Vorschlag für eine Reform der deutschen Sprache

Vorschlag für eine Reform der deutschen Sprache

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Kaum eine Diskussion erregt die Gemüter so sehr wie diejenige um das sogenannte „Gendern“. Auf der einen Seite stehen diejenigen, die hier eine unnötige Vergewaltigung der Sprache empfinden, auf der anderen gestrenge Sittenwächter*innen (oder Sittenwächter:innen), die peinlichst genau darauf achten, dass man hier nicht politisch unkorrekt agiert.

Nerven tun beide, soviel ist klar. Auch klar ist aber, dass Sprache sich verändert, und dies auch muss. Wenn sich Menschen in ihrer Sprache nicht mehr zuhause fühlen, entsteht das Bedürfnis nach Reformen.  Ein häufiges Missverständnis ist, dass Sprachanpassungen die Welt verbessern können oder sollen. Das stimmt nicht. Umgekehrt ist es aber so, dass wenn die Welt sich verändert, sich dies auch in der Sprache niederschlagen muss. Wäre dies nicht so, entstünde eine zunehmende Dissonanz, man würde sich in der eigenen Sprache nicht mehr zuhause fühlen. Diejenigen, die also am vehementesten gegen jegliche Veränderungen von Sprache sind, sprechen zukünftigen Generationen das Recht ab, sich weiterhin im Deutschen heimisch fühlen zu dürfen – ein „Heimatsbegriff“ darf aber nicht nur in die Vergangenheit gedacht werden, er muss auch in die Zukunft reichen.

An so einem schwierigen Übergangspunkt sind wir im Moment, und die mühsame Diskussion über Gendersternchen ist notwendiger Teil dieses Prozesses.

Ich möchte an dieser Stelle daher einen ernstgemeinten Vorschlag machen, der sich direkt der Problematik der geschlechterneutralen Formulierung annimmt.

Ein Teil des Widerstands gegen das „Gendern“ ist die grundsätzliche Umständlichkeit und Sperrigkeit dieser Formulierungen. Wer beim Schreiben und Sprechen ständig deutsche Wortmonstren wie „Fahrkartenkontrolleur“ durch die Hinzufügung von Innen, Innen, oder :innen noch zusätzlich verlängern muss (z.B. „FahrkartenkontrolleurInnen“), verliert akkumuliert tatsächlich Lebenszeit von nicht unbeträchtlichem Umfang. Kein Wunder also, dass sich dagegen Widerstand regt.

Deutsch ist ohnehin schon dafür bekannt, relativ lange Textmassen zu erzeugen. Das weiß jeder, der einmal englische und deutsche Gebrauchsanweisungstextlängen miteinander verglichen hat oder die kleingedruckten Textblasen von Comics, die aus dem Englischen übersetzt wurden, mit der Textgröße des Originals vergleicht. Wollen wir diese Textmassen allen Ernstes noch weiter verlängern? Soll Spiderman, wenn er in einer englischen Gedankenblase „I have to save these student hostages from their abductors“ denkt, im Deutschen dann „Ich muss die studierenden Geisel:innen vor den Geiselnehmer:innen retten“ denken? Das klänge nicht sehr dringlich.

Wir Deutschen sind bekannt für eine gewisse Effizienz. Auch Dialekte tendieren dazu, Wortkombinationen abzuschleifen oder zu verkürzen. Warum nicht beides verbinden, um unsere Sprache gleichzeitig exakter und schneller zu machen?

Der beste Weg liegt meiner Ansicht nach in der richtigen Verkürzung, nicht der richtigen Hinzufügung. Mit einfachen Weglassungen kann mehr erreicht werden als mit komplexen Anhängseln, über die man sich eh nie einigen wird. Ganz besonders konsequent ist hierbei zum Beispiel der hessische Dialekt, der aus den Artikeln „der, die, das“ meistens einfach nur „de“ und aus „einer“ und „eine“ ein einfaches „e“ macht (Beispiel: „wie e Ochs, wenn’s donnert“) und wesentlich geschlechterneutraler ist als Hochdeutsch.

Auch für einen der größten Problempunkte der gendergerechten Sprache hat das Hessische eine elegante Lösung. Während sich manche Redner*innen mit dem Wort „man“ schwertun, und dann gerne umständliche Formulierungen wie „man(n)/frau sagt“ verwenden, sagt der (Süd)Hesse einfach nur „mär“ („mär sache“). Da muss sich niemand benachteiligt fühlen, egal welchen Geschlechts, ob divers, männlich oder weiblich, „mär“ gilt für alle!

Ausgehend vom Hessischen fällt es also eigentlich gar nicht schwer, eine genderneutrale Sprache zu entwickeln. Diese könnten zum Beispiel so aussehen:

  • Aus „der, die, das“ wird „de“ allerdings nur, wenn das Geschlecht neutral sein soll.
  • Aus „einer“ und „eine“ wird „e“, allerdings nur, wenn das Geschlecht neutral sein soll.
  • Wenn eine Gruppe, eine Berufsbezeichnung oder Gruppenbezeichnung geschlechtsneutral verwendet werden soll, wird ihr der Buchstabe „e“ angehängt. Wenn (z.B. im Plural) schon ein „e“ angehängt ist, wird aus dem „e“ ein „i“.
  • Aus „man“ wird „mär“, gefolgt vom Plural. Nicht „man sagt“, sondern „mär sache“.

 

Das sind erst einmal nur 4 Regeln, die alles sensationell vereinfachen, unsere Sprache kürzer und Anreden weniger umständlich machen und uns Lebenszeit schenken.

Hier einige Beispiele:

die typische komplizierte Anrede

„Liebe Bürgerinnen und Bürger“

kann ganz einfach verkürzt werden zu

„Liebe Bürgere“.

Das meint alle Arten von Bürger*innen, also Diverse, Bürgerinnen und Bürger und ist leicht von diesen zu unterschieden.

Ebenso wird aus

„der/die Kranführer*innen“

ganz simpel

„de Kranführere“.

Auch

„Helferinnen und Helfer“

müssen nicht mehr gesondert behandelt werden, es sind einfach

„de Helfere“.

 

Wenn ich geschlechtsneutral von „Einem Polizisten/Einer Polizistin“ sprechen will, sage ich einfach nur

„E Poliziste“

Wenn ich es dagegen ausdrücklich mit einem Mann oder einer Frau zu tun habe, kann ich weiterhin „eine Polizistin“ oder „ein Polizist“ sagen.

Aus „die Komponistinnen“ oder „die Komponisten“ im „Deutschen Komponist:innenverband“ kann einfach nur „de Komponiste“ werden, also „De Komponisteverband“. Viel kürzer!

Wenn – wie zum Beispiel beim Wort „Arzt“ der Plural mit „e“ endet und ich „Ärzte und Ärztinnen“ ansprechen will, sage ich stattdessen „de Ärzti“. Klingt erst einmal ungewohnt, brächte aber ein bisschen Zauber und romanischen Charme in unsere Sprache, die ja an Charme nicht gerade überreich ist.

Würde man diese Änderungen implementieren, entstünde keineswegs eine unerträglich andere deutsche Sprache, denn die für uns liebgewonnen Geschlechtsformen bestimmter Termini können weiterhin beibehalten werden. So ist es gendertechnisch absolut korrekt, weiterhin „der Mensch“ und „die Person“ zu sagen, man darf auch „den Mond“ anschauen und sich an „der Sonne“ erfreuen, dabei aus „einem Glas“ trinkend. Es geht hier nur um die Momente, in denen die neutralen Konstruktionen gebraucht werden.

Hier ein typischer Text, bei dem durch das Gendern große Umständlichkeit entsteht:

„Liebe Mitbürgerinnen und Bürgerinnen,

mann/frau fragt sich oft, wie Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden kann, die auch Diverse einbezieht. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen sich jeden Tag darum, die Sprache so zu verwenden, das die korrekte Ansprache aller Bürgerinnen und Bürger gewährleistet werden kann. Hierbei ist es die Zuständigkeit eines/einer Bezirksbürgermeisters/in, Hilfestellung zu leisten und den weiblichen, männlichen und diversen Bittstellern und Bittstellerinnen bei den jeweiligen Anfragen zu unterstützen. Eine Bittstellerin bzw. ein Bittsteller kann sich jederzeit bei der zuständigen Pförtnerin oder dem zuständigen Pförtner über den Verlauf dieser Anfrage informieren.“

Daraus wird – anderthalb Zeilen kürzer – dies:

„Liebe Mitbürgere,

mär fragt sich oft, wie Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden kann, die auch Diverse einbezieht. Unsere Mitarbeitere bemühen sich jeden Tag darum, die Sprache so zu verwenden, das die korrekte Ansprache aller Bürgere gewährleistet werden kann. Hierbei ist es die Zuständigkeit von e Bezirksbürgermeistere, Hilfestellung zu leisten und de Bittstellere bei den jeweiligen Anfragen zu unterstützen. E Bittstellere kann sich jederzeit bei de zuständige Pförtnere über den Verlauf dieser Anfrage informieren.“

Natürlich ist das ein Extrembeispiel, denn selten wird man eine solche Ansammlung von genderneutraler Sprache tatsächlich erleben. Im Alltag wird man diese Wendungen relativ selten gebrauchen und gelegentlich Präpositionen wie „beim“ oder „bei der“ zu einem einfachen verallgemeinernden „bei“ abschleifen, wie auch in dem Beispiel oben.

Lassen wir also etwas Hessisches in unsere Sprache und lösen viele der typischen Sprachprobleme von heute. Natürlich auf Hochdeutsch ausgesprochen, ist doch klar! Denn Tradition verpflichtet.

Moritz Eggert

 

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3 Antworten

  1. Urte Seiffert sagt:

    Brilliant! So mache mär das!

  2. Ralf Merten sagt:

    Wunderbarer Artikel. So mache mer des…! Hier noch eine Ergänzung eines befreundeten Dialektforschers aus Hessen:

    Lieber Ralf, die Anrede von Mann und Frau war in der Regel gleichberechtigt durch die Form des „Ihrzens“ gegeben. Die Wahl der Anrede wurde a) durch die gesellschaftliche Stellunng, dann b) durch den Hausnamen und c) durch die Bedeutung im sozialen Umfeld bestimmt. Meine Oma aus Obereisenhausen, aus dem Haus Theis, habe ich noch mit „Theisens Oma“ angesprochen: „Theisens Oma, habt i h r mir auch was mitgebracht?“) Die gleiche Anrede galt auch für Onkels und Tanten. Die Zugehörigkeit zum Haus, zur Sippe oder der Verwandtschaft war maßgebend, nicht das Geschlecht. Der Text unten ist ein von mir in Wikipedia mitverfasster Artikel:

    Wortschatz und Pragmatik der Anrede

    Die Wahl der Anrede ist im Wesentlichen von der sozialen Stellung und dem Alter des Gesprächspartners abhängig. Während das Du für Gleichaltrige immer schon geläufig war, wurden Angehörige von vorhergehenden Generationen früher mit Ihr angesprochen „Ihrzen“. Als Regel galt, die oder der Anzusprechnde hätte dem geschätzten Alter nach Mutter oder Vater sein können. Mit Beginn der 1950er Jahre wird auch hier das Duzen gebräuchlicher.

    Während Dialektsprecher ebenfalls generell mit du angesprochen werden, war früher das Ihr auch für sozial Höhergestellte und Ortsfremde die geläufige Anredeform. Für diesen Personenkreis setzte sich aber immer mehr das Siezen durch. Die sich im Dialekt noch spiegelnde soziale und politische „Rangordnung“ des 19. Jahrhunderts wurde aufgegeben: Ihr het (>hot) häi näad (>naut) mi (>mäi >me) ze sa! „Sie haben hier nichts mehr zu sagen!“

    Kinder sprachen ehemals ihre Eltern mit Mudder, Moire oder Mamme und Vadder oder Fodda, deren Geschwister und Ehepartner mit Goode, Gell, Gull oder Gerrel und Pädder an. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich aber zunehmend die heutige, wenn auch ältere Anrede Mamme und Babbe und für die Geschwister der Eltern und deren Ehepartner Dande und Onkel durch. Die Großeltern heißen Oma und Oba, früher nannte man sie Ellermudder (Elternmutter) oder Eller und Ellervadder (Elternvater). Der Schwiegersohn war der Äre und die Schwiegertochter das Schnerrche. Ältere unverheiratete Frauen und Männer, die oft in der Familie ihrer nächsten Verwandten lebten, wurden auch von nicht verwandten Kindern mit Goode oder Gell (Patentante) und Pädder (Patenonkel) angesprochen.[7] Wenn man sie benennen wollte, wurde der Hausname der Familie vorangestellt, z. B. Hannorms Pädder oder Schmidde Good.

    Wollten Jugendliche/Kinder ältere Ortsbewohner ansprechen oder um etwas bitten, wurde auch hier immer der Hausname der betreffenden Person deren sozialen Status vorangestellt. Eine Ansprache/Bitte lautet dann etwa so: „Gehanns Vadder (Babbe, Mudder, Mamme, Oba, Oma, Pädder, Gell oder Goode), aich wold mol freje ob aich main Ball aus aum Goarde lange derf?“ („Gehanns (Hausname) Vater, ich wollte mal fragen ob ich meinen Ball aus eurem Garten holen darf?“)

    Ich denke, Du kommst klar. Liebe Grüße, K….

  1. 7. September 2023

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