. Als Dankeschön trug die FGNM das wohl beste und preiswerteste Oktoberfestbier nördlich des Bratwurtsäquators auf, allein somit hatte jeder Ferngebliebene was verpasst. Am 23.11.13, 20 Uhr, wird die FGNM mit „Stellprobe – ein inszenierter Abend“ ihr Aufgebot für München im dortigen Gasteig, Black Box präsentieren. Man darf gespannt sein!
Online-Kritiken-Abmahnwahnsinn
Bremen • Moritz Eggert hatte als erster hier im Badblog mit „Warnung vor dem Hunde“ Fälle dargestellt und die Abmahnpraxis kritisiert, die von Zeitungen beauftragte Kanzleien gegen Künstler unternehmen, die Ausschnitte aus Kritiken zu ihren eigenen Auftritten auf ihren Homepages zitieren. Man kennt diese Praxis analog von den Theaterschaukästen. Die Künstler selbst sind ja der Hauptgrund für das Zustandekommen jener Artikel. Bisher ging dies stillschweigend gut, jetzt verlangen die Kanzleien zum Teil exorbitante Abmahngebühren sowie die Zeitungen horrende Lizenzgebühren, was sowieso schon nicht so zahlungskräftige Künstler in absolute Geldnot treiben kann. Die Reaktionen auf den Artikel zeigten die ganze Bandbreite von Möglichkeiten und Unmöglichkeiten auf beiden Seiten, glaubte man immerhin wieder in Kontakt zu kommen, individuelle Lösungen zu finden. Im Prinzip geht es immer darum, wie man Teile von urheberrechtlich geschützten Kritiken in einem eigenen Text per Zitierrecht benutzen darf, was lösbar sein kann und dennoch für Querelen sorgt, oder ob man gar ganze Texte vollständig kostenfrei nutzen darf, was bei genauerem Hinsehen tatsächlich mit Wilderei zu tun haben könnte, wenn man keine Lizenzgebühren den Zeitungen und Kritikern zahlen möchte. Allerdings weiß man auch, wie wenig von diesen Lizenzgebühren wirklich beim Autor eines Artikels ankommt. Das kennen Künstler selbst zur Genüge.
Die Sängerin Scarlett O und der Liedermacher Michael Zachcial (Die Grenzgänger) sollen aktuell bis zu knapp 1.000 € Anwaltsgebühren zahlen. Scarlet O stellt auf ihrer Seite dar, dass z.B. pro Nutzungsjahr 1.900 € zahlen soll und 600 € sofort als Vergleichszahlung an den Autor für dessen Auskunftsrechtsverzicht leisten soll. Eine ganz schöne Summe dürfte sich da kumulieren. Sie haben nun einen offenen Brief verfasst, den man unter diesem Link, auch zum Mitunterzeichnen, finden kann, wie vor wenigen Minuten z.B. mir der DKV (Deutscher Komponistenverband) mailte. Scarlett O hat wohl Probleme trotz Einwilligung des Autors bekommen, Zachcial und seine Grenzgänger zitieren, wenn man auf die Homepage schaut, kleine Ausschnitte. Das muss nun jeder selbst beurteilen. Eines ist aber klar, dass hier wohl wieder Linien überschritten werden, und diesmal nicht durch SZ oder FAZ, sondern durch Kreisblätter.
Schrank der Choreografen
München • Ich gebe zu, nicht allzu häufig Gast in Tanzperformances zu sein. Das hat mitunter seinen Grund in der Verwendung von Musik durch die Choreografen. Klar, sie muss zum Tanz passen, der Bewegung entgegenkommen, eine Situation speziell einfangen, wie eben Theater- oder auch Filmmusik. Allerdings erscheint mir die verwendete Musik austauschbar und unspezifisch. Und der/die Choreograf/-in scheuen hochwertigere Musik, ja, manchmal scheinen sie sich mit hübschen Songs förmlich beim Publikum anzubiedern, als ob man das in vielen Produktionen ähnliche Ausdrucks-Modern-Dance-Allerlei übertünchen müsste. Das stellt sich vereinfacht so dar:
– ein Sound aus dem Nichts, der entweder hübsch aufblüht oder in Riesenscratchen mündet, gefolgt von Boah-Stampfbässen.
– Pfffff zsccccschh chchchchch sssssss ttttt z schscshcshcshkkkl – das geht zu Lasten der oft Beteiligten Soundkünstler: sorry, das klingt so oft im Tanz gleich und könnte auch aus einer Onlinedatenbank stammen.
– Langsames Gitarrenarpeggio, eine hauchende, englisch singende Frauen- oder Männerstimme in einem wiederum millionenfach austauschbaren Ach-wie-hübsch, ach-wie gefühlvoll Song.
– Spannung wird durch meist niederländischen Elektro-Minimal-Music-Sound befriedigt.
– Wenn Live-Musiker dabei sind, gibt es entweder eine superfreie Improvisation zum superfreien Tanz. Oder nette Tonleitern, hübsch fragmentiert, in den Raum gelauscht.
Liebe TänzerInnen, liebe MusikerInnen – das ist eigentlich zu dünn, um wirklich ernstgenommen zu werden. Das geht Gott sei Dank meist über das Inhaltliche der Produktion. In Hinsicht auf die Musik, fällt selbst das progressivste Projekt hinter den state-of-art der zeitgenössischen Musik zurück. Da mag noch soviel von interkulturell bis interdisziplinär die Rede sein. Es geht nur um den Tanz selbst, um den Schrank des Choreografen, wo wohl einige Tassen fehlen. Leider muss man auch feststellen, dass selbst die KomponistInnen im Austausch mit dem Tanz weit hinter ihre ästhetischen Möglichkeiten zurückfallen. Natürlich gibt es genauso in der Neuen Musik ein Allerweltsallerlei. Immerhin ist davon doch einiges selbst minimal diskurswürdig. Aber daran kommt die verwendete Musik im Tanz leider so selten heran, klappen merkwürdigerweise gezielte selbst Projekte von Tanz und Komposition im freien Bereich zu selten. Das liegt einerseits an der Heranziehung von Musikern und Komponisten, die letztlich doch zu sehr in ihren Gebrauchsmusiken verheddert bleiben. Und somit liegt es wiederum an der Verantwortlichkeit all jener ChoreografInnen, die einer eingehenderen Beschäftigung mit Musik aus dem Weg gehen, man schon froh sein darf, wenn die Elektromucken wirklich mal extremer sind. So ist Tanz immer dann am musikalischsten, wenn er seine eigenen Sounds aus dem Körperklang heraus entdeckt. Dennoch gäbe es so schöne Andockpunkte, wenn das Puppenhaus des eigenen Geschmacks nicht immer nur Pate stehen würde. Oder will sich ein Choreograf experimenteller Facon mit Filmregisseuren vergleichen lassen, die bei Zwischendominanten nur krähen können, dass diese bescheidenen, romantischen Akkördlein zu viele Halbtöne hätten? Wenn der Tanz sich musikalisch gibt, zugleich darin zeitgemäß sein möchte – bitte, wir stehen parat. Und auch unsereins muss dann einiges lernen. Aber bitte nicht im Sinne von „zuviel Halbtöne“ oder den oben genannten Allgemeinplätzen.
Komponist*in
Eine Antwort
[…] einiger Zeit berichtete ich über den Besuch der MGNM, Münchener Gesellschaft für Neue Musik, bei ihrer Frankfurter Schwester. Nun waren diese […]