Live-Kritik vom UfA-Konzert Thielemanns

So TV an, Tee gewärmt. 17:30 Uhr. Ohne Umschweife geht’s los mit Erich Korngolds Musik aus „Captain Blood“ (1935). Typischer Korngold-Bombast, sehr rauschend und hübsch. Im Anschluss Theo Mackebens „Frauen sind keine Engel“, der erste NS-Filmkomponist des Abends. Nach langem Intro und einer irgendwie zu früh auf der Freitreppe erschienenen Angela Denoke folgt nahtlos Hans Mays „Heut ist der schönste Tag in meinem Leben“, leicht quäckig von Danie Behle gesungen. Hans May, der auch „Ein Lied geht um die Welt“ schrieb – das Josef Schmidt sang, der kurz darauf in die Schweiz floh – verließ 1933 Deutschland gen Österreich. Nach Friedrich Hollaenders „Ich bin von Kopf bis Fuss auf Liebe eingestellt“ mit Elisabeth Kulman, folgt nun der erste Zarah Leander-Schlager „Kann denn Liebe Sünde sein“ von Lothar Brühne, der mitten in den 40ern für die UfA wirkte, dem Gatten von Vera Brühne. Grosser Applaus.

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Da es um 17:50 Uhr ohne Pause weitergeht, bleibt der Moderatorin nur vermelden, dass Herr Thielemann das folgende Stück im Radio hörte und es deshalb aufs Programm setzte: Ralph Erwins „In’s blaue Leben“ für Salonorchester ist ein fetzige Foxtrott-Nummer, Erwin musste Deutschland als Jude 1933 verlassen. Genauso erging es Werner Richard Heymann, von dem man den nächsten Foxtrott „Du bist das süßeste Mädel der Welt“ spielt – ohne Dirigat Thielemanns,  die Staatskapellenmusiker als feine Dixie-Kapelle.

Wieder dirigiert folgen „Ein Freund, ein guter Freund“ mit Daniel Behle allein, dieser nun besser aufgelegt, im feschen Tempo und dann als Duett mit Angela Denoke „Liebling, mein Herz lässt Dich grüßen“ – beides aus dem UfA-Klassiker „Die Drei von der Tankstelle“. Angela Denoke gibt sich große Mühe, doch ist ihre Stimme irgendwie zu schwer und groß für diese ursprünglich durch gut singende Schauspieler wie Lilian Harvey und Willy Fritsch im Film interpretierte Musik.

Ein interessantes Unikum ist „Ich steh’ im Regen“ von Ralph Benatzky, der auch 1933 Deutschland gen Österreich verließ, in den 40ern für Hollywood arbeitete: Zarah Leander ließ ihn für die Filmmusik „Zu neuen Ufern“ durch die UfA zurückholen, woraus man hier nun „Ich steh’ im Regen“ hört. Das ist ein Klasse instrumentierter Song, wo man Zarah Leander den Regenschirm melancholisch ausschütteln hört. Hier kommt Frau Denoke nun sehr fein zur Geltung, gar nicht Leander-haft, doch eigen, denn diese Musik verträgt Opernstimmen!

Nun endlich Hans Mays „Ein Lied geht um die Welt“, in einem Richard-Strauss-haften Arrangement. Möge es Schlager und Oper, Vertriebenen und Daheimgebliebenen versöhnen. Die Frage ist nur: wird es nur wegen seiner Qualität gegeben, weil man es auch mal per Zufall im Radio hörte? Oder ist es eine Hommage an den vertriebenen UA-Tenor Josef Schmidt und alle, die mit ihm gehen mussten? Hier ist es irgendwie vor allem prachtvolle Silvesterunterhaltung, die immerhin einige Bravi hervorruft, also als solche gut wirkt. Nur mehr Kontext wäre auch was feines, Unterhaltung hin, Rausch her.

Es folgt wohl, wieder nur die Dixie-Kapelle aus der Frühzeit der UfA Harry Weans‘ „Was ist los?“. Ausser dass es ein Arrangement von Stefan Behrisch ist, das auf der Tonaufnahme des Salonorchesters Marek Weber (Electrola / EG 1675) beruht, kein weiterer Satz zu Weans. Danach Werner Richard Heymanns „Schön ist das Leben“, auch aus der UfA-Frühzeit, mit Daniel Behle. Nun vermisst man ein wenig Max Raabe, der das wunderbar zugeknöpft, zurückhaltend, feurig singen würde!

Bevor nun Michael Jarys „Davon geht die Welt nicht unter“ aus „Die große Liebe“ kommt, bemüßigt sich endlich die ZDF-Moderation was über den wegen seiner Homosexualität verfolgten und gefoletrten Textdichter Bruno Balz zu sagen und streut was von „hier bemerkt man die Ambivalenz dieser Schlager“ ein. Die zweite Strophe bietet ein quasi atonales Neu-Arrangement. Sehr interessant – nachdem die Moderatorin sagte, Jary sei Arnold Schönberg-Schüler, könnte man glauben, dass es damals auch so klang. Schön von Elisabeth Kulman interpretiert. Dann leitet es straussisch schon zu „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“ – auch aus dem Film „Die große Liebe“ – über, so dass auch ja keiner im Publikum zu sehr gestört wird. Mit ein wenig mehr verbalen Kontext, Moderation auch für das Semperopernpublikum hätte man sich das Geld für das Arrangement sparen können und somit noch ernsthafter den Hut vor Balz/Jary gezogen! Es gab übrigens keine Bravi – wohl doch zu viel Atonales für die Herrschaften, wo es doch so nett eingewindelt daherkam?

Mit Angela Denoke folgen Friedrich Hollaenders „Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre“ und Theo Mackebens „Bei Dir war es immer so schön“. Letzteres wurde 1954 in dem gleichnamigen Film zur Hommage über Mackeben selbst, denn der Film ist quasi eine Adaption seines Lebens.

Als instrumentales Intermezzo folgt Georg Haentzschels „Entführung der Prinzessin und Barcarole“, die Nr. 4 aus dessen „Große Suite in sechs Sätzen zu Münchhausen“. Im ZEIT-Interview schwärmte Thielemann über die freitonale Einleitung. Wenn man an Musik von Egk oder auch manche Dissonanz in Daphne oder Danae von Strauss denkt, doch nicht so ungewöhnlich und verboten, da es im Film wohl kurz einem unheimlichen Moment dienen könnte. Man fragt sich: hat sich Thielemann nur die Musiken angehört und nonchalant über den Kontext, die damalige Zeit informiert? Es wirkt doch recht blauäugig, was da so herüberkommt.

Wieder mit Gesang folgt von Franz Grothe „Ich warte auf Dich“ und „In der Nacht ist der Mensch nicht gern alleine“ aus „Die Frau meiner Träume“, zuerst Daniel Behle allein, die zweite Nummer im Duett mit Angela Denoke. Wir kennen und schätzen alle die Fritz Grothe Stiftung, wenn sie neue Kompositionen fördert. Interessant: selbst im Gegensatz zu Egk, der sich sofort etliche Persilscheine besorgte, verweigerte sich Grothe zuerst der Entnazifizierung. Irgendwie klappte das dann wohl doch, denn er spielte bald in US-Clubs und komponierte wieder ab 1950 fröhlich Schlager. Und freute sich dann wohl auch wie wir über seine Stiftung…

Gibt es eigentlich eine unverfängliche Robert-Stolz-Stiftung? Denn im Anschluss folgt dann Robert Stolz‘ „Ob blond, ob braun, ich liebe alle Frau’n“ mit Daniel Behle und „Frag nicht, warum ich gehe“ mit Angela Denoke, Letzteres aus dem Jahre 1930: nach dem Anschluss Österreichs ging er tatsächlich 1938 oder 1939 (da streitet man sich noch) und emigrierte in die USA, wo sogar für seine dortigen Arbeiten eine Oscar-Nominierung erhielt, um erst 1946 wieder in Österreich weiterzuarbeiten.

Mit Elisabeth Denoke folgt Theo Mackebens Zarah-Leander-Czsardas „Nur nicht aus Liebe weinen“, mit Staatskapelle und Thielemann in bester Fledermaus-Klänge-der-Heimat-Stimmung. Es bleibt bei Paprikamusik: Nico Dostals „Heut’ Abend lad ich mir die Liebe ein“ aus „Das Lied der Wüste“ ist das typische Werk eines netten Komponisten, der die NS-Zeit überlebte, aber dessen Unverfänglichkeit doch merkwürdig wirkt. Zudem ist sein Verhältnis zum NS-Staat noch nicht abschliessend erforscht.

Nach „Die Nacht ist nicht nur zum Schlafen da“ von Theo Mackeben endet der Abend mit Peter Kreuders „Ich brauche keine Millionen“ wie eine Knoff-Hoff-Show ohne Wissenschaftsteil, weder technisch mit Joachim Bublath oder historisch mit Guido Knopp, nur mit „großen Emotionen“, wie die ZDF-Moderatorin meinte. Immerhin lieferst sie noch ein Thielemannzitat, was natürlich nicht im Programmheft steht oder jemand im Saal gesagt haben würde: „Ich hoffe, der Abend habe Sie zugleich beschwingt und nachdenklich gemacht“. Ich denke, das Nachdenken muss Herr Thielemann noch üben und weniger sich vom Autoradio als Kontexten inspirieren lassen! Wie schade, dass Ingo Metzmacher nicht mitwirkte.

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Eine Antwort

  1. Also: Thielemann ist meiner Meinung nach ein hochmusikalischer Show-Boy. Braucht noch ein bisschen Body-Coaching, wenn er wackelärschig wie Donald Duck sich durchs Ensemble bewegt, – hat eigentlich alles mit Musik nix zu tun. Hauptsache, die Frisur sitzt, wie bei fast allen Funk- und Fernseh-Intendanten. Opportunisten, ob am Pult oder in der smarten Luxusetage. Dass ausgerechnet in Dresden diese reizvolle Ex-Nazi-Filmmusikshow stattgefunden hat, ist – bei dem wenigen Kommentar, den Bettina Volksdorf zwischendurch abliefern durfte, sicher KEIN Zufall. Ebendas sollte uns nachdenklich machen. Meint: Theo Geissler