Currentzis in Salzburg – kleine Presseumschau und Blick auf den Status quo der von ihm beiden dirigierten Ensembles

Man glaubt es kaum! Teodor Currentzis’ Utopia Orchestra ist endlich im Besitz einer eigenen Homepage mit einem richtigen Impressum. Nachdem Utopia 2022 gegründet wurde, hätte es längst Webseite samt Impressum geben können. Der Sitz ist nun Berlin. Warum das solange dauerte, wer weiß es. Jedenfalls hätten sich manche nebulösen Vorstellungen vielleicht erst gar nicht eingestellt, wäre man das Projekt Webseite bereits zur Gründung angegangen. Nach wie vor steht die Kunst und Kultur DM Privatstiftung des verstorbenen Dietrich Mateschitz dahinter, nachdem dieser noch seine Stiftung von einer auch mit der Förderung von rechtspopulistischen Medienprojekten befassten Organisation in eine mehr der Kultur zugewandten Angelegenheit transformierte. Der Info der Webseite zufolge will man nun auch eine Struktur für kleinere Privatspenden schaffen: „Utopia also welcomes you to become part of our world by supporting us (soon).“
Wer nun aus Russland von Musicaeterna immer noch/wieder bei Utopia dabei ist, das bleibt offen, da man im Kontrast zu Musicaeterna auf der Utopia-Webseite immer noch auf die Nennung aller Auftretenden mit Stand von heute verzichtet. Bei dem Tempo der Erstellung der Utopia-Seite wird das mutmasslich noch etwas dauern? Auch fehlen Angaben zu weiteren Sponsoren. Im Umkehrschluss zur alleinigen Nennung der Kunst und Kultur DM Privatstiftung muss man davon ausgehen, dass es wahrscheinlich keine weiteren Sponsoren hierfür gibt. Hoffen wir es!
Denn ein Blick auf die Musicaeterna-Webseite sagt uns, Stand heute: Noch immer werden die im Westen sanktionierten Partner VTB-Bank und GAZPROM genannt und gehört das zumindes kritisch betrachtete ROSATOM auch dazu. Doch mit dem ANTON RUBINSTEIN HERITAGE CENTER gewann man einen neuen Privatsponsor zur Förderung einzelner Ensemble-Mitglieder. Eine interessante, positive Wendung. Auch eine griechische Athanassios & Marina Martinos Welfare Foundation wird nun genannt.
Denn Musicaeterna tritt immer auch noch im Westen auf. Allerdings nur in Spanien und Italien, wo man es in beiden Ländern gerüchteweise und ganz offen mit der Programmierung von Valery Gergiev versuchen wollte. Sowie eben in Griechenland, wo der Gräkorusse auch immer wieder mit Utopia gastiert.
Nachdem trotz der trumpschen politischen Bemühungen nun auch Italien und Deutschland noch stärker der Ukraine in der Abwehr des russischen Angriffskrieges beistehen müssen, sind sanktionierte Sponsoren und Partner allerdings noch strikter als je zuvor zu bewerten. Das muß natürlich jeder Veranstalter für sich entscheiden. In Trippelschritten scheint man aber etwas mehr Klarheit und Trennung in seine unterschiedlichen Business-Modelle bringen zu wollen.
Genügt hierfür zu betonen, dass man mit der Musik allein das Verbindende zwischen den Menschen erreichen möchte? Darauf stellt z.B. der regionale Salzburger ORF-Sender (red, salzburgORFat) ab und titelt mit „Currentzis-Oper als Mahnung gegen Krieg“. Man fragt sich: wurde Castor und Pollux von Jean-Philippe Rameau oder doch erst von Currentzis komponiert? Manchmal gehen Headlines ziemlich daneben, ausgerechnet dem österreichischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk? Das entspräche ganz der absoluten Kunstreligion, wie man sie bei Currentzis vermuten darf.
Larissa Schütz/APA meint, „manche Passagen wirkten dadurch wie unter Glas gestellt: kunstvoll, aber distanziert. In der zweiten Hälfte gewann das Konzept jedoch an Sog.“ Und erwähnt extra, dass sich der Dirigent mal als Rameau-Fan bezeichnete. Das ehrt in, doch warum ist man als musikalische Leitung lieber Fan als Interpret oder ganz kunstreligiös Exeget oder Apologet? Fan versteht die Fanbase vielleicht besser als kompliziertere, aber treffendere Bezeichnungen?
Bei Walter Weidringer von „DiePresse“ geht es nicht unter Himmel und Co., wobei man kurz ein „umstritten“ anklingen läßt: „Currentzis greift bei Rameau nach den Sternen… der politisch umstrittene Dirigent Teodor Currentzis… In feierlicher Ruhe rollt das Orchester seinen edlen Teppich in Es-Dur aus. Aber er ist nicht von königlich roter Farbe, obwohl gleich eine noble Frau darüber schreiten wird, nein: Schwarz ist der Samt, der ihren Füßen diesen schweren Gang erleichtern soll.“ Jessas, das wird man im Pressespiegel und vielleicht auch in Russland sehr gerne und jubilierend für die Größe der russischen Interpreten verbuchen.
Markus Thiel vom Münchner Merkur fragt immerhin nach der Finanzierung von Utopia: „eigentlich diente der Abend ja „nur“ als Vehikel für Dirigent Teodor Currentzis. Dem hält Salzburg die Treue, obwohl er vielen als politisch kontaminiert gilt: Aus welchen osteuropäischen Töpfen Chor und Orchester von Utopia finanziert werden, ist nach wie vor unklar.“ Die Regie von Peter Sellars findet er gut, im Gegensatz zu BR-Klassik findet er auch die musikalische Umsetzung durch Currentzis schlüssig: „Ein Händchen für Rameau hat er.“
DerStandard (Heidemarie Klabacher) findet die Arbeit von Sellars und Currentzis gelungen: Sellars „arbeitet etwa beim fulminant homogen und kompakt singenden Utopia Chor mit wenigen artifiziellen Gesten. Teodor Currentzis am Pult seines Utopia Orchester trägt die Vokalisten auf Händen. Legt ihnen feinste Klangfarben und Stimmungen zu Füßen.“ In der Online-Ausgabe meldet sich dann aber sehr kritisch die kundige vox populi: „‘Teodor Currentzis am Pult seines Utopia Orchester trägt die Vokalisten auf Händen’, wie absurd diese Worte angesichts der Brutalität Russlands klingen.“ Oder eine andere Stimme: „Außer in der Überschrift kein Wort zu Currentzis politischer Rolle? Österreich ist nicht zu helfen.“ Ist doch gut, wenn auch Lesende über die Art und Weise des Berichtens über Currentzis und sein Wirken kontrovers diskutieren!
Insgesamt scheint die Sicherheitsstufe nicht so hoch gewesen zu sein, wie man es bei zu erwartenden Protesten derzeit gewohnt ist. In den letzten Jahren rechnete man mit pro-ukrainischen Demonstrierenden. Dieses Jahr stürmten pro-palästinensische Protestierende aus dem linkeren Salzburger Umfeld mit roten Händen, die allerdings mehr an eine wütende Menge in Ramallah erinnerte, die dort einmal zwei sich verlaufend habende israelische Soldaten förmlich zerfetzte und dann nach Abschluss der lethalen Handlungen die blutgetränkten Hände der Menge zeigten.
Komponist*in