Teodor Currentzis’ Auftritt bei einem EU-sanktionierten militärischen Endnutzer – dem Moscow Institute of Physics and Technology
Kennen Sie das Moscow Institute of Physics and Technology (MIPT)? Wenn Sie sich mit Sanktionslisten der EU zu russischen Organisationen als sogenannte „militärische Endnutzer“ oder schlichtweg des Militärs befassen würden, dann fiele Ihnen auf, dass jenes MIPT gleich nach dem Russischen Verteidigungsministerium genannt wird. Nun begab es sich, dass in den Räumen dieses EU-sanktionierten militärischen Endnutzers (s. Im PDF S. 16 & 18) am 30. Januar 2024 als Grieche der EU-Bürger und zugleich die russische Staatsbürgerschaft innehabende SWR-Chefdirigent Teodor Currentzis mit seinem russischen Orchester MusicaEterna dort auftrat. Interessanterweise hatten weder Dirigent noch Orchester dieses Konzert auf ihren Online-Auftritten angekündigt, nur die Konzerte am Tag davor und danach mit Bruckners 9. Sinfonie in St. Petersburg und in Moskau.
Eine Video-Zusammenfassung des MIPT-Konzerts konnte man auf dem VKontakte-Auftritt des Instituts sehen. Das Video wurde erstaunlicherweise gelöscht und durch ein Bild ersetzt. Doch unter diesem Link hier ist war das gesicherte Originalvideo zu finden. UPDATE: Und wie es auf dem Auftritt des VKontakte-Profil des MIPT nach den Anfragen mit einem Bild ersetzt wurde, wurde es nun auf Youtube geclaimt. Erstaunlich, dieses Ersetzen via Bild und nach zuerst erfolgter Veröffentlichung, nun der Rückzug – was soll uns das sagen?
Es spricht sogar der Präsident des MIPT, Nikolay Kudryavtsev, der am Ende des Videos zu sehen ist. Kudryavtsev gehörte übrigens im März 2022 zu den Universitätsrektoren, die einen flammenden Appell für den Krieg gegen die Ukraine unterzeichneten. UPDATE: Inzwischen antwortete die Aksonov Family Foundation, dass der von Kudryavtsev am Ende des Videos erwähnte Dmitry Aksonov das Konzert nicht gefördert habe und nur bis 2021 den Fonds des MIPT gespendet habe. Aksonov kennt man im Westen u.a. als Vorsitzenden des russischen Freundeskreises der Salzburger Festspiele.
Bisher blieben MusicaEterna und die Salzburger Festspiele auf Anfrage eine Antwort schuldig, wie der Dirigent Currentzis als EU-Bürger solch einen Auftritt bei einem EU-sanktionierten militärischen Endnutzer, wie es das MIPT darstellt, mit sich vereinbaren kann, genauso in Hinsicht eines GAZPROM-Sponsorings einer Aufführung von Bruckner 9. Sinfonie in Orenburg am 6. Februar 2024, GAZPROM ist ebenfalls in der EU sanktioniert, zuvor am 2. Februar 2024 in Stawropol durch GAZPROM Stawropol und in der zweiten Februarhälfte beim Winterfestival in Sotschi bei Yuri Bashmet, der zuletzt sogar in der TV-Silvester-Show 2024 auftrat, Seite an Seite mit Militärpersonal aus dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Der SWR antwortete trotz zweiter Nachfrage, dass es sich beim MIPT nicht „nur“ um eine wirtschaftlich sanktionierte Bank handelt, sondern um einen Player des russischen militärisch-industriellen Komplexes, irgendwie blind gegenüber diesen neuen Sachverhalt an Auftritten seines Chefdirigenten bei sanktionierten Institutionen, auf die erste Nachfrage: „Zu Konzerten von musicAeterna, die von russischen Unternehmen finanziell unterstützt werden, die auf der europäischen Sanktionsliste stehen, haben wir uns in der Vergangenheit mehrfach geäußert. Hierzu haben wir nichts zu ergänzen.“
Vollkommen am Inhalt vorbei, was man denn von dem Auftritt beim militärischen Endnutzer MIPT halte und wie man das mit dem geplanten War Requiem mit dem SWR-Sinfonieorchester in Einklang brächte, antworteten die Wiener Festwochen und äußerten sich auch bis jetzt nicht weiter dazu auf eine zweite Anfrage: „Wir begrüßen die laufende Debatte und befinden uns gerade erneut in inhaltlicher Abstimmung mit allen Beteiligten und Partner:innen der Veranstaltungen ,Kaddish Requiem’ und ,War Requiem’ während der Wiener Festwochen. Ganz allgemein spielen Musik und ihre politische und moralische Aktualisierung bei den Festwochen 2024 eine tragende Rolle. Wir begrüßen deshalb auch die engagierten und auch kritischen Nachfragen, die zwei musikalische Großproduktionen vorab auslösen, die sich mit Krieg und Völkermord ebenso auseinandersetzen wie mit Verständigung und Versöhnung…“.
Es ist bemerkenswert, wie man seitens der Salzburger Festspiele, seitens des SWR und der Wiener Festwochen überhaupt nicht in der Lage ist zu antworten wie Salzburg oder die Brisanz eines Auftritts des SWR-Chefdirigenten im gesondert sanktionierten militärischen-industriellen Komplex des kriegsführenden Russlands nicht einordnen kann oder will. Nicht dass auf der EU-Sanktionsliste mit dem MIPT nur das russische Verteidigungsministerium zu finden ist, sondern über Einzelpersonen über die Kalaschnikow-Fabrik, weitere Universitäten bis hin zu weiteren Waffenherstellern oder Produzenten für die Flotten und den nuklearen-militärischen Sektor sind dort aufgelistet. Geht man von den Reaktionen des SWR & Co. aus, dann könnte man satirisch sagen, dass die Sanktionierten wohl harmlos sind und ein Auftritt dort wie ein Geburtstagskonzert ist und die EU sich wohl total in der Bedeutung des MIPT für den Krieg gegen die Ukraine getäuscht hat. Ich würde sagen: wer am militärischen Endnutzer MIPT auftritt, kann nicht glaubhaft das War Requiem Brittens verantworten.
Komponist*in