Was ChatGPT so gar nicht kann (Folge 1)

ChatGPT ist gefühlt schon wieder „durch“ – beziehungsweise (weil seit November 2022 auf dem „Markt“) nicht mehr so ganz „cool“. Egal! Ab und zu probiert man es noch aus, jeweils nach aktuellem Anlass. Was für mich am besten funktioniert: Lebensmittel eingeben, die man gerade noch im Kühlschrank hat, um ChatGPT daraus ein Rezept formulieren zu lassen. Erstaunlich gut! (Und lecker.)

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Was häufig nicht funkioniert: Fragen stellen, die etwas mit thematischen „Randgebieten“ zu tun haben; wie beispielsweise aus dem „Randthemengebiet“ Ernste Musik. Dafür möchte ich in den nächsten Wochen immer mal wieder Beispiele liefern.

Neulich wollte ich wissen, was ChatGPT über die Homosexualität Frédéric Chopins zu erzählen hat. Derzeit konzipiere ich eine szenische Lesung mit Klavierzwischenspielen dazu. Ein Freund interessiert sich speziell für die Lebensläufe von Künstlern, die – beispielsweise im 19. Jahrhundert – ihre Sexualität nicht frei ausleben konnten. Wie eben Chopin, dessen Homosexualität einigermaßen zweifelsfrei beglaubigt ist. Dabei kommt es eben nicht darauf an, in dem Privatleben eines bedeutenden Künstlers boulevardblattgeil zu „wühlen“. Es geht vielmehr darum, zu erzählen, wie tragisch Künstler darunter litten, ihre eigentliche Identität unterdrücken zu müssen. Und gerade Chopin – als „Nationalkomponist“ des katholischen Polens – ist dafür ein (tragisches) Beispiel.

Also habe ich ChatGPT gefragt, ob Chopin schwul war.

Die Antwort greift natürlich viel zu kurz. Nein: Sie ist schlichtweg falsch. Denn Aufzeichnungen gibt es sehr wohl. Beispielsweise in den erhaltenen Briefen an Julian Fontana. Doch davon will ChatGPT nichts wissen – und gibt eine Antwort, die dem konservativen Mainstream (sprich: beispielsweise den polnischen Landsleuten, die bis heute teilweise händeringend „Gegenbeweise“ vorzulegen sich anschicken) gut gefallen dürfte.

Einerseits tut diese KI so, als ob man irgendjemanden „schützen“ müsse. Andererseits ist diese Art der (fortwährenden) Verdrängung letztlich schädlich und antiaufklärerisch.

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Arno Lücker wuchs in der Nähe von Hannover auf, studierte Musikwissenschaft und Philosophie in Hannover, Freiburg - und Berlin, wo er seit 2003 lebt. Er arbeitet als Autor (2020 erschien sein Buch »op. 111 – Beethovens letzte Klaviersonate Takt für Takt«, 2023 sein Buch »250 Komponistinnen«), Moderator, Dramaturg, Pianist, Komponist und Musik-Satiriker. Seit 2004 erscheinen regelmäßig Beiträge von ihm in der TITANIC. Arno Lücker ist Bad-Blog-Autor der ersten Stunde, Fan von Hannover 96 und den Toronto Blue Jays.