Dürfen wir etwas sagen? Oder dürfen wir nichts sagen?

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Wir leben in einer Zeit in der so viel geredet wird wie noch nie. Und gleichzeitig gab es wahrscheinlich auch noch nie so viel Angst davor, wirklich etwas zu sagen.

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Woran das liegt? Wer eine Meinung vertritt macht sich verletzlich, macht sich angreifbar. Die politische Korrektheit von heute ist kein Resultat der Höflichkeit, kein Respekt vor Minderheiten, nicht der Angst jemanden zu verletzen geschuldet. Sie ist nichts weiter als ein Offenhalten von Optionen. Wer politisch korrekt ist, bleibt aalglatt – langweilig vielleicht, aber letztlich kann man ihn nicht erwischen, ihm keinen Strick aus irgendetwas drehen.

Die Verbreitung der „politischen Korrektheit“ ist mit der Verbreitung des Internets gewachsen. Denn seitdem gilt nicht mehr: was geredet wird, ist schnell vergangen, was geschrieben wird, ist für die Ewigkeit. Heute ist auch das tägliche Reden meistens schreiben: Emails, Messages, SMS, Skype – zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit wird quasi alles, wirklich alles, was ein Mensch so von sich gibt, was er so treibt, was er so schwätzt, für die digitale Ewigkeit bewahrt. Wir dürfen nicht vergessen: vieles von dem, was wir auf Facebook schreiben, in Blogs kommentieren, auf unsere Websites stellen, unterliegt ja nicht einem Filterungsprozess sondern ist oft spontanes „Reden“, nichts anderes, als wenn wir mit Freunden bei einem Glas Bier in einer Kneipe sitzen, über den und den lästern, den einen oder anderen Witz erzählen, geselligen Smalltalk betreiben. Daran ist ja grundsätzlich nichts böses – da wir aber gleichzeitig immer mehr Zeit unseres Lebens vor dem Computer verbringen und immer weniger Zeit mit anderen Menschen, gewinnt der Smalltalk die Überhand gegenüber unseren profunderen Äußerungen. Manchmal tun wir sogar beides gleichzeitig – bei der Unterhaltung in der Kneipe werden die Internet-Handys gezückt und nebenher Emails beantwortet und gesimst. Ich bekenne mich schuldig.

Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt – ein neues, selektives, „überfliegendes“ Lesen ist entstanden, was man allein schon daran erkennen kann, dass es nirgendwo so viele Missverständnisse gibt wie bei Internetdiskussionen, obwohl ja eigentlich alles schwarz auf weiß dasteht. Und wir haben uns auch daran gewöhnt, ständig beobachtet zu werden, unser Innerstes nach Außen zu kehren, unser Privatleben zu veröffentlichen in mannigfaltifer Form. Der Witz von dem Freund, der auf Facebook veröffentlicht, wann er aufs Klo geht, ist ja gar kein Witz mehr, sondern Realität. Wenn ich Facebook aufrufe, sehe ich erst einmal hundert Bilder von Freunden, die ihr Essen fotografiert haben. So weit sind wir schon.

Fotoerkennungssoftware ist inzwischen in der Lage, uns auf Zufallsfotos von Parties zu erkennen, bei denen wir nur unscharf uim Hintergrund zu erkennen sind. Und natürlich merkt sich unser Handy, wo wir jeweils waren, weil wir natürlich nicht auf die praktischen Ortungssysteme verzichten wollen, die uns inzwischen unentbehrlich scheinen. Und da die Speicherkapazität der Computer momentan schneller wächst als das zu Speichernde ist kein Ende der Dokumentierbarkeit eines Lebens abzusehen.

Das macht uns – inzwischen – vorsichtig. Was früher – vor allgegenwärtiger medialer Verbreitung – schnell in den Bereich eines Gerüchts oder einer Verleumdung kam (und damit nicht ernsthaft gefährlich war), ein schnell dahingesagtes Wort bei einem Interview, bei einer Pressekonferenz, in einer Kneipe: heute ist es sofort tausendfach verbreitet und führt im schlimmsten Fall zu Ächtung, Kündigung und sogar Gerichtsprozessen.

Beispiele dafür gibt es viele: Lars von Trier reißt bei einer Pressekonferenz von den Fragen genervt ein paar geschmacklose Witze – vielleicht dabei das letzte Recht des Künstlers einfordend: eben auch einmal NICHT politisch korrekt zu sein – und wird dafür gleich in einem Anfall der unendlichen Pressescheinheiligkeit zur persona non grata erklärt. Von der selben Presse, die z.B. in England die Mailboxen von entführten Mädchen abhört.
Dasselbe passierte Stockhausen mit seinen unglücklich formulierten 9/11-Kommentaren. Oder Pierre Boulez, der Jahrzehnte nach seinem „Sprengt die Opernhäuser in die Luft“-Spruch noch dafür verhört wurde – wahrscheinlich weil irgend jemand den Text mal ins Internet gestellt hat, und man ihn nun einer Suchmaschine zusammen mit seinem Namen findet.
Der Designer John Galliano randaliert im Vollsuff in irgendeiner Kneipe und sagt schlimme Sachen – gleich wird es mit dem Handy aufgenommen und veröffentlicht. Sein Problem ist: er ist berühmt, und wer berühmt ist, hat Feinde. Würde man alles was Besoffene so als Scheiß erzählen mit Handys aufnehmen, wären alle Gerichte der Welt nur noch mit Beleidigungsklagen beschäftigt, das ist gewiss.
Und es gibt eine seltsame Umkehrung der Dinge: natürlich sind Lars von Trier und John Galliano keine Nazis, Stockhausen und Boulez keine Terroristen. Das wissen auch eigentlich alle. Aber die, die wirklich Dreck am Stecken haben, reden nicht mehr darüber.
Neulich hörte ich folgenden Witz: Will man in einem Raum mit vielen Menschen einen Rassisten auffindig machen, hält man ihm eine bekannte Süßigkeit von Dickmanns vor die Nase. Wer „Mohrenkopf“ sagt, ist alles, aber ganz bestimmt kein Rassist. Wer „Schaumkuss“ sagt, könnte einer sein.

Was aber noch viel schlimmer ist: Das, was uns eigentlich heute am meisten fehlt, nämlich klare Worte, eine klare Meinung, eine klare Position in irgendeiner Sache (Politiker winden sich wie Zitteraale, wenn es um klare Positionen geht), wird dann postwendend von politischen Gegnern als Fallstrick mißbraucht. Etwas im Internet oder sonstwo nicht anonym und in voller Identifizierbarkeit zu äußern – das erfordert inzwischen viel Mut, vor allem wenn es um politische Inhalte geht. Dies musste zum Beispiel der Dirigent Michail Arkadiew gerade erfahren – kurz nachdem er sich im Internet und in anderen Medien kritisch zur Zwangsvereinnahmung des Russischen Komponistenverbandes durch Putins dubioser „Allrussischer Volksfront“ geäußert hatte, war er seinen Job als Direktor des Pazifischen Orchesters los. . Berühmtestes Beispiel ist aber Ai Wei Wei, Chinas berühmtester bildender Künstler, der bekanntermaßen alle Medien nutzt, um Kritik an Mißständen in seinem Land üben zu können. Seit seiner Verhaftung und Freilassung auf Kaution ist er verstummt – was keine Feigheit, sondern vor allem dem Schutz seiner vielen Mitarbeiter geschuldet ist – sowohl in China als auch in Russland ist es nach wie vor üblich, politische Gegner und deren Unterstützer unter fadenscheinigsten Gründen hinter Gitter zu bringen.

Solche Zustände hatten wir hier auch, vor nicht allzu langer Zeit. Und mit Schaudern denkt man daran, wie es gewesen wäre, wenn das damalige Regime Zugang zu einer totalen Überwachung wie heute gehabt hätte. Heute wiederum dürften wir alles sagen (und das ist – egal wie einen das Geplapper nervt – letztlich etwas Gutes), trauen uns aber nicht mehr.

Dürfen wir etwas sagen?
Auch wenn es Gefahr läuft, im unendlichen Geplapper auf allen Kanälen unterzugehen…Wir müssen etwas sagen!

Moritz Eggert

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36 Antworten

  1. hufi sagt:

    Mich treibt diese Frage auch schon lange um. Ich habe immer mehr das Gefühl, etwas zu sagen, bringt fast nichts mehr. Es sei denn, man überreißt die Dinge im gleichen Augenblick und das tut denen nicht immer wohl.

    Die Kanäle sind voll. Und obwohl alles angeblich für die Ewigkeit, ist das meiste einfach Sand, der durch die Hände rinnt. Die Flüchtigkeiten nehmen zu im Geschwirre.

    Nach wie vor muss man also an den richtigen Stellen Sagen – man kann an sich überall, aber überall wird in dieser Datendichte zum nirgends.

    Im Prinzip ist es eine Art umgekehrtes Staatssicherheitdienstarchiv. Mit uns allen mindestens als IM. Und das macht eben auch die Angst aus, die jeder für sich zum Nachteil empfinden kann. Es gibt Möglichkeiten des Anonymisierens. Aber das Mittel taugt auch nur dann, wenn Anonymous präsent ist. Bad Boy von damals, wenngleich von zahlreichen Leuten erkannt. Und andere Gründe.

    Ist schwierig. Aber ich denke, an Orten wie diesem hier, baut sich was auf, was nicht untergehen muss.

  2. Max Nyffeler sagt:

    Bravo Moritz, das Problem ist hervorragend beschrieben. Ich finde es manchmal auch extrem problematisch, man muss sich ja heute jedes Wort überlegen, um nicht von der Gesinnungspolizei angeschwärzt zu werden. Und diese Gesinnungpolizei ist nicht irgendein Schlapphutverein, sondern eine selbsternannte Moraltruppe, die den öffentlichen Diskurs usurpiert hat und sich als Wächter der „Diskursgemeinschaft“ ausgibt (im Iran ist das institutionalisiert und heißt Wächterrat).

    Hierzulande geht das nach den Gesetzen des Schwarms oder des Rudels, wo das rudelkonform tickende Individuum einem virtuellen Kollektiv angehört, in dem jeder den anderen deckt, aber (wie bei den Krähen) alle gemeinsam auf dem gleichen Stück Fleisch herumpicken. Das Internet spielt dabei eine maßgebliche Rolle, da hat Moritz zweifellos recht.

    In Mainstream-Medien wie z.B. Spiegel Online kann man gut beobachten, wie ein Journalist oder eine Journalistin eine nebensächliche, wenn auch vielleicht diskussionswürdige Äußerung eines sog. Prominenten aufspießt und sie durch das „framing“ des Artikels bewusst in ein schlechtes Licht rückt. (Praktizierte Dekonstruktion, gelernt in den Literaturseminaren an der Uni). Je prominenter das potenzielle Opfer, desto besser. Operiert wird dabei mit Appellen an die Empörungsbereitschaft der Ressentimentgeladenen und mit politisch korrekten Argumenten. Letzteres wäre nicht weiter zu kritisieren – jeder will ja seine Überzeugungen irgendwie an den Mann bzw. die Frau bringen -, wenn das Ziel nicht so offensichtlich wäre: Empörung inszenieren mit dem Ziel, publizistischen Radau und damit Klicke zu generieren. Und das finde ich verwerflich. Dabei arbeitet man knallhart mit den Mitteln der persönlichen Verunglimpfung, Verhöhnung und Rufschädigung, die man sich bei den sorgfältig ausgesuchten, politisch „falsch“ liegenden Opfern meint erlauben zu können. (Ich nenne jetzt keine Namen.) Manchmal gelingt das Spielchen mit dem Feuer und weitet sich zum medialen Rumoren aus. Manchmal verpufft es auch als jämmerlicher Versuch, jemandem etwas anzuhängen. Das ist, wie wenn man im Lotto fünf Euro riskiert und nichts gewinnt, aber auch nicht viel dabei verliert, und nächste Woche probiert man’s eben erneut. Leider bleibt dabei aber doch immer etwas hängen – das internet vergisst ja nicht, und in zwei Jahren kann man dann wunderbar auf diesen ersten Probelauf einer Rufschädigungskampagne zurückgreifen („schon damals hat es sich ja gezeigt, dass…“). Rossinis Verleumdungsarie vom kleinen Lüftchen, das sich zum Orkan auswächst, erhält im digitalen Zeitalter eine ganz neue Brisanz.

    Solche denunziatorischen Machenschaften betreiben gerne Journalisten, die auf dem Moralklavier spielen und dabei nicht merken, dass sie selbst extrem unmoralisch handeln. Es gibt viele Redaktionen oder Verleger, die einen solchen Journalismus aus Verkaufsgründen dulden. Das krasseste Beispiel kann man gerade in England beobachten. (Aber die News of the World-Journalisten waren eigentlich insofern ehrlich, als sie zynisch demonstrierten, dass es ihnen überhaupt nicht um Moral, sondern nur um den nackten Verkaufserfolg und die eigene Karriere ging…) Wie das Geschäft mit den Emotionen – nicht nur in England – läuft, war kürzlich in einem erhellenden Artikel in der SZ zu lesen, die ja sonst auch wenig Rücksichten kennt, wenn es gilt, einen politischen Gegner als Person zu beschädigen:
    http://www.sueddeutsche.de/medien/neue-skandale-bei-news-of-the-world-unter-uns-1.1116703

    Wie weit der Jagdeifer der neuen Gesinnungspolizei gehen kann, illustriert eine Meldung aus der Zeit der „Wende“, also nach 1989, an die ich mich mit Schaudern erinnere. Es war die große Zeit der „Entlarvung“ von wirklichen oder angeblichen Stasikumpels unter den DDR-Kulturschaffenden. In einer Zeitung stand damals, irgend ein Skribent aus dem Bereich der Literaturkritik (Mitarbeiter eines renommierten Blattes, ich glaube, der „Zeit“) habe in einer Berliner Theaterkantine herumposaunt: „Jetzt haben wir auch den X am Haken!“ (Wer dieser X war, weiß ich nicht mehr genau, es könnte Heiner Müller gewesen sein.) Diese Art Beutejournalismus bzw. Rudeljournalismus hat heute unter dem Etikett der sog. politischen Moral Hochkonjunktur, doch die Methoden sind viel feiner geworden.

    Aber jetzt habe ich mich selbst ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt.

  3. hufi sagt:

    Max, ganz so einfach würde ich mir es nicht machen. Wie schon auch der von Moritz erwähnte Witz ist alles eine Frage des Zusammenhangs. Mir geht es wie dir auf den Keks, wenn eine Berichterstattung tendentiös ist, dagegen habe ich nichts gegen eine gute Polemik.

    Tendentiös ist zwar im Prinzip alles, aber es gibt schon auch Abstufungen, dazu zählen interessanterweise eher Auslassungen als Kommentare zum Geschehen. Im Fernsehen, wie das BadBlog mehrfach belegte, auch musikalische Untermalungen.

    Im Moment zum Beispiel gibt es den Hickhack um Sarrazin wegen eines Beitrags im ZDF. Es hacken: Olaf Zimmermann, der Broder und Journalisten – natürlich gegenseitig und werfen einander Fehlverhalten vor. Dabei kocht wieder etwas hoch und Sarrazin bekommt die Hauptrolle, die er nicht verdient.

    Pierre Bourdieu hatte vor über zehn Jahren diese ganze Mediensache darzustellen versucht, den Zusammenhang von Medien und Scheuklappen. Das Problem, das dahinter steckt, es gibt keine freien Medien mehr. So wenig wie es freie Äußerungen gibt, letzteres ist hinzunehmen, erstes insofern nicht, als dies zu wenig gewusst wird und die Chancen zur Gegeninformation ungenügend artikulierbar sind.

    ich will noch mal bei Moritz anschließen: Bourdieu schreibt in „Über das Fernsehen“ 1996:

    „Im Alltäglichen wie auf globaler Ebene geht es in der Politik unter anderem um die Durchsetzung von Wahrnehmungsprinzipien, um die Brillen, mit denen die Menschen die Welt aufgrund bestimmter Einteilungen sehen …“ (S. 19)

    Und später:

    „Wer heutzutage noch glaubt, daß es ausreicht zu demonstrieren, ohne an das Fernsehen zu denken, läuft Gefahr, sein Ziel zu verfehlen. Demonstrationen müssen mehr und mehr für das Fernsehen produziert, also so gestaltet werden, daß die Fernsehleute sich aufgrund ihrer Wahrnehmungskatagorien dafür interessieren, sie aufgreifen, den Adressantenkreis erweitern und ihnen damit erst zur vollen Wirkung verhelfen.“ (S. 19)

    Eben wollte ich noch sagen, ersetze Fernsehen durch Internet und es stimmt heute wieder, aber das ist nicht ganz korrekt. Es geht eher um die entsprechenden Kanäle des Internets. Max erwähnt ja auch Spiegel Online und nicht die Blätter für deutsche und internationale Politik.

    Wenn man so will, findet sich das „Vermittlungsproblem“ eben auch hier. Soll mein Sprechen gehört werden? Von wem soll es gehört werden.

    Speakers Corner oder Propaganda?

    Wenn man sich beispielsweise im Fernsehen umschaut, gibt es offenbar nur eine sehr begrenzte Zahl von Moderatoren, Komödianten und Talkshow-Gästen. Da kreist die Szene in sich und nur selten stößt mal ein neues Gesicht durch den Nebel. Man hat es hier wie da mit einer selektierten engen Welt zu tun, die das Geschehen bestimmt.

    Ende der 80er Jahre haben Peter Glotz und Hans-Robert Jauß ins gleiche Horn geblasen, sie meinten: Verachtet mir die Massenmedien nicht, wenn ihr an Aufklärung interessiert seid. Versucht erfolgreich zu werden, wenn man so will. Anders als Negt und Kluge, die die Basis „bilden“ wollte, schien mir das Konzept von Glotz und Co einerseits sympathisch, andererseits, wie heute an vielen Stellen zu bemerken (und die ganze Vermittlungssoße spiegelt das nur), verändert man dadurch sein anliegen. Ob ich 50.000 Leute mobilisiere zu einer Demo oder ob ich einen Marketingberater anheuere, der das Anliegen bei Glück für einige Seklunde ins Fernsehen bringt, wo es Millionen erreichen mag aber so argumentativ leer gefegt wird, ist ein Unterschied, den man kapieren muss. Basisarbeit hingegen ist auf Kontinuität angelegt, auf Dauer und auf lange Perspektiven der „Erfolg“ ungewiss ist, der sich aber bestimmt nicht so zuckerleicht mit den Mitteln der McKinseys und Co messen lässt – vielleicht eben auch gar nicht. (laberlaber)

    Langer Rede kurzer Sinn. Solidaritätsadressen sind schnell geschrieben. Empörung ist schnell formuliert. Sagen ist Silber, Hören ist Gold.

  4. querstand sagt:

    Ich finde zuviel Worte ja immer schön, bzw. unterläuft es mir gerne zu oft. Direkte Worte sind nach meinem Gefühl eher unerwünscht, da sie den Small-Talk oder das eigene Geschwurbel zu deutlich unterbrechen. Abgesehen von all den inneren Scheren empfinde ich dies als die grösste Gefahr: man kokonisiert sich in all den Statements in all den Netzwerken und Blogs wohlig ein und erträgt immer weniger Direktheit und sinnvolle Selbstkritik. Das liegt vielleicht auch an der Unkontrolliertheit, die schnelles Reagieren im netz mit sich bringt: man geht als Gegenmittel knallharter Konfrontation aus dem Weg.

    Hier im Blog ist dies ja öfters ein wenig anders. Nur: wenn es so richtig kracht, macht es eigentlich den Krachmachern auch nicht so Spass. Allerdings herrscht gleichzeitig eine unglaubliche Ehrlichkeit in der ausbrechenden Direktheit

    Die inneren Scheren in der Welt des Journalismus sind wieder ein ganz anderes Kapitel! Im Feld des Badblogs sehe ich dann Übereinstimmung in diesem unschönen Bereich von bloggenden Musikern und professionellen Schreibern, wenn sich Musiker hier nur verdeckt oder sehr zurückhaltend zu Äusserungen trauen, die Veranstalter oder KollegInnen zu hart, eindeutig treffen könnten. Da ertappe ich mich auch immer wieder selbst, da sollte man aber risikofreudig im Tretminenfeld dabeibleiben…

    Schnell ist dann ggf. der Vorwurf von „Murdoch-Mitteln“, „Boulevard“ im Raum, wenn hier gebasht wird. Allerdings stellt spiegelt dies auch das Bedürnis wider, Zustände und Machtstrukturen anzuprangern, aus dem eigenen Winkel sogar zu psychotisch vorgenommen, als der typische komponierende Einzelkämpfer.

    Das Mitjaulen von Journalisten auf diesem Niveau, s. Stasivorwürfe, dies ist tatsächlich eine gefährliche Sache! Auf viel einfacheren, weniger gefährlichen Terrain geschieht dies auch heute: im Bereich einfacher Premierenkritiken, wenn die Schreibenden sich auch hier an Äusserlichkeiten zu sehr aufhängen, sei es der/die hübsche Singende, sei es irgendeine andere Gefahr. Da wäre Selbstkritik wirklich zu wünschen, mehr sowohl als auch, also beide Gefühle zu einer Sache benennen, vielleicht gar nicht den Ausgleich suchend. Die Frage ist nur, wieviel Angst haben Redakteure vor formulierten Psychogrammen ihrer Schreibenden?

    Gruß,
    Alexander Strauch

  5. Max Nyffeler sagt:

    Hallo Martin, vielleicht mache ich es mir zu einfach, aber ich finde, Du bist wiederum zu kompliziert. Das ist mir zu theoretisch. Die Medienwirklichkeit nimmt auf Vordenker wie Bourdieu, Habermas etc. keine Rücksicht. Ihre Ideen sind höchstens interessant für Feuilletonsolisten und Professoren für Medienwissenschaft, aber Berlusconi, Fox News und Al-Dschasira müssen sie nicht zur Kenntnis nehmen. (Oder sie tun es höchstens in dem Sinn, dass sie deren Erkenntnisse für eigene Zwecke nutzen.)

    Und dann meine ich: „Freie Medien“ sind eine Illusion. Da denkt Bourdieu möglicherweise noch an die fantasievollen Flugblätter vom Mai 1968 („l’imagination au pouvoir!“) und die Vollversammlungen im „Odéon“, die eine sog. Gegenöffentlichkeit schufen. (Eine Instrumentalisierung der Medien durch „Unterwanderung“, wie es sich Bourdieu offenbar vorstellt, halte ich wiederum für das Gegenteil von Freiheit, nämlich Usurpation von Macht durch eine Minderheit, die sich als Mehrheit fühlt und bloß den Druck von der Straße ins Medium verlängern will.)

    Freie Medien gibt es vielleicht während einiger Wochen oder Monate im Lauf einer richtigen Revolution (Paris 1871, Berlin 1918, Chile 1970 etc.) wenn noch alles durcheinander ist, aber sobald wieder gesellschaftliche Strukturen eingezogen werden, geht es weiter wie zuvor, nur mit anderem Personal und anderer Ideologie, bzw. anderer „Brille“ (Bourdieu). Die Medien singen immer das Lied des Geldgebers, ob privat oder Staat, und einmal mehr vordergründig (wie beim Cavaliere), einmal mehr hintergründig (wie bei ARD und ZDF – hier sind es die Parteifürsten).

    Ich sehe nirgendwo „freie Medien“ im radikalen Sinn, weder früher noch jetzt. Journalistische Freiheit ist letztlich subjektiv: Wenn ein Journalist mit der politischen Grundlinie seines Mediums mehr oder weniger übereinstimmt, fühlt er sich frei kann seine Meinung so äußern, wie er es wünscht. Jeder findet dann eben seinen Platz: Ein TAZ-Journalist in der TAZ, ein FAZ-Journalist in der FAZ, und manchmal gibt es kleine inhaltliche Überschneidungen. Das gilt auch für die Leser.

    Aber daraus entsteht ja gerade der Meinungspluralismus mit all seinen Widersprüchen, und das ist gut so. Ich bin nicht gegen die linken Ideen einer freien bzw. „herrschaftsfreien“ Presse, und ihre Anhänger sollen das ruhig in ihren Organen verwirklichen. Aber wenn sie meinen, sie müssten die gesamte Öffentlichkeit auf ihre Auffassungen festlegen, dann ist das für mich ein erster Schritt zum totalitären Denken. Auch von der rechten „Jungen Freiheit“ wünsche ich keine moralische Betreuung. Deswegen bin ich auch so skeptisch gegenüber den selbsternannten Moralisten, denn ich habe stark den Eindruck, dass diese aus irgendwelchen Diskurstheorien abgeleitete Moral nur als kulturelles Instrument benutzt wird, um die Meinungshegemonie zu erringen. Moral als Machtinstrument finde ich aber nicht so überzeugend.

    Etwas anderes ist, wie Du schreibst, „Basisarbeit“ im Sinn der Aufklärung. (Aber dazu eine bescheidene Frage: Was heißt eigentlich Aufklärung? Damit wurde bekanntlich auch viel Schindluder getrieben, wie die Geschichte zeigt.) Doch wahrscheinlich hast Du recht; vielleicht ist diese Basisarbeit, der direkte Kontakt der Menschen untereinander, noch der Ort, wo selbständiges Denken im Sinne von Aufklärung tatsächlich entstehen kann, nicht als „Vermittlung“ von oben nach unten bzw. vom einzelnen „Wissenden“ zu den vielen „Dummen“ im Stil der russischen Agitproptruppen von 1920, sondern im gleichberechtigten Gespräch. Und das braucht Zeit, wie Du schreibst. Es könnte vermutlich in der Familie noch immer am besten klappen. Die Schule? – hm. Die heutigen Medien mit ihrer Schnellinformation und ihrem Themenhopping sind leider meist nur Einöde. Vor allem das Bildmedium Fernsehen mit seiner dekonzentrierenden Wirkung und das unpersönliche Multimedium Internet. Da kann man nur etwas lernen, wenn man schon selbst genügend weiß, andernfalls geht man in der Informationsflut unter.
    Eine Ausnahme können noch Periodika machen, denn sie müssen nicht der Tagesaktualität hinterherrennen. Eine Chance für Organe wie die NMZ.

    PS: Die Sarrazin/ZDF-Geschichte finde ich irrelevant. Für mich gehört Sarrazin heute zu den ganz normalen Medienstars, die professionell um Aufmerksamkeits-Anteile kämpfen. Er ist in den Betrieb integriert wie auf der andern Seite ein Cohn-Bendit. Vor einem Jahr war das noch anders, da haben ihn die Rudeljournalisten vor sich her getrieben, und das fand ich extrem schäbig, wie ich damals in der Beckmesser-Kolumne bei Euch in der NMZ schreiben konnte. Ich fühlte mich frei… (Ihr hoffentlich auch.)

  6. querstand sagt:

    @ nyffeler:
    Sie sagten eben:

    Ich sehe nirgendwo “freie Medien” im radikalen Sinn, weder früher noch jetzt. Journalistische Freiheit ist letztlich subjektiv: Wenn ein Journalist mit der politischen Grundlinie seines Mediums mehr oder weniger übereinstimmt, fühlt er sich frei kann seine Meinung so äußern, wie er es wünscht. Jeder findet dann eben seinen Platz: Ein TAZ-Journalist in der TAZ, ein FAZ-Journalist in der FAZ, und manchmal gibt es kleine inhaltliche Überschneidungen. Das gilt auch für die Leser.

    Also „jedem Tierchen sein Plaisirchen“! Sie haben Recht, wenn Sie weiters anmerken, dass Ödnis, Meinungseinfalt, eine gewisse Art Geistesdiktatur herrschen kann, wenn jeder sein Medium zur alleingültigen Meinung aufbläst.

    Meine Reaktion als Leser: auch mal andere Zeitungen lesen, den Vergleich zwischen links und rechts, Pop- und Hochkulturfeuilleton vornehmen. Das Problem ist dabei nur, dass das nicht all zuviel Menschen machen werden, zuviel Meinungsbildungstreue.

    Da können dann auch Blogs nicht unbedingt abhelfen, wenn diese zur weiteren Bildung herangezogen werden. Allerdings haben diese auch wieder die Stärke, dass erstmal presseunabhängigere Gestalten ihre Beobachtungen zum Besten geben, laienhafter, aber auch ungefilterter. Und da sehe ich doch erstmal grds. eine andere, neuere Freiheit, als im reinen Pressewesen – das riechen ja auch deren Macher, sonst gäbe es, Lieber Geissler und Hufi, den Badblog nicht…

    Ehrlich gesagt, Bordieu interessiert mich nicht wirklich, genauso ziehe ich seltenst andere Denker heran, auch wenn dies helfen könnte… Ich traue am liebsten meiner eigenen Selbstkritik und hoffe auf freundschaftliche Watschen, sollte diese mal aussetzen.

    Und da könnte auch ein Teil der Crux liegen: die mangelnde Selbstkritik der Presse, diese auch einfach mal formulieren, eben weniger Meinungseindeutigkeit in einem eigenen Kommentar, auch die verborgeneren Gedanken zu formulieren. Vielfalt nicht als Quantität vieler Zeitungen, lieber den vielen Falten der eigenen Meinung(en) nachlauschen, dem Ausdruck verleihen… Aber vielleicht verwechselt man eigene Widersprüche mit der inneren Schere, die man dann doppelt anwendet: in Konformität zum eigenen Hause, Unterdrückung eigener Zwischentöne.

  7. Vielen Dank für diese hervorragenden Kommentare!

    Ich habe ja irgendwie den Glauben an „das Gute“, bzw. „Das Relevante“ nicht verloren. Mir scheint es so zu sein: Die Halbwertzeit des „Hype“ verringert sich quasi stündlich, es ist nur noch eine Frage der Zeit bis Warhols „15 Minutes of Fame“ auch wirklich nur noch 15 Minutes sind (im Fernsehen ist das schon lange so).
    Es gibt aber Themen, die die Menschen länger umtreiben, in der Kunst, der Philosophie, überall da, wo halt ein Körnchen Wahrheit – deren Definition natürlich wahnsinnig schwierig ist – drin steckt. Der Sand mag durch die Hände rinnen (wie Hufi es ausdrückte) aber zwischend drin sind eben doch die kleinen Goldnuggets, die es lohnt festzuhalten.
    Letztlich funktioniert die gesamte menschliche Zivilisation genauso wie die Darwinsche Evolution – alles, aber auch wirklich alles (und dazu gehört auch viel Quatsch) wird ausprobiert, gesagt und vebreitet, einfach damit die Möglichkeiten an sich eruiert werden. Ohne Variation, ohne unendliche Vielfalt gibt es keine Momente der Epiphanie, und die transzendieren dann das ganze Sinnlose vorher. Variation, Ausprobieren um des Ausprobierens Willen ist das Prinzip des Lebens an sich, dem kann man nicht ausweichen, daher kann auch keine Ideologie je dauerhaft funktionieren auf diesem Planeten. Gottseidank!

    Daher habe ich die Hoffnung, das sogar (!) aus dem Internet Formen der Wahrheit erwachsen können neben den unendlichen Formen der Dummheit, die es schon darin gibt. Wir sind da erst am Anfang…schaunmermal.

    Moritz Eggert

  8. hufi sagt:

    Nur nebenbei: ich freue mich, endlich mal in einem Punkt mit Max übereinzustimmen.

    Die heutigen Medien mit ihrer Schnellinformation und ihrem Themenhopping sind leider meist nur Einöde. Vor allem das Bildmedium Fernsehen mit seiner dekonzentrierenden Wirkung und das unpersönliche Multimedium Internet. Da kann man nur etwas lernen, wenn man schon selbst genügend weiß, andernfalls geht man in der Informationsflut unter.
    Eine Ausnahme können noch Periodika machen, denn sie müssen nicht der Tagesaktualität hinterherrennen.

    In anderen nicht. Mir ist egal, ob Bourdieu in oder auf die Suppe pupst. Ich finde aber schon, dass da einiges – von mir auch auch nix neues – gesagt wird. Nur, das Fenster, das in den 90er Jahren noch etwas offen stand, ist okkupiert worden von den Bildungsmaschinen, von der Technikverfallenheit, von Instrumenten. Aber geschenkt, das lässt sich nicht mehr drehen, weil auch die Kultur längst davon befallen ist – Ausnahmen, wenige. Wie sonst auch.

    Bei Moritz würde ich nur präzisieren. Nicht Goldnuggets, sondern ebenfalls Sand. Die Abweichungen sind nicht so augenfällig oder am Gewicht auszumachen.

    Querstands Rat, auch mal querbeet zu lesen, kann ich nur empfehlen. Man muss ja nicht alles bis zum bitteren Schluss ertragen. (Insofern war das gute alte Wartezimmer in der Praxis des Allgemeinmediziners mit den Lese- und Erzählzirkeln nicht gar so schlecht.) ;-)

  9. Erik Janson sagt:

    @Alexander

    Ehrlich gesagt, Bordieu interessiert mich nicht wirklich, genauso ziehe ich seltenst andere Denker heran, auch wenn dies helfen könnte… Ich traue am liebsten meiner eigenen Selbstkritik und hoffe auf freundschaftliche Watschen, sollte diese mal aussetzen.

    Sie setzt meistens NICHt aus, Deine Selbstkritk, manches mal bist Du sogar zu bescheiden, finde ich. Du kannst ruhig – in Deinen genialen Wortwindungen (ernst gemeint!) manchmal etwas „sturer“; mit klar gemeißelten Sätzen und Radikalität mancher Worte anderes blank putzen gewissermaßen. Bzgl. oben (ZItat) bin ich etwas andrer Meinung: man kann ruhig sich auf andere Leute berufen, Denker, aus welchem Metier auch immer, heran ziehen (wie ich hier z.b. vermehrt getan hatte). Das ist keine Schande.

    Ja, ich finde: man merkt jetzt, bzw. es war ja lange eigentlich klar:
    Bestimmte Grundthemen tauchen immer wieder auf. Sie sind weder tot zu schweigen, noch durch Dinge wie „political correctness“ noch durch immer kürzere Halbwertszeiten des „Aufmerksamkeitsverfalls“ tod zu bekommen.

    Das sind die großen Themen und Fragen der Menschheit,
    um die es sich in der Gesellschaft im Kern dreht:
    Liebe, Kunst, Geld, WISSEN, Wissenschaft, Moral-/Wertefragen bzw. die Frage in welcher Welt wollen wir leben? Und nicht zu vergessen die (selbst von bekennenden Atheisten) verdrängte Frage nach der Religion sowie unserem Umgang mit der Natur, nach Gott. Welche alten und neuen Werte wollen wir da akzeptieren, welche nicht? Und die Frage nach Macht und wie man Mächte/Hierarchien aufbricht (oder zumindest entkrampft) gehört eindeutig auch dazu – sei es „Macht“ durch kommunikative Gewalt (auch durch Schweigen kann Macht ausgeübt werden) oder „Macht“ durch Beziehungen, „Macht“ durch Geld/eigenen Einflusss etc. pepe-

    Darüber wird immer wieder gestritten und darum kreisen immer wieder aufs Neue, auf allen Ebenen, in allen Medien (mit unterschiedlichem Oberflächlichkeits- oder Substanz-/Tiefegrad) die Kommunikationen. Ich behaute z.B.(z.B. @Punkt Wichtigkeit der Moral-Frage @ Max Nyffeler und des sich Streitens darum): derjenige, der sagt, er hasse Moralisieren, der sehnt sich im innern am meisten danach und geniert sich vielleicht nur etwas, es zu zu geben.

    Und ich persönlich z.B. habe mir hier schon so oft den Mund verbrannt. ja ich habe mich auch getraut zu moralisieren oder zu verallgemeinern, dadurch auch Leute vielleicht verletzt und habe auch selbst dafür einstecken müssen. Aber das gehört dazu, finde ich. Das gehört zum Leben, zur Liebe, erst recht zur KUNST. Drum sage ich nach paar Jahren Badblog immer noch: „Je ne regrette rien!“ Sollen unsere Buchstaberln auch noch so lange verewigt und unauslöschbar sein und dem einen oder anderen vielleicht irgendwo in der Welt bei irgendeinem zm „Nachteil“ gereichen… EGAL!!! sage ich. UNsere viel geliebte „Freiheit“/“Demokratie“ muss das aushalten, wird so gelebt. Wer nicht sagt was er DENKT (gerade im Internet, behaupte ich), sei es aus Angst oder aus „KLugheit“ (eben um sich „alle Türchen offen der ist eigentlich unfrei, verangstet hinter anonymen
    DER ist eigentlich paranoid, und eben NICHT derjenige, der im Internet mal seine Meinung sagt, der aneckt und vielleicht dabei riskiert als „Verschwörungstheoretiker“ o.ä. in eine Ecke gestellt zu werden.
    Man schlägt sich und verträgt sich. Ja paar beglückende spätere Badblog-Begegnungen wären mir ohne mein hier energisches, manche sicher „nervendes“ Auftreten vielleicht gar nicht vergönnt gewesen.

    Also: die Hoffnung stirbt zuletzt, dass durch immer weiteres Kommunizieren über die Themen, die uns oder die jeden einzelnen umtreibt, immer noch mehr sich verändern kann als durch schweigen oder Duckmäusertum oder nur schnöde Facebook-„Nettigkeiten“. Aber auch da zeichnet sich ein positiver Wandel ab, wird zuweilen herzhafter gestritten und sich wieder vertragen.

    In diesem Sinne nun: NEVER say goddbye. Ich BIN schon virtuell verewigt, also diskurst es sich ungeniert weiter
    ;-)

    := pssssssssssssst !

    Buona notte,
    Euer Berlusconi-Feind,
    Erik

  10. Erik Janson sagt:

    @ Nachtrag,

    vor lauter Selbstgefasel vergaß ich das Wichtigste:

    Nochmal danke, lieber Moritz, für diesen tollen Beitrag und Deine Ermutigungen („wir MÜSSEN was sagen“) etc.!
    Das klang/(klingt) ein wenig nach Bilanz und Weitermachen-Ermutigung. Aber die meisten hier sind, glaub ich zumindest, noch nicht müde geworden, oder? Wann is übrigens Badblog-Jubiläum? Wird´s dann ne Party geben? (Party natürlich nicht im Sinne niveauloser „Facebook“-Partys, wo nur Leute hin kommen um flatrate zu saufen oder Randale zu machen, und auch nicht im Sinne von dem Was Arno im anderen Thread geißelte, sondern RICHTIG: anständig, zünftig: Neue Musik im Mix mit Samplesounds, Zithermusik, Blogger- und Nichtbloggerkomponisten sowie – musikern. Von mir aus auch mit paar Maß Bier und Weißwürsten – und ich unterbrech dann meine Ernährungsumstellung ;-) ]

    Gute Nacht, Grüße,
    Erik

  11. Bekehrter sagt:

    Schön beobachtet. Ich hätte hier ja auch fast meinen richtigen Namen hingeschrieben, als es nach ein paar Monaten dann doch mal in den Fingern juckte. Was mich dann doch davon abgehalten hat, war das Wissen um gewisse Leute, die auch alle, alle Menschen lieben und sich doch dafür einsetzen, indem sie immer fleißig Namen bei Google eingeben.

    Boulez ist auch ein schönes Beispiel. Es ist schon verblüffend, wenn man dem angeblichen Ausspruch nachgeht und seine Herkunft findet. „Die teuerste Lösung wäre, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Aber glauben Sie nicht auch, daß dies die eleganteste wäre?“ – es ist schon arg reißerisch, zu welcher Überschrift der Spiegel das damals, vor geschlagenen 44 Jahren, aufgemotzt hat. Und vor allem interessiert offensichtlich niemanden, in welchem Kontext diese launigen Worte eigentlich fielen. Aber dazu müßte man ja auch mehr als die tolle Schlagzeile lesen.

  12. Erik Janson sagt:

    ch hätte hier ja auch fast meinen richtigen Namen hingeschrieben, als es nach ein paar Monaten dann doch mal in den Fingern juckte. Was mich dann doch davon abgehalten hat, war das Wissen um gewisse Leute, die auch alle, alle Menschen lieben und sich doch dafür einsetzen, indem sie immer fleißig Namen bei Google eingeben.

    Schade, also bist Du doch nicht „bekehrt“…?
    Google und diese „lieben Menschen“ haben weiter Macht über Dich. Auch ne Entscheidung, die man selbst trifft.
    Vielleicht ist das „Fingerjucken“ ja doch irgendwann nicht mehr auszuhalten…

    Schönen Tag all,
    Erik

  13. Max Nyffeler sagt:

    Auch mich interessiert Bourdieu nicht… Ich habe den hier erwähnten Namen nur aufgegriffen, weil er mir für eine ideologische Haltung zu stehen scheint, die sich damals Ende 60er Jahre herausbildete und bis heute einen gewissen Einfluss reklamiert. Und vielleicht, weil diese Zeit für mich eine ähnliche Hoffnung auf alternative Kommunikationsformen bedeutete wie für Dich, Hufi, offenbar die 90er Jahre. Zwei Generationserwartungen, aber über beide ist die Zeit hinweggegangen. Und weil sich alles beschleunigt, ging es bei den 90er noch schneller.

    Was ich gut finde an dieser Diskussion ist die Wende, die sie genommen hat, und die den künstlerischen Individuen hier zu verdanken ist. Ihr habt den Horizont über das „Tagesgeschäft“ (was ja das Wort Journalismus meint) hinaus erweitert und Wahrheiten ins Blickfeld gerückt, die etwas wichtiger sind. Kompliment! Das lässt hoffen. Ich als Journalist bzw. „Sekundärschreiber“ (in diesem Zusammenhang mein ceterum censeo bzw. meine Dauerempfehlung: George Steiners Buch „Von realer Gegenwart“ lesen!) muss mich notwendigerweise mit dem Tagesgeschäft abgeben, was zwar total aufregend scheint, aber im Vergleich zu jenen wichtigeren Dingen eben wenig taugt und insofern übeschätzt wird. Wichtig ist es nur im Kampf der gesellschaftlichen Player um Machtanteile, d.h. in diesem Fall um Anteile an öffentlicher Aufmerksamkeit. Der Journalist ist da nur ein kleines Rädchen und dreht sich ohne es zu merken nach den Gesetzen der großen Maschine. Um sich dabei als Leser nicht übertölpeln zu lassen, ist das Querlesen/hören/sehen durch unterschiedliche Medien in der Tat die einzige Chance.

    Und wenn ich noch rasch eine Blick rüber zum Thema „Geldwirtschaft“ werfen darf, das im aktuellen Blogbeitrag über Orchester diskutiert worden ist: Die heutigen Medien und die heutige Finanzwelt sind m.E. zwei Erscheinungformen ein- und derselben Sache: Der elektronischen Vernetzung der Welt, bzw. der „Globalisierung“. Sie sind sich viel näher als man gemeinhin annimmt und funktionieren auch nach ähnlichen Prinzipien. Und beides sind moralfreie Zonen. Mit einem Unterschied vielleicht: In der Finanzwirtschaft haben die Moralprediger keine Chancen, weil es da um harte Fakten geht, während sie sich in den Medien (und der Politik) umso unverfrorener als neue Religionsstifter herumtreiben. (Ja, ich bin durchschaut, lieber Erik Janson: Ich sehne ich mich natürlich auch nach Moral und versuche bei dieser schwierigen Angelegenheit hin und wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Nur möchte ich mir nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Skribenten vorschreiben lassen, was ich zu tun habe.)

    Und zum Abschluss noch eine zweite Literaturempfehlung, vor allem an diejenigen, die sich den Luxus erlauben, den (bzw. an die) Medien zu glauben: Balzac, „Verlorene Illusionen“, darin der Teil 2, „Ein großer Mann der Provinz in Paris“. Da ist schon genau beschrieben, wie der Journalismus funktioniert. Mit dem einzigen Unterschied, dass heute dank Digitalisierung die brillante Oberfläche noch mehr blendet. Wer sich im Glauben an das Gute, das Du, Moritz, zu Recht reklamierst, bestätigt fühlen möchte, kann an vielen Orten fündig werden, aber sicher nicht in den Medien.

  14. @ Erik:
    Ernährungsumstellung? Du auch (anche io)?
    Tja, die große Bad Blog-Party hätte in Donaueschingen dieses Jahr steigen können, aber dort hatte man den Mut verloren, aus Angst, dass wir etwas sagen könnten. Wir hätten Hörspiele von wechselstrom gespielt, Livemusik gemacht, die besten Bad Blog – Texte und Kommentare vorgelesen und es wäre sicherlich eine schöne Veranstaltung geworden. Naja, vielleicht wird es ja noch was, die Hoffnung stirbt zuletzt…
    Dennoch möchte ich hier die durchaus vorhandenen Bemühungen der NMZ irgendeine Art von Bad Blog – Veranstaltung irgendwo irgendwann steigen zu lassen noch einmal eindringlich ermuntern! Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!
    Moritz Eggert

  15. Max Nyffeler sagt:

    @ Moritz at 09:40:
    Aha, da geht es offenbar um etwas ganz Konkretes bei Deiner Frage „Dürfen wir etwas sagen?“ Da schlage ich vor, dass wir die Erwägungen um die Medien und die Welt als Ganzes etc. hier beschließen und dass dieses konkrete Problem hier diskutiert wird!
    Ich bin neugierig, was da abläuft!

  16. @Max: Naja, die Geschichte ist schnell erzählt – Theo rief bei meinem letzten Besuch in Regensburg begeistert Köhler an und schlug ihm einen Bad Blog – Livelesungs-Abend vor. Köhler sagte erst zu, dann aber 2 Wochen später wieder ab, mit vager Hoffnung auf nächstes Jahr. Schade! Das hätte ja nicht teuer sein müssen und die NMZ hätte sich sicher beteiligt!

  17. Max Nyffeler sagt:

    Dann nehmt doch Köhler jetzt beim Wort und plant möglichst bald schon mal für nächstes Jahr! Ich könnte mir vorstellen, dass wirklich nur ein Terminproblem und nicht eine grundsätzliche Ablehnung dahinter steckt. Das Programm in Donaueschingen ist ja immer derartig vollgestopft, auch mit Zusatzveranstaltungen, dass man da wahrscheinlich kurzfristig keine Chance hat, noch etwas hinzuzufügen.

  18. Erik Janson sagt:

    @

    Ich als Journalist bzw. “Sekundärschreiber” (in diesem Zusammenhang mein ceterum censeo bzw. meine Dauerempfehlung: George Steiners Buch “Von realer Gegenwart” lesen!) muss mich notwendigerweise mit dem Tagesgeschäft abgeben, was zwar total aufregend scheint, aber im Vergleich zu jenen wichtigeren Dingen eben wenig taugt und insofern übeschätzt wird. Wichtig ist es nur im Kampf der gesellschaftlichen Player um Machtanteile, d.h. in diesem Fall um Anteile an öffentlicher Aufmerksamkeit. Der Journalist ist da nur ein kleines Rädchen und dreht sich ohne es zu merken nach den Gesetzen der großen Maschine.

    Das sehe ich nicht so! Da muss ich energischst widersprechen! ( ;-) ) Nur das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Die Beckmesser-Kolumnen zeigen ja deutlich das Weiterdenken und das Die Tagesgeschäfte-hinter-sich lassen und nicht nur diese. Ich denke: umgekehrt wird ein Schuh drauß: Kreative/Komponisten fühlen sich dadurch ermunterter/werden wieder motivierter, auch selbst wieder jenseits der „Tagesgeschäfte“, mehr in Zusammenhängen zu denken und zu arbeiten. Wenn immer mehr Journalisten und (Musik-)wissenschaftler weitsichtig werden, dann sehen wir – trotz Geldkrise – vielleicht doch rosigen Zeiten entgegen… Denn: sind neue Inhalte und Werte erstmal neu sondiert und neue Solidaritäten entstanden, dann kommt das vielleicht automatisch mehr an Möglichkeiten dazu.

    @ Donaueschingen: Oh, spannend, dass es da schon Überlegungen gab und fast geklappt hätte? In der Ruhe und Beharrlichkeit liegt die Kraft. Eile mit Weile. Dran bleiben.

    Wäre natürlich spannend raus zu bekommen, ob hinter der erst Zu- dann Absage von Armin Köhler jemand stecken könnte… Ob ja oder nein: Egal, weiter dran bleiben. Die Idee mit dem Beim-Wort-Nehmen von Max Nyffeler finde ich nicht schlecht.

    Schönen Tag, Erik

  19. Max Nyffeler sagt:

    @ Erich Jansen:
    Das wäre ja nicht schlecht, wenn es gelegentlich zu sog. Synergieeffekten zwischen Komposition und Kritik käme.
    Trotzdem den Balzac lesen!

  20. querstand sagt:

    Wenn ich Balzac lesen soll, denke ich an Berg, den albanischen, den Alban! Ich hing mal über dessen Passacaglia-Skizzen, die im Umfeld einer Balzac-Symphonie geplant war. Also Erik, wenn die Blogger nach Donaueschingen dürften, zu einer Dadaismus-Blog-Performance, können die Pausierenden ja an Bergs Unvollendeter weiterstricken. Am Ende stünde ein Kollektiv-Berg, als hätte Joneleit einen Balzac-Hügel aufgeschüttet: sollte bei Berg ein Knabensopran in jener Seraphita-Symphonie aus der Höhe bimmeln, so kann man zum Kollektiv-Berg-Gehügel – natürlich von einem Hühnerhaufen gekrönt, einem vergammelnden Freund Harvey, – unsere Ausgüsse im Schlingensief-Blog-Epitaph für automatisierte Brathendl vertonen. Zumindest könnten wir den Begriff Synergie ausblenden, über Synästhesie labern, uns einfach mal wohl im Pathologischen suhlen. Herrlich! Ich als singender Dorn-Strauch, dazu auf vier Asterln Strauch- statt Streichquartette, Live-Reimen, Rückwärts-Sprechen! Perfekte Mozart-Schubert-Schizo-Allüre…Etkefrep Trazom-Trebusch(!=3 Sträucher!!)-Ozisch-Erülla… Wat für’n Brülla/Taw n’rüf Allürb…

    Gruss/Ssurg,
    dnatsreuq

  21. Max Nyffeler sagt:

    @ anonymer „Bekehrter“:
    Da der Link zum „Spiegel“ mit dem Boulez-Interview nicht mehr funktioniert, hier eine andere Download-Möglichkeit:
    http://www.wuala.com/mn80796/Boulez/
    Es lohnt sich das zu lesen, Boulez nimmt den Mund gewaltig voll, und es ist sehr unterhaltsam.

  22. Erik Janson sagt:

    @ Maks Nüüfeler, …? ( ;-) )

    Literaturempfehlungen werden befolgt: Lektüre folgt.

    Buona notte,
    Erik Janson

  23. Erik Janson sagt:

    @ querstand, eggy et all:

    oder ich, moritz vertonen die Brigitte-Diät.. ;-)

  24. …verdammt schwierig alles? Hab kein Problem, meine Meinung zu sagen und zu schreiben, bekomme Hiebe und Lob, verlier einen Prozess und gewinne einen anderen. Die nmz hat unter meiner Ägide nix ausgelassen Da konnte Peter Jona Korn schreiben („Musikalische Umweltverschmutzung“) Joachim Kaiser etliche frühe Jahre, Konrad Boehmer, Helmut Lachenmann, Wolfgang Rihm, Moritz Eggert…
    Was habt Ihr alle für ein Fracksausen? Seid Ihr von Eurer Sicht der Dinge nicht überzeugt? Ich sehe es als unseren nmz-Job, eine Plattform, nein, einen Hochstand für die freie Sicht zu bieten. Vorsicht ist weder Rück- noch Nachsicht sondern der Fender zwischen einem Gummiboot und dem Holzsteg. Wir leben in einer Beton-Mischmaschine – und können gern hinten aus der rotierenden Öffnung eine Meinung äußern…
    Das ist auch Arbeit.
    Herzlich
    Theo

  25. Max Nyffeler sagt:

    Theo, super! Tolles Credo eines Herausgebers. Das ist genau das, was die NMZ so lesenswert macht. (womit ich mir als freier Mitarbeiter eine freie Meinungsäußerung erlaubt habe :-))

    Was Du schreibst, wäre eigentlich ein perfektes Schlusswort für diesen Thread, aber ich kann’s nicht lassen und möchte doch noch einen kleinen Anstoß zum Weiterdenken geben mit dem Hinweis auf ein Interview, und zwar eines von George Steiner, das schon etwas älter und mir jetzt gerade in die Finger gekommen ist. („Zeit“, 3. August 2000). Vielleicht ist es sogar eine Fortsetzung von Deinen Gedanken. Hier ein kleiner Ausschnitt:

    +++

    zeit: Muss man nicht gerechterweise unterscheiden zwischen der Popkultur und ihrer kommerziellen Ausbeutung?

    Steiner: Das ist ein und dasselbe. Weil Popkultur das Genie der kommerziellen Verwendung zum Ausdruck bringt. Wenn man’s kann: bravo. Doch zwischen Jazz und Rock verläuft eine ungeheure Grenze. Rock ist der große Angriff auf andere Menschen, das Heulen einer großen Rache. Millionen Menschen haben von der Kultur genug. Rock sagt: Genug mit eurer prätenziösen Hochkultur. Wir werden uns rächen. Die Rache ist, dass Sie nichts anderes mehr hören können.

    Wenn die Rockmusik losgeht, gibt es kein menschliches Gespräch mehr, keinen menschlichen Gedanken. Erst recht beim Rave. Haben Sie je einen großen Rave mitgemacht?

    zeit: Nein.

    Steiner: Sehen Sie. Das ist etwas ganz Neues.

    zeit: Die ästhetische Komplexität eines Techno-Stückes kann sich mit großen Kompositionen durchaus messen.

    Steiner: Absolut. Und die Beatles sind große Musiker. Das ist eine Kunst der Kontrapunktik. Das ist bedeutende Musik. Aber seitdem gehen die Veränderungen sehr rasch.

    +++

    Steiner ist ein offener Denker (er würde eigentlich sehr gut in die NMZ passen), reißt Widersprüche auf, begibt sich selbst in Widersprüche und fordert dadurch zum Widerspruch heraus. Zum Beispiel mit der These, die Beatles seien bedeutende Musik, oder mit der Reduktion des Fußballs auf eine Weltreligion. Man kann das sicher auch anders sehen. Die Lektüre eines solchen Texts weckt bei mir positive Empfindungen: Ein Fenster geht auf und viel frische Luft kommt herein.

    Hier das ganze Interview:
    http://www.zeit.de/2000/32/Schon_der_Neandertaler_war_postmodern
    viel Spaß beim Lesen!

  26. strieder sagt:

    Am Rande: Danke für das Boulez-Interview, sehr interessant. Auch interessant das Zeitbild durch die Werbung: Lochstreifencomputer, eletronische Musikinstrumente und ein Mittel, um übermässigen Nikotin“genuss“ zu überstehen … wahrscheinlich alles Direktlieferanten zum Studio für elektronische Musik …

  27. Erik Janson sagt:

    @ Max, Theo and all,

    ja, sehe ich auch so. Gut, dass es diese Plattform gibt. Und das leben und die Kritik gehen weiter: auch nach Norwegen… Es ist zweifellos schlimm, was da passierte.
    Aber noch schlimmer fast ist es, dass nicht zwei Tage zu vergehen brauchen, wo die Tat eines menschenverachtenden Psychopaten wieder zu einer „Zeitenwende“-Tat hoch stilisiert wird bzw. hier dazu ausnegützt wird, dass erste Sommerloch-Politiker kommen und schon wieder über Vorratsdatenspeicherungen etc. und schärfere Bürgerüberwachungen nachdenken.

    Das erinnert an Fukushima – sorry. Woanders passieren Katastrophen, und man geht so besonnen und gefasst in den betroffenen Ländern damit um. Nur die Deustchen Medien und Sommerloch-Politiker sind wieder mal Weltmeister im Dramatisieren, Politisieren und Instrumentalisieren
    von „Ereignissen“…

    Zu solcher, anscheinend typisch „Deutscher“-Hysterie NICHT schweigen. Da darf man sich – auch – ruhig (und hier) mal drüber aufregen.

    Schönen Tag,
    Erik

  28. Max Nyffeler sagt:

    @ Erik Janson:
    Der Verbrecher entpuppt sich als wahrer Goldjunge (nicht nur für die Sicherheitpolitiker).
    Übrigens: Er wurde im ersten Informationsausstoß unisono als „Blond, blauäugig, christlich“ bezeichnet. Bisher habe ich aber immer nur Bilder gesehen, auf denen seine Augen braun (!) sind. Entweder ist der Text oder das Bild gefälscht.
    Das nächste Mediendebakel bahnt sich an. Ich freue mich schon auf die Talkshowdamen.

  29. Erik Janson sagt:

    @ Max Nyffeler,

    ja, so wird´s wohl kommen: nächste Talkshow „ÜBERALL nur Radikale: ist UNSER Land noch sicher…?“

    Armes Deutschland

    BUONA notte,
    Erik

  30. wechselstrom sagt:

    Auch wenn die Diskussion über diese wichtige Thematik in den Tiefen des Bad Blog verschwinden wird – ich denke, hier ist das Phänomen der Massenmedien angesprochen – einige kurze Bemerkungen:

    Massenmedien (und damit auch das Internet und in weiterer Folge der Bad Blog) stehen unter Manipulationsverdacht. Es ist klar, dass dieser Umstand den Machern der Massenmedien, die ja in einer doppelten Realität leben (der produktionsinternen und derjenigen, über die sie berichten) sehr wohl bewusst ist.
    Dies erzeugt eine doppelte Paradoxie: Das Bewusstsein, einem Manipulationsverdacht zu unterliegen ist Anlass diesem entgegenzuwirken (oder auch diesen zweckdienlich zu benutzen), wobei dieses Handeln wiederum neuen Manipulationsverdacht erzeugt.

    —-
    snipp
    —-
    Warum die Fragen nach dem „Sagen-Dürfen“: hier ist zu unterscheiden: Gesellschaften, die diese Frage kausal beantworten lassen: Beispiel China: Wei-Wei darf nicht Dinge sagen, die dem Politbüro nicht passen. Und Basta!

    Wie ist es aber mit unseren liberalen, im Bewusstsein von Meinungsfreiheit lebenden Gesellschaften: warum ist es bei uns wenig opportun sich eindeutig oder überhaupt zu äussern?
    Das Gedächtnis der Masenmedien ist ein guter Hinweis, den uns Eggy gegeben hat, und ich glaube, dieses Gedächtnis ist auch eine der Hauptursachen für , meiner Meinung nach unbegründete Sorgen.
    Hat also das Gedächtnis der Masenmedien das ersetzt, was in vormaligen Zeiten (und heute noch in China) die Herrscher/Fürtsen/Despoten ausgeübt hatten?

    Vieles deutet darauf hin – u. a. die geringe Teilnahme namhafter Kuratoren, Komponisten, Veranstalter an dieser Blog-Diskussion, obwohl viele dieser Leute die Einträge/Beiträge lesen.
    Es ist die gleiche Angst wie sie Wei-Wei verspürt, nur mit dem Unterschied, dass in Europa kein Politbüro regiert, droht oder einschränkt.

    Mit Blick auf die stummen KollegInnen der ModerneMusik-Szene: Freiheiten existieren nur dann, wenn man sie benutzt.

    – wechselstrom –

  31. Max Nyffeler sagt:

    Starker Schlusssatz!

  32. Hat also das Gedächtnis der Masenmedien das ersetzt, was in vormaligen Zeiten (und heute noch in China) die Herrscher/Fürtsen/Despoten ausgeübt hatten?

    das finde ich eine sehr interessante Interpretation, mit der Du wahrscheinlich sehr recht hast….

  33. querstand sagt:

    Schönwetter tut Euch nicht gut!!

    Kaum blitzt die Augustsonne hervor, herrscht zudem sommerliches Saisonendegähnen, feiert auch der Badblog seine Festspiele hehrer Einigkeit. Die Gleichung, dass das Gedächtnis der heutigen Massenmedien dem des ancien regime gleichzusetzen sei, verführerisch einfach, wie beim Eis-Italiener in grösster Auswahl immer nur Vanille, Erdbeere, Malaga und Pistazie an Geschmacksrichtungen zu verlangen (was allerdings auch Vieles über meine Geschmacksfaulheit aussagt…).

    Honorige Herren! Ist es nicht so, dass im Rahmen des Möglichen auch „damals“ (ancien regime) vorhandene papierne Massenmedien schmähten, schimpften und spotteten, in die Richtung, in die sich am einfachsten und ertragreichsten der „Volkszorn“ lenken liess? Da wurde im besten Fall der Finger auf offene Wunde gelegt, manchmal wirklich Missstände angeprangert. Viel öfters dürfte man sich allerdings auf Kosten Schwächerer, allgemein und/oder speziell Diskriminierter lustig gemacht haben. Sprich, die eine Wahrheit im Sinne der Verkaufszahlen wurde auch damals propagiert, die eigentliche oder zumindest eine andere Sichtweise jener einen Wahrheit blieb genauso auf der Strecke, wie in heutigen Kampagnen der Massenmedien, siehe zuletzt hierzulande das peinliche Rückzuggefechtsgewese der Bild-Zeitung um ihre Unterstützung des Namensgebers der Guttenbergplagiatsaffäre. So auch zu Zeiten Horaz‘ Satiren wie später vor und während der französischen Revolution, der freien Presse der neueren Zeit in England, der konservativen oder liberalen Presse im Deutschland des 19. Jahrhunderts, ganz zu schweigen von den beiden germanischen Diktaturen.

    Es ist immer die Blickrichtung, gegen die zumindest – neudeutsch – gebasht wird: Österreicher gegen Preussen, Engländer gegen Franzosen, Rechts gegen Links, Neue Musik gegen nicht ganz so Neue Musik, Lachen gegen Ernst, EU gegen Europa, dieses gegen Hellas, etcpp. Dahingehend die Richtungsvernetzungen des Engagements des Massenmediums damals wie heute aufzuzeigen, da liesse sich Gleichsetzung vornehmen.

    Bleiben wir hier Blog-immanent: ich sagte just „Neue Musik gegen nicht ganz so Neue Musik“! Da könnte ich hier aus den Untiefen einiges hervorkramen. Das war und ist immer wieder ziemlich verstörend, was die Suche nach Badblog im Netz so ausspucken kann. Selbstlobend ist allerdings festzustellen, dass immerhin die hier Bloggenden und namentlich oder anonym Kommentierenden das Keyboard-Maul aufreissen, es sogar mal auch ein wenig zerreissen, zu kräftig überreissen. Garantiert ist uns Allen oder Einigen von uns hierdurch schon mancher Mozartrequiem-mythische Preis oder Auftrag beim „googeln“ durch betroffene Jurymitglieder entgangen oder sogar offen gesagt worden: „Sie sind ja der vom Badblog – Sie bekommen hier Nichts“! Das kann natürlich wiederum nur eine platte Verschwörungstheorie sein. Oder gerade deswegen trat und tritt man endlich mit Anderen KollegnInnen mal in offeneren Kontakt – so geht’s mir zumeist!!

    Im Umkehrschluss kann man tatsächlich behaupten, dass dann jene risikoärmeren KollegInnen zwar freiheitsliebend sein könnten, aber nicht so sehr freiheitsnutzend. Das sind sie dann, so fühlt es sich an, besonders im Gebrauch der unterschiedlichsten Stilmittel und Techniken in ihren Stücken, die aber natürlich genauso dem Gemeingebrauch der Nische angepasst sind wie ihre verklausulierten, so unpolitisch wie möglich seienden, natürlich alles hinterfragenden („lol“) Programmhefttexte oder eben in ihrer Feigheit, hier das Maul aufzukriegen, auch mal Gefahr zu laufen, es richtig aufzureissen.

    So kommen wir wieder zu den Grundfesten Neuer Musik: ein wenig gehört das Provozierende immer dazu! Wie kann also Neue Musik noch Neue Musik sein, wenn sie nicht einmal mehr im eigenen Haifischbecken provoziert? Die grösste Provokation ist doch heute nur dann zu ersehen, wenn ein Hai sich aus einem anderen Becken verirrt haben sollte. Wobei heute tatsächlich auch eine grosse Streichelzoomentalität herrscht, nach dem Motto: „wir sind Neue Musik, lieben aber auch den Hip-Hop“ – um dann einen Abklatsch der Bronx zu kompostieren, ähem, zu komponieren. Ich kann mich nur nochmals auf Moritz beziehen, der zurecht sagt, dass eine gerade Haltung heute chancenlos ist. Das geht aber auch ohne Massenmedium: wehe, wenn heute jemand noch für Atomstrom plädiert, diesen von der Leistung her bevorzugt, selbst die Abfallprobleme dabei sieht, aber eben auf jene Vorteil verweist. Jener Mensch hat ziemlich ausgedient. Oder andersrum man sich radikal gibt und Windräder vor Neuschwanstein, im Wörlitzer Park wie vor der Wartburg verlangt? Die Neue-Musik-Fraktion dürfte so auch im Mehrheitsstrom mitbrummen, freut man sich um so mehr über Wendehälse aka Bekehrte – ohne den hiesigen Pseudonymträger damit zu meinen…

    Ich kann mich nur auf den aus der Erinnerung mir fasslichen SZ-Beitrag beziehen, in dem der Autor, aus dem Rock kommend, sich gerade über die vermeintliche „Stilreinheit“ der Neuen Musik (die für ihn bes. Pärt und Gorecki wie Cage und Kagel ist) freut. Wir bemühen doch immer wieder dagegen arg die Vorteile eines gewissen cross-overs, verdammen dies zwar auch, schliessen dann doch heimlich unseren Kompromiss damit. Oder sollte jener Autor auch nur ein verirrter Hai im Streichelzoo der Neuen Musik sein?!?

    Gruss,
    Alexander Strauch

  34. strieder sagt:

    Komponist Neuer Musik: Geduckt vom „Alte Musik gegen Neue Musik“-Kampf durchs leben gehend, überall lauernd der Feind in Form von betonstirnigen Tonalitätsrittern, für welche die west-europäische Harmonielehre der Gipfel menschlicher Geisteskunst ist, weit über allem anderen stehend, was auf diesen Planeten an Tönen erzeugt wird. Man entschuldigt sich für die eigenen Klänge, und damit man sich nicht noch mehr Zorn auflädt, muss man alles andere gut finden, sagen: „Seht mich an, ich bin nicht anders als ihr! Auch ich höre Pop … viel lieber!“

    nach dem Motto: “wir sind Neue Musik, lieben aber auch den Hip-Hop” – um dann einen Abklatsch der Bronx zu kompostieren, ähem, zu komponieren.

    Gegen Hip Hop in Neuer Musik ist ja gar nichts einzuwenden, solange das „geborgte“ verstanden, ernst genommen und in die eigene Sprache eingegangen ist – also nicht mehr „geborgt“ ist. (Wobei das auch nicht unbedingt immer so sein muss, ist doch das Missverstehen auch ein Faktor in der Kunst, der zu neuen Ergebnissen führen kann.)

  35. querstand sagt:

    Gegen Hip Hop in Neuer Musik ist ja gar nichts einzuwenden, solange das “geborgte” verstanden, ernst genommen und in die eigene Sprache eingegangen ist – also nicht mehr “geborgt” ist. (Wobei das auch nicht unbedingt immer so sein muss, ist doch das Missverstehen auch ein Faktor in der Kunst, der zu neuen Ergebnissen führen kann.)

    Absolut d’accord! Muss mich hier, hmhm, sogar Hip-Hop-Missbraucher outen… Auf den folgte im szenischen Kontext sofort eine ferneyhough-artige Phrase, als „Heilung“?!? Nö, mir war im Kontext so danach, will heissen: ja, es kann sehr bunt zugehen, weit entfernt von welchem Purismus auch immer – auch strengste Postmoderne kann an sich Purismus bedeuten, ähnlich wie das Kritisieren von Massenmedien, deren Selbstkritik im theilerschen Teil (s.o.) wiederum die eigentlich zu bekrittelnde Volksmanipuliererei sein könnte. Also, egal was man verwendet, wenn es nicht absolute Marke Eigenbau ist, sollte den eigenen kreierten Zusammenhängen aka Komposition entsprechen. Wobei es Theatralik einem dort immer einfacher macht, als Instrumentalmusik, die purste der Pustekuchen der Poops, Pop, argh, Neuen Musik – Plopp!! (Jetzt bin ich hirnverbrutzelt…).

    Fällt mir dazu noch ein: das „Eigene“ in solchen Zusammenhängen ist oft erstmal ein rein technisches Vehikel, eine Wendung, ein kleiner sinnstiftender Automatismus, ein Derivat hochkomplexer Vorgänge. Wenn es auch ohne Kleberfunktion taugt, kann man es eine eigene Erfindung nennen, allein in reineren Formen einsetzen. Ob es dann aber noch so interessant ist wie als jener kleine Sinnstifter? Bezeichnenderweise hält man canettisch gedacht ja gerade die Puren für die Chaotiker, die an RudisResteRampe aus den löchrigen Socken und sonst nichts (k)eine Sinfonie sich erlauben zu schrauben, die bunten Hunde für Destillierer, denen nichts einfiele. Dabei fällt denen eben doch so oft zuviel ein, so dass man den Canettismus wieder umgekehrt zur Kleiderauszeichnung gebrauchen könnte… Immer diese ungünstigen Blickwinkel, in die man sich selbst stellt und sich dann für Alles und Jeden entschuldigt! Steht man vor einer drögen achten, neunten Gymnasiumsklasse, denen man in 45 Minuten sein bisheriges Opus aufnötigt, fällt schon mal die Frage, was denn all dieses Zeugs solle – dann entschuldigt sich eben jeder – so treffend striedersch beschrieben – für sein Schreiben und zaubert noch was „poppiges“ hervor, man so offen für Alles sei…

    Statt dass man einfach mal genauso un-geöffnet wie die angeödete Jugend bleibt und auf seiner Sache beharrt. Ich weiss noch, wie mein stockkonservativer Ethiklehrer verkündete, endlich sein SZ-Abo gekündigt zu haben. Irgendwie war mir das als SPD-Elternhaus-geprägten Schüler „spooky“, nötigte mir aber doch eine Menge Respekt ab: ich habe bis heute kein SZ-Abo, lese aber jede ihrer Seiten, derer ich habhaft werden kann. Und bin dennoch froh, meine Zeit auch mit FAZ, FR und sonstigem verschwenden zu können, denn die Nur-Position des Lehrers ist mir wiederum zu einseitig. Also wie nun?

    Offen für Anderes sein, aber seinem Leisten treu bleiben. Dem einen ist eben mehr nach tönender Hochkultur, dem anderen steht sie zu sehr auf tönernen Füssen und dennoch bewundert er sie darum, dem einen beeindrucken zwar die Verkaufszahlen der Bodenständigen, muss aber um so mehr sehr bunte Filmmusiker trösten, die zwar von ihren Quantitäten gut leben, aber gerne mal Tonschalen zu Bruch gehen lassen wollen, wie man so wunderbar in der Neuen Musik scheitern kann, ohne nie wieder neue Folgejobs zu bekommen: das Scheitern gehört dann einfach zum Konzept…

    Gruss,
    A. Strauch

  36. querstand schrieb:

    Garantiert ist uns Allen oder Einigen von uns hierdurch schon mancher Mozartrequiem-mythische Preis oder Auftrag beim “googeln” durch betroffene Jurymitglieder entgangen oder sogar offen gesagt worden: “Sie sind ja der vom Badblog – Sie bekommen hier Nichts”!

    Gibt es da konkrete Beispiele? Das würde mich schon mal interessieren….Dass man hier und da angefeindet wird -klar, aber positive Reaktionen sind eigentlich häufiger Wenn es wirklich so sein sollte, wäre das schon ein ziemlicher Skandal. Wer von euch hat so etwas schon mal erlebt? Beispiele könnt ihr mir gerne auch anonym schicken, ich bin diskret.