Felix Lobrecht: »Boah, ich glaube, ich würde Kultur machen und dann würde ich erstmal schön diesen ganzen überfinanzierten Theatern die Kohle weggnehmen!«

Felix Lobrecht (Mitte), hier beim Deutschen Comedypreis 2023 © BRAINPOOL TV GmbH
Felix Lobrecht (Mitte), hier beim Deutschen Comedypreis 2023 © BRAINPOOL TV GmbH

Der Comedian, Podcaster und Buchautor Felix Lobrecht ist, fraglos, unlustig. Ein Comedy-Typ, der durch seine vermeintlich provokanten Witze – gerne tritt er einfach auf die Bühne und bezeichnet Frauen als »F*tze«, dann folgen Witze über Behinderte und Menschen nichtdeutscher Herkunft –, durch das ewige Betonen seiner angeblich so prekären Neukölln-Herkunft in Deutschland, dem Land der gelernten Humorlosigkeit, hochgespült wurde. Der Mario Barth für armselige Gucci-Gürteltaschen-Träger. Er gilt als erfolgreichster Comedian Deutschlands. Sein völlig auswechselbares, weil schon tausendmal existierendes Buch Sonne und Beton wurde – ebenso auswechselbar – verfilmt. Und das Deutsche Theater Berlin entblödete sich nicht, 2024 eine Adaption dieses Romans auf die Bühne zu bringen.

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Somit profitiert Lobrecht von dem schönen, »unsrigen« Kultur-Subventionssystem. Die subventionierten Theater hasst Lobrecht allerdings. Seit einigen Jahren macht Lobrecht zusammen mit dem Autor und Moderator Tommi Schmitt den Podcast Gemischtes Hack. (Tommi Schmitt ist der Ängstlichere von beiden; er will – seine größte Befürchtung – noch nicht einmal anecken; man höre die Tommi-Schmitt-Folge des Podcasts Deutschland3000 vom 17. Mai 2022, die offenbar unterbrochen werden musste, weil Schmitt befürchtete, irgendjemandem auf den Schlips zu treten.)

Und in der neuesten Ausgabe des Podcasts Gemischtes Hack – genauer: in der Folge vom 1. April 2025 – fragt Tommi Schmitt seinen Kumpel Felix, welches Ministerium er, wäre er Teil der Bundesregierung, gerne übernehmen würde. Die Antwort von Felix Lobrecht (bei Minute 11.30): »Boah, ich glaube, ich würde Kultur machen – und dann würde ich erstmal schön diesen ganzen überfinanzierten Theatern die Kohle weggnehmen, ey!«

Lobrecht wird in anderen Ausgaben auch nicht müde, über Kollegen zu lästern, die im Bereich Comedy nicht so erfolgreich sind wie er. Da werden dann – mutmaßlich sogar noch geskriptete – Witze gemacht über das Abhängen von Sitzplätzen bei nicht ausreichender Saal-Auslastung. Ja, freilich, der in angeblich finanziell prekären Verhältnissen aufgewachsene Balenciaga-Jacken-Träger muss seine toxische Überlegenheitsrhetorik selbstredend prominent jenen entgegenblaffen, die als Kinder und Jugendliche glücklicher aufwuchsen, aber jetzt eben nur »mittlere Clubs« bespielen.

All das passt leider zu gut ins Bild, das sich wie von alleine zusammensetzt, hört man sich andere Folgen von Gemischtes Hack (beispielsweise die mit dem formschönen Titel Absexen) an, in denen Lobrecht, der natürlich – denn der Mainstream muss schließlich dauerbedient werden, um die Stadthallen zu füllen – nie zugeben würde, die AfD zu wählen, (bei Minute 01.15.10) Dinge heraussalbadert wie: »Ich kann für mich ganz klar sagen, dass ich natürlich die AfD nicht wählen werde. So, niemals. Aber mehr kann und will ich zu dem Thema irgendwie nicht sagen, weil ich jeden verstehen kann, der komplett bedient ist, wie Politik läuft und wie einfach die etablierten Parteien sind. Ich kann das komplett verstehen. Man muss sich dann vielleicht fragen, ja, ist die AfD dann die Antwort auf meine Enttäuschung oder auf meine Wut? Wird sie nicht sein. – Wahrscheinlich nicht.«

Die AfD stellt bekanntlich nicht nur die subventionierte Theaterlandschaft Deutschlands infrage, sondern auch die Förderung von Jugend- und Kulturprojekten, die – werden diese von unseren staatlich finanzierten Theatern initiiert – natürlich Teil des Ganzen sind.

Felix Lobrecht glaubt, dass er Kunst macht. Berichtet Lobrecht davon, wie er sich – mit sich selbst zweifelnd, ringend – sein neues Bühnenprogramm über mehr als ein Jahr erarbeiten musste, könnte man fast meinen, er hielte das, was bei diesem schmerzvollen Gehirn-Melk-Prozess Netflixmäßiges herausgepurzelt ist, für ein richtiges »Werk« (»also so kulturmäßig jetzt, verstehste?«). Da wird dann vor oder nach einer Tournee mit selbigem (frauenfeindlichen, rassistischen, Menschen für ihre Kleidung und ihr Äußeres unlustig mobbenden) Programm mit fast tränenerstickter Stimme gedankt. Dem Bruder, der das Auto gefahren hat, dem Management, dem Caterer (hat er nicht »totale Kacke« serviert) und so weiter.

Einerseits ist Lobrecht also überzeugt, dass er selbst ein Künstler ist. Andererseits will er staatliche Kunst abschaffen – und damit, mal ehrlich, fast alles an Kunst in Deutschland. Im nächsten Satz ist Lobrecht gedanklich dann wieder in den Jugendclubs seiner Neukölln-Süd-Adoleszenz. Der Zusammenhang von städtischer Jugendförderung und subventionierter Kultur und Bildung entgeht Lobrecht selbstverständlich. So sagt Lobrecht in dieser Ausgabe von Gemischtes Hack bei Minute 01.09.00: »Ich wollte mal so dem Jugendclub, in dem ich früher gebraked [Anm.: Breakdance betrieben] habe, wollte ich einfach so irgendwie sowas zurückgeben. Wir hatten früher immer nur so eine Drecksanlage. Und voll oft konnten wir nicht trainieren, weil die Anlage kaputt war. Dann dachte ich mir so, ey, ich würde den gern so ein bisschen, so geile Anlage, vielleicht einen neuen Boden spendieren, ein bisschen Equipment zum Muckemachen, dass die Kids da irgendwie was Geiles machen können.« Ja, aber: »ging nicht, durfte ich nicht. Du kannst nicht einfach das machen. Das ist zu problematisch.«

Klar wird: Problematisch sind vor allem Felix Lobrecht und Tommi Schmitt selbst. In dem Sinne, dass sie – das kann man nicht nur zwischen den Zeilen lesen/hören – größte Angst davor haben, dass irgendwann einmal auffliegt, dass sie (hier möge das Imposter-Syndrom einfach mal seine temporär segnenden Dienste tun) nichts können, dass sie – wie man wohl selbst sagen würde – »Fame« bekommen haben durch schlechteste Witze im unwitzigsten Land der Welt.

Freilich ist es schon bitter zu sehen, dass der wahrscheinlich demnächst tatsächliche Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (Joe Chialo, CDU) Theater und Opern zusammenstreichen möchte. Dass er das will und – ohne jegliche, zumindest halbwegs faire Vorwarnung – in Berlin bereits getan hat, ist eine Tatsache. Und die Quasi-AfD-Nähe von Chialo und Lobrecht sollte man ebenfalls demnach nicht leugnen. Ob dieser ganze (leider gefährliche) Bumms nun der »Style« von CDU oder (noch schlimmer) FDP oder AfD ist, was unser mit Kettchen behängter Lieblingscomedian da ketterauchend zusammenklamüsert hat: »scheißegal«, ne?

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.

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