Kaum noch Kritisches, Ausführliches an verlinkten Infos: ARD-Klassik auf social media

Ist Euch schon aufgefallen, dass seit geraumer Zeit auf Facebook nun ARD Klassik statt BR-Klassik unterwegs ist? Man sagt, man habe sich mit dem SWR und anderen zusammengetan, um Klassikereignisse im und ums Radio hier besser zu bündeln. De facto wurde aus BR-Klassik also ARD Klassik, statt einen Kanal neu zu bilden und BR Klassik weiterhin regional eigenständig auf social media präsent zu lassen.
Jetzt gibt es Kritiker:innen, die das, was ich nun vermisse, gar nicht so schlimm finden. Denn bei aller Trimedialität: natürlich sind Radio und Fernsehen die Hauptebenen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nicht das Internet. Trotzdem findet man im Internet, auf den Homepages der Sender wie BR-Klassik, SWR 2 oder NDR Kultur Nachrichten, Berichte, Features und Kritiken und mehr zum Musik- und Kulturleben, meist schlichtweg verschriftlichte Sendungen, mal gekürzt, mal sogar ausführlicher als in der Sendung.
Um das „unter die Leute“ zu bringen, nutzte BR-Klassik jedenfalls bis letztes Jahr auch sein Facebook-Präsenz. So fand man 2024 noch Kritiken und deren Kumulierung zu den Bayreuther und Salzburger Festspielen, sogar einen Nachruf auf Wolfgang Rihm oder Regenbogenpresse über die Trennung von Anna Netrebko von ihrem damaligen Partner.
Und apropos Anna Netrebko oder Valery Gergiev oder andere Dauerbrenner dieser Art: 2022, 2023, 2024 fand man immer noch die verlinkten Artikel BR-Klassik dazu auf Facebook und stolperte automatisch damit auf die Webseite. Jetzt muss man sie aktiv aufsuchen, was ich und andere aber nicht jeden Tag machen oder gar mal wochenlang vergessen. Jetzt findet man nur noch kurze, nicht lange Features als Bildtafeln oder Instagram-Story-gerechte Filmchen, die Nettes, nur leicht Nachdenkliches zum Thema Stück, Konzert oder Interpretierende oder irgendwelchen unterhaltenden Infos, eher Fun-Facts, weitergeben. Statt auf fundierte Recherchen, Berichte und Kritiken verweisen.
Gerade z.B. als Valery Gergiev nun für ein Konzert bei Neapel im Sommer 2025 angekündigt war, vermisste ich eine auf social media verlinkte ausführliche Berichterstattung. Diese fand im Radio, kurz auch mal im TV statt, ausführlich auf den Webseiten. Doch nichts dazu auf social media von ARD Klassik und was noch an Klassik-ÖR-Resten auf social media übrig ist.
Wenn man nun ein neues, jüngeres, gar kritisches, aber dadurch auch zu gewinnendes Publikum setzt, dem man zeigt, dass man eben auch kritisch und reformfreudig über die eigene Klassikwelt berichten kann und diese eben gar nicht so abgehoben ist, sondern im Schönen wie Tragischen mit dem Alltag verflochten ist und war… ja, dann sollte man auch seine eigenen verschriftlichen Inhalte auf social media präsentieren. So erreichen sie aber niemanden, es sei denn, die aktiv danach Suchenden. So erreichen uns nun nur noch mehr Hochglanzinfos oder Abglanzmemorabilien, wenn Altes und Neues im Instagram-Bild-Format mit Slides und Scrolls häppchenweise, ja nur schön und hübsch verbreitet werden, aber kaum kritisch, gar provokant oder nachrichtlich jenseits von Tabloid-Presse sein dürfen, wie jetzt auf ARD-Klassik auf Face(lifting)book und Insta(„finsta“)gram.
Schade, damit vergeudet man wertvolle Ressourcen der Barrierefreiheit und kulturellen und medialen Bildung! Aber das ist nur ein Nebenaspekt. Eigentlich jammert die Klassik im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur noch über Alles, was nicht mehr geht. Besser wird es dadurch aber nicht. Wir dürfen jetzt schon Wetten abgeben, wie es beim BR mit dem Rundfunkorchester und überhaupt Musikproduktionen jenseits von Kooperationen weitergehen wird.
Komponist*in