Abschied von Theo Brandmüller

Es ist schon schlimm – wie immer vor Weihnachten häufen sich die Todesfälle. Manche nicht vollkommen unerwartet ob fortgeschrittenen Alters (wie bei Hans Werner Henze oder Elliott Carter), manche dann aber eben doch überraschend und vor allem viel zu früh.

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So ist es mit Theo Brandmüller – einem der warmherzigsten, begeisterungsfähigsten und vor allem musikalischsten Kollegen, die ich je kennenlernen durfte. Bei ihm ist es verdammt nochmal viel zu früh mit dem Scheiß-Tod, das kann man wohl sagen!

Sicher – Theo hat nie besonders gesund (will sagen: genussvoll) gelebt und sein nicht enden wollender Schluckauf in den letzten Jahren (für ihn sicherlich nicht so lustig, wie es zuerst klingt) war quasi schon legendär. Gleichzeitig war er von einer ganz besonderen Energie erfüllt, einer bestimmten barocken Lebensfreude, die die Welt umarmt – anders kann man es nicht beschreiben. Er trug seine Leiden nie nach außen, war immer jovial, eigentlich ein typischer Saarländer, aber eben doch nicht, weil er ja aus Mainz kam. Aber im Saarland hat er seine Wahlheimat gefunden, und sie ihn.

Ich habe ihn schon gleich bei unserer ersten Begegnung fest ins Herz geschlossen und mich jedesmal riesig gefreut, wenn ich ihn gesehen habe. Was gottseidank nicht selten war: Musikfestivals, Konzerte, GEMA-Versammlungen, Hochschulveranstaltungen, Meisterkurse: Überall war Theo stets anzutreffen, immer ansprechbar, nie grantig oder eifersüchtelnd, immer loyal, positiv und wie ein Berserker Orgel spielend, komponierend, unterrichtend. Ich bin froh, dass das viele Menschen erleben durften, und dass viele diese Erinnerung an ihn besitzen und herausholen können, wenn man mal wieder genug vom Betrieb und seinen Ränkespielen hat und wieder an einen Kollegen denken möchte, der eine rundum positive Erscheinung war. Mit Ecken und Kanten, gewiss, aber eben ohne Arg.

Musikalisch war er ein Monstrum des Talents: ein grandioser Organist, der auch die kniffligsten Sachen scheinbar mühelos spielen konnte. Und als Komponist musste er auch nie nach Einfällen suchen, sie sprangen ihn an, ergaben sich aus seiner grenzenlosen Phantasie. Ich bin sicher, dass sein Kopf stets voller Musik war. Zum Bersten voll, würde ich sagen, und genauso sah er auch immer aus, mit seinen nach allen Richtungen abstehenden Haaren, die – wie seine Töne – nie richtig zu bändigen waren. Mit ihm Auto fahren tat man besser nicht (Kenner wissen warum), aber einen Abend mit ihm zu verbringen war stets ein intellektueller wie dionysischer Genuss.

Zu seinem kommenden 65. Geburtstag arbeiteten seine Freunde an einem Jubiläumsbuch, zu dem ich auch einen Artikel beigetragen habe. Leider wird er dieses Buch nicht mehr als Geschenk empfangen können. Daher hier das, was nun leider eigentlich in die Vergangenheitsform gesetzt werden müsse, was ich aber im Präsens belasse, einfach, weil er dann für mich wenigstens einen Moment lang wieder lebendig wird:

Mein lieber Theo

Es gibt Kollegen, die sind über jeden Zweifel erhaben, da sie das Wort „Kollege“ im besten Sinne er- bzw. ausfüllen. Mein Freund Theo ist so einer.

„Im besten Sinne“ – damit meine ich nicht nur das, woran man jetzt als erstes denken würde: z.B. dass Theo einfach ein unglaublich zuverlässiger, herzenswarmer und engagierter Mitstreiter ist, wenn es um die Belange der Neuen Musik im Ganzen geht. Sei es bei der aufopferungsvollen Förderung von jungen Kollegen durch seine hervorragende pädagogische Arbeit in Saarbrücken und Weikersheim oder seinen verdienstvollen Einsatz nicht nur bei der GEMA – Theo ist omnipräsent, immer ansprechbar, immer voller Rat- und Tatkraft.

Auch meine ich nicht allein das, woran man jetzt als zweites denken könnte: Nämlich, dass Theo ein in jeder Hinsicht barocker und einnehmender Mensch ist, auf angenehme Weise nicht still, humorvoll, lebendig, voller Energie, stets eine Quelle unglaublicher Erzählungen und unerhörter Anekdoten, ein Mensch neben dem man stundenlang am Tisch sitzen kann, ohne sich auch nur eine Sekunde zu langweilen.

Nein, ich meine vor allem das: Theo ist für mich der Urtyp des „musikantischen“ Komponisten, jemand, der aus einem eigenen unglaublichen instrumentalen Können positiv schöpft und diese Leidenschaft auf das Notenblatt übertragen kann. Bei ihm gibt es keine furztrockene Kopfmusik – seine Musik lebt, schwitzt, lacht, brilliert, jubiliert, begeistert, tröstet, überwältigt. Seine Musik ist kluge Bauchmusik, und das liebe ich.

In dieser Hinsicht steht er für mich ganz nahe bei den großen „Musikanten“ unter den Komponisten, denn er ist nicht nur Mensch, sondern schreibt auch wie einer. Was letztlich das Allerwichtigste beim Komponieren ist.

Nicht nur dafür danke ich Dir, lieber Theo, und wünsche Dir von Herzen alles Gute zum Jubiläum,

Dein
Moritz Eggert (Kollege)

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5 Antworten

  1. Alexander Strauch sagt:

    Sehr schöner Nachruf! Danke, Moritz!!

  2. Karola sagt:

    Lieber Moritz, vielen Dank für den schönen Text.

    Lieber Theo, ich vermisse Dich.
    Und habe keine Worte.

    In Trauer,
    Deine Schülerin
    Karola

  3. spicciolino sagt:

    Danke für den Nachruf, lieber Moritz Eggert. Man spricht eigentlich bloß von „Theo“ und jeder weiß, wer gemeint ist. Sein Tod berührt mich sehr, und ich denke sein und Martin Redels Unterricht bei den Kursen „jugend komponiert“ in Weikersheim hat doch sehr viele Kolleginnen und Kollegen beeinflußt, womöglich auch überhaupt erst in ihrer Entscheidung bestärkt, das Komponieren könnte überhaupt irgendwie als Beruf betrieben werden. Gerade seine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal für junge Leute, die abseits der Ballungszentren wohnen.
    Ich habe ihn auch später immer wieder getroffen, und natürlich seine oft bewußt kauzige Musik gehört. In der Erinnerung wird er mir vor allem als mein erster Kompositionslehrer bei den Jeunesses Musicales 1978-85 für immer lebendig bleiben!
    RIP, Theo!

  4. Rolf Rudin sagt:

    Auch ich war vollkommen bestürzt von der Nachricht vom Tode Theos und ich möchte Dir lieber Moritz danken für Deine wie immer wohlgewählten und emotionalen Worte. Ich kenne Theo seit Anfang der 90er Jahre und habe mich immer gefreut mit ihm zusammen zu treffen. Seit meiner Zeit an der Pariser Cité habe ich ihn immer als offenen und ansprechbaren kollegialen Freund erlebt, der sich auch nach längerer Sendepause immer quasi nahtlos diese überbrückend über das Zusammentreffen freuen konnte.

    Vielen Dank nochmals und selbstverständlich vergessen wir unseren Gefährten auch in Zukunft nicht.

    Rolf Rudin

  5. Erik Janson sagt:

    Ich schließe mich an. Danke für den Nachruf, der auch hier nötig war und der es sicher trifft. Selbst kannte ich ihn nicht so lange persönlich, leider, weshalb mir Zurückhaltung gebührt. Persönlich kannte ich ihn leider erst richtig seit Saarlouis 2008, Orgeltage. Aber da habe ich direkt gemerkt, welch herzlicher, idealistischer und musikalischer Mensch er war. Bis zum Schluss hat er viele junge Komponisten gefördert, sich beispielhaft für die Neue Musik (mit Betonung auf MUSIK) eingesetzt. Er ist viel zu früh von uns gegangen. Die Mischung aus Trauer, Fassungslosigkeit und einer Spur ohnmächtiger „Wut“ (Scheiß-Tod!) fühle ich daher auch. Bin sicher: alles von ihm bleibt und er schaut uns allen mit kritischen aber wohlwollenden Lächeln von Oben auf unsere Komponier- und Aktivitäten- und Solidaritäts-Fingerchen.

    R.I.P. Theo Brandmüller-