GEMA: Wirklich Ungemach mit exotischen Werktiteln?
Morgen wird der „CLUBleu“, das Duo Julia Mihály und Felix Leuschner, die mit Elektro-Noise-Klängen, analogen Synthesizern, Samples und live-Effekten für Stimme und Schlagzeug arbeiten und seit längerem den Underground der Neuen Musik in Deutschland aufmischen, sein neustes Werk „DARK ENERGY – frankfurt album“ im Historischen Museum Frankfurt/M. Komplett uraufführen. Dabei handelt es sich um eine Arbeit mit verschiedensten „field-samplings“ der Bankenmetropole. Das ergibt auch 15 Tracktitel einer eigenen CD- Produktion dieses Stückes. Wie es sich gehört, wollten Leuschner und Mihály das Kompendium und seine Einzeltitel korrekt bei der GEMA anmelden. Wie sie auf ihrem Facebook-Auftritt verlautbaren, kam es da zu auf den ersten Blick amüsanten, bei näherer Betrachtung doch recht umständlichen Verwicklungen mit der GEMA-Sachbearbeitung und der GEMA-Datenverarbeitung. Denn die Stücktitel sind keine Worte, sondern eine jeweils eigene Kombination von Buchstaben, Ziffern und Zeichen, was bisher kein Problem ist, und Sonderzeichen, die mit der jetzigen EDV der Verwertungsgesellschaft nicht verwendbar sind. Im Endergebnis wurden seitens der GEMA nun sämtliche Satztitel mit „-“ statt z.B. als „N 5∆° $’ h3,s“ registriert. CLUBleu fühlt sich nun ziemlich vorgeführt und will morgen bei seinem Konzert näher darauf eingehen. Näheres schrieb dazu auch schon Ole Hübner auf seinem Blog.
Nun stellt sich die Frage: was will man eigentlich von der GEMA? In den letzten Jahren verfolgte ich vor allem in Gesprächen mit etlichen Künstlern die Klage um korrekte Abrechnungen von Werkaufführungen. Meistens wurde eine stattgefunden habende Aufführung nicht oder nicht richtig abgerechnet. Als Grund kam dabei mehrheitlich heraus, dass entweder das Werk zu spät als solches angemeldet worden war, wobei da die GEMA grundsätzlich sofort eine Nachfrage an den mutmasslichen Autor durchführt. Oder der Veranstalter meldete es gar nicht oder nur so an, dass die EDV der GEMA damit wohl ihre Schwierigkeiten hatte, oder es war eben doch ein Problem mit der Sachbearbeitung der entsprechenden Bezirksdirektion, wie es mir als in der Doppelrolle als Veranstalter und Komponist z.B. letztes Jahr erging – und bis heute noch auf eine Antwort aus Nürnberg warte… So simpel es nun klingt: das sind allerdings Probleme, die man selbst mit der GEMA lösen muss, mit wichtigen lokalen Veranstaltern, etc. Daraus kann man nicht grundsätzlich auf die GEMA generalisieren!
Dennoch bleibt dies mit den Werktiteln ein Problem. Allein wenn man sein Stück mit „Heute/Morgen/Gestern“ titelt, das sogar noch manuell einreicht, kommt vielleicht bei der GEMA „Heute Morgen Gestern“ oder „Heute-Morgen-Gestern“ heraus, was das Stück dann in der Werktiteldatenbank unauffindbar macht bzw. es eben nur mit der fehlerhaften Titelangabe zu suchen ist. Seitdem die GEMA nun die Online-Werkanmeldung ermöglicht, kann man diesen beschriebenen Fehler ausschliessen bzw. die alte Version abändern, sofern das keine weiteren Verwirrungen anstellt. Wenn nun der Veranstalter seinerseits aber solch einen doch noch einfachen Titel falsch angibt, dann bleibt nur wieder der Reklamationsweg. So kann man sich auch vorstellen, dass Anthony Braxton z.B. mit seinen wundersamen Titelangaben so zu seinen Tantiemen kam. Oder er hat statt Grafiken und Elementketten doch noch eine Verwaltungslösung gefunden.
So etwas schwebt mir auch im Falle des CLUBleu vor. Denn immerhin gibt die GEMA unter „Hilfe“ ihrer Online-Werkanmeldung zu, dass sie nur die Sonderzeichen „!“$%&(‚,-#~\}][{32@€“ in ihrer Datenverarbeitung einsetzen kann, wobei man sich fragt, warum die ersten zehn davon überhaupt Sonderzeichen sein sollen, denn erst ab der „Tilde“ wird der Einsatz von Sonderzeichen-Funktionen auf einer Standardcomputertastatur notwendig. Die GEMA muss ja selbst deutsche Umlaute in ae, oe und ue umwandeln, natürlich nur in Grossbuchstaben, also AE, OE und UE. Also weiß man einigermassen, was einen bei ungewöhnlichen Stücktiteln erwartet. Wie wäre es nun, wenn man den oben angeführten Titel statt mit „N 5∆° $’ h3,s“ mit „N 5DELTAGRAD DOLLARZEICHEN HOCHGESTELLTESKOMMA H3,S“ angibt? Das ist natürlich eine Anpassung an die EDV. In der Partitur oder anderen Abspielanweisungen kann man dazu anmerken, dass, der offizielle Titel „N 5∆° $’ h3,s“ wäre, die Langversion aber bei GEMA-relevanten Aufführungen in der Stückliste anzugeben ist.
Dies befreit die GEMA nicht, auf Dauer ihre EDV flexibler zu machen oder zumindest im Feld Sonstige Titel dies zu ermöglichen. Aber Hoffnung dürfte bestehen, denn es soll demnächst ja selbst eine Art eigenes GEMA-Social-Network geben. Und dass sie wandlungsfähig ist, zeigte sie damit, dass sie z.B. die längst überfälligen Online-Dienstleistungen einrichtete. Allerdings wird es gerade im E-Musik Live-Bereich immer wieder Verschreiber oder Vertipper geben. So wäre es wirklich eine Erleichterung, wenn sie in diesem Bereich von vornherein den Komponisten ohne deren Aufforderungen automatisch postalisch Nutzungsaufstellungen zukommen lässt. Zwar ist jedes Mitglied verpflichtet, seine eigenen Werke zu verwalten. Dies wäre aber ein Service, der bisher dies vernachlässigende Kollegen und Kolleginnen genauer nehmen lassen würde. Aber dies ist ja was anderes!
Um bei der Werktiteldatenbank zu bleiben: es ist auf alle Fälle wichtig, dies zu thematisieren, zu kritisieren. Auf der anderen Seite ist die GEMA aber nicht der Moloch, dem man sich so gerne als kleines E-Musik-Licht ausgeliefert fühlt. Jeder kennt in seinen professionellen Kontakten jemanden, der Tipps dazu geben kann oder gar aktuell oder vor einiger Zeit in Gremien der GEMA mitarbeitete. Am besten wendet man sich mal an diese und versucht das Problem über diesen Weg auch zu klären. Ausserdem wäre ein weiterer offizieller Weg, sich entsprechend in Verbänden mit oder neu zu organisieren, diese auf die Thematik hinzuweisen. Natürlich ist es auch gut, dies künstlerisch zu verarbeiten. Allerdings dürfte Johannes Kreidlers GEMA-Aktion „product placements“ 2008 heute kaum zu toppen sein. Und zu guter Letzt sollte man sehr genau überlegen, was man unternimmt, denn allzu schnell wird aus GEMA-Kritik GEMA-Bashing. Und daran sollte uns E-Komponisten am allerwenigsten gelegen sein.
Komponist*in