Kann man Opernsänger abschaffen?

Sung-Gi Jung - noch nicht gesampelt. Foto: Hufner
Sung-Gi Jung - noch nicht gesampelt. Foto: Hufner

Nein, ich möchte keine kulturpolitische Debatte lostreten!

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Und nein, es interessiert mich auch nicht, ob man mal wieder etwas einsparen könnte in der Kultur. (Nach der am 12.01.2017 veröffentlichten Meldung über 19 oder waren es nur 6 Milliarden Überschuss im Bundeshaushalt (kommt auf die Zeitung an, die man liest) ein eher müßiges Thema, denn wie wäre es denn, wenn man einfach mal wieder ein paar Milliarden in Bereiche steckt, in denen seit Jahren gespart wird?)

Nein, ich möchte mit dieser Frage insofern provozieren, als wir als Menschheit wirklich vor entscheidenden Veränderungen stehen, je nachdem, wie schnell der technologische Fortschritt voran schreitet (Und er schreitet schnell).

Aha, es geht also um den technologischen Fortschritt!

Ja, genau darum geht es.

Neulich war doch diese Auto- äh… nein, diese Technologiemesse CES in Las Vegas. Da konnte man in der Tat in diesem Jahr offenbar auch viele Autohersteller mit ihren selbstfahrenden Vehikeln bewundern.

Aber nein, der technische Fortschritt, der in naher Zukunft vielleicht echte „Autos“ im Sinne von automatisch fahrenden Kabinen ermöglicht, ist es eigentlich auch nicht, der mich interessiert. Das ist alles nur eine Frage der Zeit.

Interessanter ist, was dieser technische Fortschritt für uns Menschen bedeutet.

An dem eher unmusikalischen Beispiel Auto könnten wir erkennen, wenn wir wollten, dass da ein ganzer Berufszweig durch technische Möglichkeiten mit einem Mal unnötig wird. Nämlich der des Berufskraftfahrers. Nicht nur LKWs, Taxis und Busse, würden fahrerlos unterwegs sein, auch auf Flughäfen, und selbst in Venedig mit den Booten und Gondeln wären womöglich Menschen unnötig, die heute ganz normal ihre Arbeit verrichten.

Anderes Beispiel: in Japan hat ein Versicherungsunternehmen seine Mitarbeiter durch eine KI (künstliche Intelligenz) ersetzt.

Und jetzt, ja, jetzt sind wir beim richtigen Thema.

Die KI!

Ja, alles andere waren nur Präliminarien, Vorgeplänkel und Quatscherei. Aber was passiert, wenn wirklich eine echte KI da wäre. Und jetzt komme ich zu meiner eingangs gestellten Frage:

Kann man dann vielleicht doch Opernsänger abschaffen?

Wäre es also denkbar, dass so eine KI beispielsweise die Stimme eines Jonas Kaufmann „samplen“, also elektronisch reproduzierbar machen kann? Jetzt nicht einfach, aufnehmen und 100x wiedergeben, sondern wirklich ganz und gar in seine essenziellen Bestandteile zerlegen und auf viel wunderschönere Weise wieder zusammensetzen, sodass wir Menschen uns der Faszination nicht entziehen können?

Oder werden wir Künstler womöglich der letzte überlebende Berufszweig sein, wenn alles andere schon längst von Maschinen erledigt wird, weil die KI das einfach nicht hinbekommt, dieses Menschsein?

Momentaufnahme.

Wer beispielsweise gern Filme aus Hollywood oder Disneyfilme schaut und die wunderbaren Kompositionen aus dem Genre Filmmusik im Hintergrund wahrnimmt, der ist vielleicht nicht allzu erstaunt zu hören, dass da gar keine echten Musiker mehr sitzen und diese Musik spielen, sondern dass alles mithilfe von Sounddatenbanken am Computer erledigt wird. Vielleicht engagiert man hie und da noch eine Geigerin oder einen Flöter, um dem Tuttiklang mehr Menschlichkeit zu verleihen. Hören Sie einmal genau hin! Hören Sie den Unterschied zu einem echten Orchester noch?

Auch wenn Sie beispielsweise ins Musical gehen (sehr beliebt), dann sitzen dort 3-5 Keyborder, die alle Sounds elektronisch erzeugen und dazu noch ein paar wenige Orchestermusiker, elektronisch verstärkt. Mehr ist nicht nötig, um einen satten Sound zu erschaffen.

Da lässt sich doch eine Menge einsparen an Opern- und Konzerthäusern (braucht man dann überhaupt noch so große Gebäude wie die neue Elbphilharmonie?).
Im Theater Hagen beispielsweise, das ja unlängst wieder einmal vor der Schließung stand, könnte man, wenn es nach dem Willen der verbleibenden Kandidaten für die neue Intendanz geht, auch Orchesterstellen einsparen. Nur zu, das Musical macht es vor: Es geht mit ganz wenig.
Ürigens, könnte man noch mehrere Jahresgehälter einsparen, wenn man einen inszenierenden Sänger-Schauspieler als Intendant engagiert. Der könnte nämlich auch noch alle ihn betreffenden Rollen selbst singen und gleichzeitig die Regie führen. Selbstverständlich alles parallel und gleichzeitig. Ich wäre bereit!

Aber was ist mit den Sängern, den Sängerdarstellern… Kann man die denn nicht einfach einsparen?

Lucasfilm hat zwar beispielsweise Prinzessin Leia digital ersetzen können, aber Disney musste den Titelsong von Frozen Let it go beispielsweise von 41 verschiedene Sängerinnen in 41 verschiedenen Sprachen singen lassen. Das kostet natürlich.
Könnte da vielleicht eine KI helfen?

Und wie sieht es mit den Komponisten aus? Wird man die noch benötigen, oder ist eine KI, die das gesamte verfügbare musikalische Material unserer Menschheit analysieren kann, in der Lage, Unvorstellbares zu komponieren. Je nach Bedarf.

Werden wir in einer Zeit, in der wir uns mit KIs herumärgern dürfen, überhaupt noch Zeit und Geld haben, Kunst und Kultur voranzubringen?

Nein, es kommt anders: wir werden vermutlich den ganzen Tag alle selbst singend und dichtend, malend und bastelnd umherlaufen, weil wir sonst eben nichts mehr zu tun haben!

Das wäre doch eine herrliche Vorstellung.

Insofern, ein Prosit auf die nahe Zukunft und ein Hoch auf die Unperfektheit des Menschen!

Peter Schöne.
Peter Schöne

Konzert- und Opernsänger