64

…das ist die neue Zahl der möglichen außerordentlichen Delegierten für die Hauptversammlung der GEMA am 26. Juni 2012 in Berlin (Details hier). Und wieder einmal ist es meine Pflicht auf die Dringlichkeit des Besuchs dieser Versammlung hinzuweisen – und damit meine ich euch, liebe E-Musik-Kollegen. Vielleicht war es sogar noch nie so dringend.

Werbung

Obwohl ich ungern in Superlative verfallen will, aber im Moment bringen sich wieder alle möglichen Interessengruppen in Position, und sie tun dies ganz gezielt, mit dem Aufstellen von Kandidaten für den Aufsichtsrat, mit Anträgen die in ihrem Interesse sind, etc.. Und das ist auch ihr gutes Recht, denn die GEMA ist zuallererst einmal ein Verein, und wie in jedem Verein wird demokratisch abgestimmt und nur die Anwesenheit bei der Versammlung garantiert auch das Recht auf Abstimmung (im Gegensatz zur Meinung vieler Kollegen ist Stimmenübertragung NICHT möglich). Der Aufsichtsrat – also die gewählte ehrenamtliche Vertretung der Mitglieder – ist durch den überraschenden Rücktritt von Jörg Evers und diverse interne Diskussionen momentan nicht direkt in der allerbesten Verfassung, und wieder einmal hat es die E-Musik – die auch nur eine von vielen Interessengruppen innerhalb der GEMA ist – nicht sehr einfach.

Im Gegensatz zu den anderen Lobbyisten, z.B. der „Composer’s Club“ – Fraktion, oder den Werbe- und Jinglekomponisten, ist die E-Musik aber traditionell unorganisiert, uneins und oft einfach meistens gar nicht anwesend, wenn es um die Wurst, vielmehr um den Verteilungsplan geht. Das mag damit zu tun haben, dass viele E-Komponisten dem Klischeebild des chaotischen und individualistischen, etwas weltfremden Künstlers tatsächlich auch entsprechen – eine Attitüde die sich zum Beispiel ein Komponist im knallharten Filmmusikbusiness nicht leisten kann, daher treten diese traditionell auch wesentlich organisierter auf.

Was ist der Verteilungsplan? Schlicht und einfach der Schlüssel, nach dem die Einnahmen der GEMA verteilt werden. Und dieser ist bei kaum einer Verwertungsgesellschaft so kompliziert wie bei der GEMA, was damit zu tun hat, dass sie in ihren Statuten z.B. eine Förderung von E-Musik oder anspruchsvollen Musikformen wie z.B. Jazz oder den so schwer zu fassenden ambitionierten genreübergreifenden Musikstilen vorsieht. Das Schwierige beim Verwaltungsplan ist es, die richtige zu Balance zu finden – d.h. keiner Richtung mehr zuzugestehen, als sie verträgt und Missbrauch und Ausnutzung zu verhinden – niemand will, dass zum Beispiel kurze Werbejingles ihren Komponisten unverhältnismäßig viel Geld einbringen oder dass Aufführungen gezielt so geschaltet werden, dass sie die statistischen Erfassungsverfahren wie das PRO-Verfahren unterlaufen oder verfälschen.

All dies ist vielleicht eine Sisyphus-Aufgabe, die nie komplett zu lösen ist, deren Lösung aber stets ein demokratischer Prozess ist. Womit wir wieder bei der Zahl 64 wären.

Hier ein Schnellkurs darin, wie GEMA-Versammlungen funktionieren:

Es gibt 3 Stufen von Mitgliedschaften. Die erste ist die angeschlossene Mitgliedschaft ohne großes Stimmrecht, als nächste Stufe folgt die so genannte „außerordentliche“ Mitgliedschaft, noch kein volles Mitglied, aber quasi ein Anwärtermitglied, mit begrenztem Stimmrecht (Siehe unten). Bei einem bestimmtem Aufkommen innerhalb von 5 Jahren (zu dem auch die Wertung gerechnet wird, die oft höher ausfällt, als das tatsächliche Aufkommen, da bei ihr auch die Jahre der Mitgliedschaft so wie auch der Bekanntheitsgrad als Künstler einbezogen werden) wird man „ordentliches Mitglied“, mit voller Stimmberechtigung und vollem „Punktwert“ (Punkte werden als Schlüssel für die Wertung verwendet, was hier zu weit führen würde, wenn man es im Detail erklärte).

Am 26. Juni tagen die drei Kurien: Textdichter, Verlage und Komponisten jeweils getrennt, und stimmen einen Tag lang über anstehende Anträge ab. Dies ist der mit Abstand wichtigste Tag, und wenn man die GEMA-Versammlung nur einen einzigen Tag besuchen kann, sollte es dieser Tag sein, denn am nächsten Tag liest man sich vor allem die Ergebnisse des Vortages in einer großen gemeinsamen Sitzung vor, verleiht Ehrenpreise und feilt an Detailformulierungen.

Allerdings funktioniert dies nur, wenn man ordentliches Mitglied ist – die außerordentlichen Mitglieder haben es etwas schwerer. Sie sind nur voll stimmberechtigt, wenn sie als „Delegierte“ für die ordentliche Mitgliederversammlung gewählt wurden. Daher gibt es am Tag vor der ordentlichen Mitgliederversammlung – also am 25.6. – eine Versammlung der außerordentlichen Mitglieder, in der nun 64 Delegierte gewählt werden können, was eine höhere Zahl ist, als in den vergangenen Jahren, um den außerordentlichen Mitgliedern mehr Einflussmöglichkeiten zu geben.

Hier nun sind gerade die E-Kollegen gefragt, denn als E-Komponist ist man bei der ordentlichen Mitgliederversammlung schon ein ziemlicher Exot, bei der Außerordentlichen Mitgliederversammlung muss man dagegen oft mit der Lupe suchen, um E-Kollegen zu finden, da diese (oft aus Frust und aus schlechten Erfahrungen) meistens den Versammlungen fern bleiben. Dabei ist es dieses Jahr so leicht wie noch nie, als Delegierter gewählt zu werden, und man ist dann voll stimmberechtigt in der Hauptversammlung, ohne Abstriche!

Wenn also die meistens jüngeren E-Kollegen auch dieses Jahr wie so oft fernbleiben, wird die Macht der anderen Lobbys eher wachsen und die ohnehin schon sehr prekäre Balance der Mächte in der GEMA wäre noch mehr in Gefahr als sie es ohnehin schon ist. Dies kann über kurz oder lang die E-Wertung betreffen, die schon seit Jahren unter Beschuss ist, aber einen ganz wichtigen Ausgleich für Musik darstellt, die nicht kommerziell ausgerichtet ist.

Die GEMA funktioniert immer am besten, wenn alle an einem Strang ziehen. Die U-Kollegen brauchen die E-Musik, denn gerade die Förderung rein künstlerischer Inhalte differenziert das oft negativ übertriebene Bild der GEMA in der Öffentlichkeit als gierige Geldeintreiberorganisation. Die E-Musik braucht aber wiederum die U-Musik-Kollegen, da diese oft sehr viel mehr von den Problemen der Urheberrechtsdiskussion im 21. Jahrhundert verstehen und natürlich auch die GEMA finanziell auf eine sichere Basis stellen.

Jeder hilft jedem also, und daran muss man sich immer wieder erinnern, in respektvollem Umgang miteinander.

Also: hingehen! Mit Kollegen reden! Wählen! Abstimmen!

64 – merkt euch diese Zahl. Sie ist eine Chance.

Moritz Eggert

Liste(n) auswählen:
Unsere Newsletter informieren Sie über Neuigkeiten im Badblog Of Musick. Informationen zum Anmeldeverfahren, Versanddienstleister, statistischer Auswertung und Widerruf finden Sie in unserer Datenschutzbestimmungen.

3 Antworten

  1. malte sagt:

    Habe mich als außerordentliches Mitglied (E-Komponist) zur Delegiertenwahl aufstellen lassen. Ebenso einige andere Kollegen aus dem E-Bereich. Die Problematik hat schon die Runde gemacht.
    Gruß
    Malte

  2. Lieber Moritz, danke für den Artikel, der fleißig verbreitet wird. Ich muss aber in einer Sache doch etwas hinzufügen, gerade aus der Erfahrung der letzten Jahre. Es wird immer behauptet, der Dienstag ist der wichtige Tag und der Mittwoch rein formal und da passiert nichts mehr. Früher mag das so gewesen sein, heute stimmt das nicht mehr. Es ist immer möglich, wenn eine Mehrheit dies wünscht, einen Antrag nochmal „aufzumachen“, auch am Mittwoch. Genau das ist in den letzten Jahren immer wieder passiert und hat den Mittwoch bis in die Abendstunden ausgedehnt. Früher war mal mittags Schluss. Und da manche dachten, den Mittwoch kann man sich ja sparen, fehlten am Mittwoch entscheidende Stimmen, bzw. wurden Anträge vom Vortag sogar umgedreht. Deshalb – die Versammlung ist am 26. UND am 27. Juni. Beide Tage sind wichtig.
    Die Fachgruppe E-Musik (FEM) des Deutschen Komponistenverbandes informiert die Mitglieder durch verschiedene Rundmails (Freitag kommt die nächste) und am 25. Juni gibt es direkte Informationen zu den Anträgen auf der Fachgruppenversammlung. Auch die Aufstellung der Kandidaten für die Wahl der Delegierten wird im Moment durch die FEM etwas koordiniert und kommuniziert. Ich kann mich noch erinnern, dass ein wesentliches Problem dieser Versammlung der an&ao Mitglieder war, dass keiner wußte wer da eigentlich alles sitzt usw. Es wird einige gute Kandidaten geben. Wir brauchen aber vor allem Leute, die sie auch wählen. Der Aufsichtsrat wird dieses Jahr auch gewählt….
    Also, liebe E-Komponisten, Aufwachen! bewegt euch verdammt nochmal zu dieser Versammlung und redet mal miteinander über eure Zukunft und wählt eure Vertreter.

  3. @Johannes: Danke für Deine wichtigen weiterführenden Erläuterungen, mir ist das auch durchaus klar, allerdings gibt es tatsächlich Situationen, wo man nur einen einzigen Tag kommen kann – dann lieber den 26., da da doch insgesamt mehr abgestimmt wird. Und dass Anträge dann in der großen Kurie von z.B. den Textdichtern wieder gekippt werden, kann man nur selten verhindern, auch wenn in großer Zahl anwesend…