Das Märchen von der Obstgärtnerin – Eine KI-Parabel

Das Märchen von der Obstgärtnerin – Eine KI-Parabel

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Stellen Sie sich vor, Sie sind Obstgärtnerin. Sie haben einen wunderschönen Obstgarten mit exotischen Früchten. Jede Frucht ist ein Kleinod und wird von Ihnen liebevoll gepflegt. Jeden Morgen gehen Sie in ihren Garten und schauen nach dem Rechten, pflegen die Obstbäume und schützen sie vor Parasitenbefall und Würmern. Erst spät am Abend gehen Sie zu Bett. Ihre Arbeit als Obstgärtnerin macht Ihnen Spaß und bestimmt Ihr ganzes Leben. Fast ist es so, als ob Sie jede eigene Frucht beim Namen kennen, so viel Zeit verbringen Sie mit ihnen.

Regelmäßig kommen die Bewohner des Dorfes vorbei und kaufen diese Früchte. Damit ist es ihnen möglich, stetig den Garten zu bewässern und neue Samen zu kaufen. Die Dorfbewohner wissen es zu schätzen, dass Ihre Früchte eine individuelle Note haben. „Bei Ihnen schmecken die Früchte ganz besonders gut!“ versichern sie Ihnen wieder und wieder. Da Ihre Preise aber fair sind, machen Sie nie ein besonderes Geschäft. Es reicht gerade so, den Garten, den Grund und Ihr Haus zu erhalten. Das macht aber nichts, denn wie gesagt: Sie lieben Ihre Arbeit sehr!

Eines Tages kommt ein fremder Mann mit einer merkwürdigen Maschine vorbei. Sie haben ihn noch nie vorher gesehen und es scheint auch nicht, als ob er aus dem Dorf kommt. „Ich komme aus einem weit entfernten Land, bin aber von Ihrem Garten sehr begeistert!“ sagt er.  Er stellt die Maschine auf und fragt, ob er ein paar Ihrer Früchte probieren kann. Sie sagen ja, denn Sie hoffen auf ein gutes Geschäft. Vielleicht wird der Mann die Früchte auch in sein weit entferntes Land mitnehmen, denken Sie sich. Dort wird man von Ihren Fähigkeiten als Obstgärtnerin hören und vielleicht werden die Menschen aus dem fernen Land Ihre Früchte bestellen. Das wäre doch vielleicht nicht schlecht, ein kleines bisschen mehr zu verdienen.

Der Mann nimmt verschiedene Ihrer Früchte und steckt sie in seine Maschine. Man hört ein sirrendes Geräusch. Der Mann hält ein Glas an einen kleinen Hahn, der aus der Maschine herauskommt. Auf wunderbare Weise kommt ein Saft heraus, der tatsächlich köstlich und erfrischend schmeckt. Interessant, denken Sie sich, dieser Saft lässt sich sehr schnell herstellen und ist eine neue Art, die köstlichen Früchte zu kosten.

In diesem Moment kommt ein Kunde aus dem Dorf vorbei. Der Mann stellt sich sofort vor den Kunden und bietet ihm seinen neuartigen Fruchtsaft an. Natürlich will der Kunde wissen, wie viel der Fruchtsaft kostet. Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: „Egal, was die Gärtnerin hinter mir für ihre Früchte verlangt, mein Saft aus genau denselben Früchten kostet viel weniger“. Der Kunde nennt einen Preis, der unter dem liegt, was Sie für Ihre Früchte verlangen. „Wir haben einen Deal“ sagt der fremde Mann, und lässt seine Maschine erneut Saft aus den frischen Früchten produzieren, die er von Ihnen zum Probieren bekommen hat. Der Kunde bezahlt und probiert den Saft. Er ist erstaunt, wie gut er schmeckt. „Dieser Saft gefällt mir“, sagt der Kunde, „er schmeckt nach den wunderbaren Früchten, die es hier zu kaufen gibt, ist aber dabei erstaunlich billig. Den werde ich gewiss erneut probieren, wenn ich das nächste Mal komme!“. Mit diesen Worten zieht der Kunde von dannen.

Sie als Obstgärtnerin wundern sich über diese Geschäftsidee – etwas billiger verkaufen, als es tatsächlich kostet? Wie soll das funktionieren? Aber nun denn, der Mann schuldet Ihnen das Geld für die Früchte und natürlich fragen Sie ihn danach.

„Ich schulde ihnen gar nichts“, sagt der Mann. „Sie haben mir die Früchte gezeigt, damit gehören sie mir.“

„Wie bitte?“ sagen Sie. „Zeigen heißt doch nicht, dass ich damit einverstanden bin, dass Sie sie umsonst zu Saft verarbeiten?“

„Doch, genau das heißt das. Und so funktioniert auch meine Maschine: Alles, was ich sehe, kann ich hineintun.“

„Aber es ist doch eindeutig, dass ich die Person bin, die mit ihrem Obstgarten die ganzen Früchte erst ermöglicht hat?

„Aber wer hat den Obstgarten ermöglicht? Und wer den Regen, der den Obstgarten bewässert? Am Ende gehört das doch uns allen: Das Sonnenlicht, der Boden…Ich dagegen habe mühsam diese Maschine konstruiert, die etwas kann, was bisher noch niemand konnte, und die muss ich ja irgendwie finanzieren. Früchte wachsen einfach so, eine Maschine dagegen muss erst gebaut und erfunden werden.“

„Das ist doch unerhört!“ sagen Sie, und jagen den frechen Mann davon.

Am nächsten Tag wollen Sie wieder Obst verkaufen, aber sie stellen fest, dass ein großer Teil der Ernte fehlt. Neben dem Feld steht der Mann und verkauft den Obstsaft aus seiner Maschine an zahlreiche Interessenten. Das Geschäft läuft hervorragend für ihn.

„Moment einmal“, sagen Sie, „Sie können doch kein Diebesgut verkaufen, diese Früchte haben Sie ganz sicher von mir gestohlen, es gibt keinen weiteren Obstgarten weit und breit!“.

„Habe ich nicht!“, sagt der Mann. „Beweisen Sie mir doch mal, dass ich auch nur eine einzige Frucht gestohlen habe. Zeigen Sie mir genau die Frucht, die ich stahl, hier in diesem Glas Saft. Welche war es exakt? Können Sie es nicht sagen? Dann können Sie mir auch nicht beweisen, dass ich gestohlen habe. Der Saft ist ein völlig neues Produkt. Er ist nicht mehr ein einziger Apfel, eine einzige Erdbeere. Er ist die Quintessenz aus allen Früchten, man kann das nicht mehr zurückverfolgen. Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht einmal genau, wie genau die Maschine das Obst zu Saft verarbeitet, denn es geschieht irgendwo drinnen in der Maschine, so dass ich es nicht sehen kann!“.

 

Natürlich sind Sie frustriert über die Situation. Es ist eindeutig, dass der Mann ihnen das Obst stiehlt. Was können Sie tun? Ihnen fallen drei Möglichkeiten ein:

Sie können eine hohe Mauer um ihren Obstgarten herum aufstellen und die Wege zum Obstgarten streng bewachen. Dann werden aber nicht mehr viele den Weg zu Ihrem Obstgarten finden und am Ende verkaufen Sie viel zu wenige Früchte, um das alles zu finanzieren.

Oder sie machen weiter wie bisher und hoffen darauf, dass ihre Früchte trotz des offensichtlichen Diebstahls weiterhin gekauft werden. Doch auch das ist schwierig, denn der Mann mit der Maschine unterbietet ihre Preise wo er nur kann, außerdem stiehlt er wie ein Rabe, ohne dass Sie es ihm je nachweisen können.

Schließlich könnten Sie auch einen Deal mit dem Mann machen, denn er braucht ja dringend ihre ganz besonders frischen Früchte, um seinen Obstsaft zu machen. Ansonsten schmeckt der Saft nicht und hat keinerlei Vitamine. Die große Frage ist nur: wird der Mann einen Deal mit ihnen machen, oder Ihnen Konditionen aufzwingen, die Sie nicht akzeptieren können?

Und egal wie diese kaum verhüllte allegorische Geschichte ausgeht, in der der Mann mit der Maschine ein KI-Konzern und die Gärtnerin eine Kreativschaffende ist, Sie werden sich auf jeden Fall die Zeit zurückwünschen, in der es keinen unterbietenden Zwischenhändler gab, der Ihnen die Ware stiehlt, ohne es Ihnen zu danken.

Das Problem ist nur: diese Zeiten kommen nie wieder.

Und wenn Sie nicht gestorben sind, dann leben Sie hoffentlich auch noch morgen.

 

Moritz Eggert

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