Die Silvestrov-Sängerin Yana Ivanilova: 2014 für Krim-Annexion, 2022 Unterstützung für Spenden an die Donbass-Separatisten
Auf social media wird mit Begeisterung das Video des vorgestrigen Konzertes in Moskau geteilt, das die Polizei wegen angeblicher „Bombe“ abbrach. Da Musik des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov auf dem Programm stand, wird angenommen, dass dieser Konzertabbruch die Aufführung seiner Musik verhindern sollte. Allerdings spielte da der Pianist Alexei Lyubimov bereits Musik von Schubert. Zuvor war in dem privaten Konzert-Space der Liederzyklus „Stufen“ von Silvestrov erklungen, es sang Yana Ivanilova. Der Pianist war mutig. Doch ein Blick auf das Facebook-Profil der Sängerin, die dieses mit Wohnsitz Russland trotz Verbot noch bedient, lässt an ihrer Integrität zweifeln, in einem Konzert aufzutreten, das – ja, was wollte es denn für die Ukraine in Moskau erreichen – irgendwie Solidarität, Widerstand bedeuten sollte.
Laut Veranstalter trat Yana Ivanilova wohl vor allem deshalb auf, weil sie den Liederzyklus in den Neunziger Jahren mit Lyubimov uraufgeführt hatte. Ob sie einen Sinneswandel seit März 2022 durchmachte, läßt sich nicht sagen. Am 7. März 2022 postete sie nämlich Putin-Propaganda im Stile einer Donbass-Spenden-Netrebko 2.0: ein Video des Partei-Funktionärs Sergey Mironov der Putin unterstützenden Partei „Gerechtes Russland“, der hierbei für die „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk Spenden sammelt: „Наша партия и Фонд «Доктор Лиза» объявляет сбор пожертвований жителям Донбасса. Чтобы помочь жителям ДНР и ЛНР, нужно отправить на короткий номер 3434 сообщение с указанием суммы пожертвования.“ („Unsere Partei und die Doctor Lisa Stiftung kündigen eine Spendenaktion für die Bewohner des Donbass an. Um den Einwohnern der Donezk Volksrepublik und des LPR zu helfen, müssen Sie eine Nachricht an die Kurznummer 3434 senden, in der die Spendensumme angegeben wird.“). Wer gegen den Krieg ist bzw. an dessen Rechtmäßigkeit zweifelt, verbreitet nicht Spendenaufrufe eines Partei-Funktionärs, der „Z“ Propaganda verbreitet und den russischen Angriffskrieg unterstützt: „2014 году, когда Крым вернулся в родную гавань. Мне не стыдно и сейчас, когда Россия защищает русских Донбасса и освобождает Украину от нациков.“ („2014 gab es keine Schande, als die Krim in ihren Heimathafen zurückkehrte. Ich schäme mich auch jetzt nicht, dass Russland den russischen Donbass schützt und die Ukraine von den Nazis befreit.“). Am 25. März 2022 bewirbt der Konzert-Space „dkrassvet space“ auf VKontakte z.B. das Konzert. Zwischen dem 7. März und der Konzertwerbung ist auf dem Profil der Sängerin kein Wechsel der Haltung zu erkennen – Orthodoxes postete sie auch zuvor permanent.
Am 18. März 2014 postete sie mit einem Link zu einem Bericht über den Antrag der ukrainischen, damals bereits annektierten Krim in die russische Föderation aufgenommen zu werden: „Слава Богу!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Слава России!!!!!!!!!!!!Ура!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“ („Lobet den Herrn!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Ehre sei Russland!!!!!!!!!!!! Hurra!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!“). Sprich, sie heißt die Krim-Annexion, die die Ukraine bis heute nicht akzeptiert, gut mit, 1, 2, 3… 45, 46, 47 Ausrufezeichen. Sie ist zwar nicht auf der Liste von Annexions-Unterstützenden aus dem Jahre 2014 zu finden, das u.a. Bashmet und Gergiev unterzeichneten. Aber ihr Posting spricht für sich, spricht Bände.
Das Video des unterbrochenen Konzertes wird uns im Westen nun von englischsprachigen Blogs bis hin zu Journalisten des mitteleuropäischen Feuilletons und auch dissidenten, russischen Kunstschaffenden gutgläubig verbreitet. Die Sängerin ist darauf nicht zu sehen, aber da der Grund der Konzertunterbrechung „Silvestrov“ ist und sie originär damit verbunden ist – wohl eben vor allem, weil sie „Stufen“ mituraufführte, nicht unbedingt wegen vieler Sinneswandel seit dem 7. März 2022 oder dem 18. März 2014, spielt sie doch eine gewisse Rolle dafür.
Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass man bei russischen Kunstschaffenden doch genauer hinsehen sollte, was deren Hintergründe sind. Und hier zeigt es sich, dass man selbst bei einem „Widerstand-Event“ auf social media, in realiter ein „Zensur-Event“ immer etwas genauer hinsehen soll. Ukrainische Botschafter monieren immer wieder, oft ruppig, dass russische Kunstschaffende in Benefizkonzerten für Ukrainer mitwirken, selbst wenn Teilnehmende wie Evgenji Kissin dafür goldrichtig wären. Der Fall Yana Ivanilova zeigt, dass die Botschafter leider auch mal richtig liegen. Meine Schlussfolgerung gestern war, dass man derzeit eher ukrainische Kunstschaffende programmieren sollte, abgesehen von Russ:innen im ausländischen Exil. Darauf reagierte mancher heftig, der jetzt noch das Video verbreitet. Leider wies nicht jeder auf die problematische Sängerin, das durfte ich mir mühsam selbst erschliessen. Was lerne ich daraus? Ereignisse in der Ukraine bleiben akut definitiver wichtiger als russische. Und bei Programmierung russischer Musik und Kultur muss man sehr genau hinsehen und abwägen, ob man sich nicht damit unsensibel gegenüber dem Leid und den Zerstörungen der ukrainischen Kultur durch den verbrecherischen russischen Angriffskrieg verhält, solange kein Frieden geschlossen worden ist.
Komponist*in