Die Querfront rechter und linker Artikel-13-Gegner: eine neue Pegida?
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist ebenfalls gegen Artikel 13 der EU-Urheberrechtsrichtlinie. Von Piraten-Politikerin Julia Reda, Maskenträgern und massiv auf Youtube von Werbung profitierenden Youtubern war das zu erwarten. Doch von der AfD? Zum Urheberrecht fiel den Rechtspopulisten bisher nicht viel ein: als ich 2013 dorthin Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013 für den Komponistenverband mailte wie an alle Parteien, die damals im Bundestag waren oder potentiell hätten hineinkommen können – die Antwort der AfD: keine, außer dass man so neu sei und daher das Urheberrecht nicht von Belang.
Jetzt ist die EU-Urheberrechtsrichtlinie Chefsache
Jörg Meuthen, Parteichef und Mitglied des EU-Parlaments, auf der AfD-Homepage: „Plattformbetreiber sollen nach dem neuen EU-Urheberrecht sofort für eine Urheberechtsverletzung haftbar sein, wenn illegale Inhalte auf ihren Seiten hochgeladen werden. Ihnen bleibt keine Wahl, sie können sich nur durch Uploadfilter davor schützen… Die Gefahr ist groß, dass völlig legale Inhalte der Upload-Zensur zum Opfer fallen… Der finanzielle Aspekt darf auch nicht übersehen werden… Kleine und mittlere Internetunternehmen aus Deutschland und Europa können das (Anm.: er meint sich Uploadfilter zu leisten) nicht und haben dadurch einen klaren Wettbewerbsnachteil. Aus diesen Gründen werde ich gegen das neue Urheberrecht im EU-Parlament stimmen.“
Klar. Wir sind mitten im Wahlkampf. Und junge WählerInnen und Youtuber raunen und kreischen vom Untergang Youtubes, eine tolle Klientel. Oft politisch nicht festgelegt, über die Menschenfänger-Youtuber der Identitären Bewegung im Netz stolpernd, ein potentielles Wahl-Humankapital für die AfD. Auch klar, dass die Rechtspopulisten Angst vor „Zensur“ haben: für menschenverachtende Äußerungen wurden AfD-Protagonisten und Werbetrommelrührer zur Genüge auf Facebook oder Youtube gesperrt.
Kontrolle unerwünscht
Und der Verfassungsschutz sieht sich vor allem Identitäre und die Jugendbewegung der AfD genauer an wie wohl die Mutterpartei höchstselbst. Da kämen Hetze und Fake-News filternde Algorithmen sehr ungelegen. Doch halt: Dank der jetzigen Contentfiltertechnologie werden z.B. bereits heute Videos von rechten Youtubern wie Martin Sellner blockiert.
Der unseren treuen Lesern bekannte, selbsternannte Kultur- und Musikpapst sowie von der AfD ernannte wissenschaftliche Scherpa der AfD im Bundestag, Herr Matthias Moosdorf, hat die Warnungen der Blogger und Youtuber im Umfeld der AfD und Identitären wohl überlesen, „Uploadfilter“ nicht nach dem „Feindbild Bundeskanzlerin“ zu benennen. Der politisierende Cellist schreibt schön falsch und korrekturresistent: „Merklelfilter“ (Stand 11.3.19, 1 Uhr morgens). Er redet sehr, sehr viel und spricht von „staatlich erteilter Rundfunklizenz“, „Nazi- und SED-Diktatur“, usf.
Wie Meuthen unterschlägt Moosdorf die werkgenaue oder auch grosszügigere pauschale Lizenzierung durch Verwertungsgesellschaften von urheberrechtlich geschützten Content. Damit befindet sich die AfD im Boot mit Piraten, dem Herrn Lindner von der FDP, der Grünen-Politikern Ska Keller oder dem SPD-Youngster Tiemo Wölken. Ein rechtspopulistischer Blog – „Die Unbestechlichen“ – lobt z.B. explizit die EU-Parlamentspiratin Julia Reda mit „Die Piraten-Abgeordnete Julia Reda, die eine vorbildliche, fantastische Recherchearbeit geleistet hat…“.
Querfront
Auch wenn man politisch nicht viel gemein hat, so finden sich die demonstrierenden Artikel-13-GegnerInnen mit ihrem „Nie wieder CDU“ und die Rechtspopulisten mit ihrem „Merkel muss weg“ oder dem „Merklelfilter“ in einem Framing: Es soll Alles bleiben, wie es bisher war! Zugleich bringen sie uns UrheberInnen um uns zustehende Vergütungen. Ja, ja, Youtube hat mit der GEMA nach 9 Jahren Rechtsstreit für die Vergangenheit eine pauschale Lizenzierung erhalten.
Doch verstehe ich den von linken bis rechtsradikalen Gegnern der Urheberrechtsrichtlinie bejubelten Rechtsanwalt Solmecke richtig, so haben die Querfront-Gegner für eine angemessene Vergütung nur einen alten Alu-Hut: eine Art Geräteabgabe aka bzw. längst verblichene Kultur-Flatrate. Denn für sie wie Solmecke ist die Nutzung von fremden Content nur eine Art Privatkopie.
Für Mini-Zitate in kleinen Do-It-Yourself-Videos von Privatleuten mag das zutreffen, wenn das 10 User liken und ansehen. Sehen und liken das dagegen 50, 100, 1000, Zehntausende, Millionen User, ist das mit der Privatkopie Quatsch. Das haut nur hin, wenn man UrheberInnen um ihren Erfolg bringt.
Wunschbild: Künstler dürfen nur in prekären Verhältnissen leben
Man fragt sich also, was für ein Kulturverständnis gegenüber heute geschaffenen Werken haben die Artikel-13-Querfrontler eigentlich in Hinblick „Nutzung im Internet“? Für sie sind KünstlerInnen, MusikerInnen von vornherein und für immer wohl nur Prekariat. Dass langjährig arbeitende UrheberInnen durchaus auch als kleinere Lichter und Einzelunternehmer nicht nur darben, sondern auch durchaus gut leben können, sehen sie nicht.
Oder dass im speziellen Falle KomponistInnen große Kulturprojekte der freien Szene gründen und anleiten, zahlreiche Personen temporär oder langfristig beschäftigen, dass sie Tonstudios eröffnen oder als MusikproduzentInnen Jobmaschinen der Kreativbranche sind, das wollen sie nicht sehen. Und dass genau diese den Content liefern, der auf den Plattformen erfolgreich ist und mit dem die Plattformen einen gewichtigen Teil ihres Reibachs machen.
Wenn sie das nicht kapieren, wundert es auch nicht, dass sie die EU-Urheberrechtsrichtlinie nur ausschnittsweise lesen statt sie im Lichte aller ihrer Artikel zu verstehen. Nochmal: den Vorrang der Lizenzierung, in Europa sehr klar und einfach sowie preislich angemessen für Große wie Kleine durch die Verwertungsgesellschaften zu bewerkstelligen, vor Filterpflicht erwähnt man nicht.
Man flüchtet sich in die irrwitzige Vorstellung, dass jedes der Millionen Videos mit jedem Rechteinhaber einzeln abgeklärt werden muss, was natürlich auch möglich ist. Doch die Realität in der EU, Verwertungsgesellschaften für Lizenzierungen aller Arten z.B. von Musik bis Film, wird ausgeblendet.
Die Urheber werden dem EU-Parlament-Wahlkampf geopfert
Es ist Wahlkampf, also wird vereinfacht. Ich will sagen, für blöd verkauft. Und da wären wir wieder bei den Rechtspopulisten, die sich einerseits elitär und rechtsintellektuell beweihräuchern, andererseits ihre WählerInnen unter den konkreten Pegida-Anhängern und den zweitweise einigen Millionen Likern unter diesen geistig manchmal Armseligen rekrutieren. In der Verengung der Information sind sich die Artikel-13-GegnerInnen von links bis rechts sehr ähnlich, brüllen beide „Nie wieder CDU“ und „Merkel muss weg“. Auch die tränenreichen Ergüsse mancher Youtuber – wie jene Rebekah Wing – klingen nach Fernsteuerung durch die Youtube-Chefin – Rebekah: „wenn Youtube das (Anm. das Ende) schon sagt, darauf aufmerksam macht…“ – sind geistig so unterirdisch wie die Pegida-Gefolgschaft („Es steht im Internetz“): neben der gemeinsamen CDU-/Merkel-Gegnerschaft rufen Rechte wie Linke unbedacht inflationär „Zensur“, wo keine ist oder „rechtsstaatliche Unordnung“, wo nachgerade Ordnung längst herrscht oder wiederhergestellt wurde, ob in Sachen Migration oder Urheberrecht.
Man möchte ätzen: allesamt sind Yougida aka Googida. Oder einfacher: Enteignung der europäischen UrheberInnen in der digitalen Welt, geopfert dem Opportunismus der Kulturferne und des Wahlkampfs, da wir Wenige sind, obwohl wir mit unseren Werken sehr, sehr Viele glücklich machen und die geistigen Loser uns den Erfolg nicht gönnen!
Komponist*in